chen Ansichten und Bedürfnissen wohnen, welche dieselbe Staatsmari¬ men befolgen und unter denselben, allgemeinen Gesetzen stehen, nennen Sie dieses Gibraltar endlich Newyork, und ich überlasse es Ihrer eige¬ nen Einbildungskraft, was für ein Schauplatz menschlicher Thätigkeit und Machtentwicklung dieser unschätzbare Fleck Erde sein kann und sein muß.
Ja! rief er aus, indem er vor einer Karte Amerika's stehen blieb, vor diesem Bilde muß jedes menschliche Knie sich beugen. Welch ein Anblick! Dieses Profil, diese Gliederung, dieser wunderbare Zusammen¬ hang der fähigsten Organe -- welch ein Göttergebilde! Das ist ein Leib, wie die Schöpfung des Prometheus! Aber nicht das Feuer fehlt ihm -- beim Himmel, das haben wir selbst! -- bloß der Ausarbei¬ tung seines Geäders sind wir die letzte Hand schuldig. Dieser Hudson, dieser Mississippi, dieser Ohio und Missouri, diese Seen und dieser Golf -- er beschrieb mit der Hand schwungvolle Linien -- welcher Landkörper der Erde hat ähnliche Venen und Arterien aufzuweisen? Alles ist da, bloß in den Kapillargefäßen bleibt uns noch eine letzte Feile. Ein paar hundert Eisenbahnen und Kanäle sind wir diesem Lande schuldig!
Hierauf folgte eine weitere Liturgie über den großartigen Thätig¬ keitstrieb der amerikanischen Nation, über die staunenswerthen Unter¬ nehmungen, die auf allen Punkten des Landes, wie eben so viele Ju¬ piters, gerüstete Minerven erzeugten, -- der Mann verwandelte ohne Weiters sein Amerika in einen Olymp von Göttern, indem er dürftige Schulerinnerungen am rechten Orte mit Pomp paradiren ließ. Den Schluß machte ein Engagement für eine der reichsten und mächtigsten Eisenbahncompagnien Nordamerika's. Den gänzlichen Schluß bildete der kleine Nachsatz, Herr Benthal könne gelegentlich der Tracirungen wohl auch in montanistischer, hydrographischer, chemisch-agrarischer, über¬ haupt in nationalökonomischer Beziehung die Landschaften ein wenig exploriren und nebenher seine Berichte und Zeichnungen darüber der Compagnie einsenden. Auf letzteres Offert antwortete Theodor mit großer Kaltblütigkeit: Also von einem Doppelgeschäfte ist hier die Rede! Unsre Eisenbahncompagnie ist zugleich eine Gesellschaft für Landhandel. Eine glückliche Combination, die einen ungeheuren Gewinn abwerfen muß! Indeß modificirt das unsre Abrede ein wenig, Herr Staunton.
chen Anſichten und Bedürfniſſen wohnen, welche dieſelbe Staatsmari¬ men befolgen und unter denſelben, allgemeinen Geſetzen ſtehen, nennen Sie dieſes Gibraltar endlich Newyork, und ich überlaſſe es Ihrer eige¬ nen Einbildungskraft, was für ein Schauplatz menſchlicher Thätigkeit und Machtentwicklung dieſer unſchätzbare Fleck Erde ſein kann und ſein muß.
Ja! rief er aus, indem er vor einer Karte Amerika's ſtehen blieb, vor dieſem Bilde muß jedes menſchliche Knie ſich beugen. Welch ein Anblick! Dieſes Profil, dieſe Gliederung, dieſer wunderbare Zuſammen¬ hang der fähigſten Organe — welch ein Göttergebilde! Das iſt ein Leib, wie die Schöpfung des Prometheus! Aber nicht das Feuer fehlt ihm — beim Himmel, das haben wir ſelbſt! — bloß der Ausarbei¬ tung ſeines Geäders ſind wir die letzte Hand ſchuldig. Dieſer Hudſon, dieſer Miſſiſſippi, dieſer Ohio und Miſſouri, dieſe Seen und dieſer Golf — er beſchrieb mit der Hand ſchwungvolle Linien — welcher Landkörper der Erde hat ähnliche Venen und Arterien aufzuweiſen? Alles iſt da, bloß in den Kapillargefäßen bleibt uns noch eine letzte Feile. Ein paar hundert Eiſenbahnen und Kanäle ſind wir dieſem Lande ſchuldig!
Hierauf folgte eine weitere Liturgie über den großartigen Thätig¬ keitstrieb der amerikaniſchen Nation, über die ſtaunenswerthen Unter¬ nehmungen, die auf allen Punkten des Landes, wie eben ſo viele Ju¬ piters, gerüſtete Minerven erzeugten, — der Mann verwandelte ohne Weiters ſein Amerika in einen Olymp von Göttern, indem er dürftige Schulerinnerungen am rechten Orte mit Pomp paradiren ließ. Den Schluß machte ein Engagement für eine der reichſten und mächtigſten Eiſenbahncompagnien Nordamerika's. Den gänzlichen Schluß bildete der kleine Nachſatz, Herr Benthal könne gelegentlich der Tracirungen wohl auch in montaniſtiſcher, hydrographiſcher, chemiſch-agrariſcher, über¬ haupt in nationalökonomiſcher Beziehung die Landſchaften ein wenig exploriren und nebenher ſeine Berichte und Zeichnungen darüber der Compagnie einſenden. Auf letzteres Offert antwortete Theodor mit großer Kaltblütigkeit: Alſo von einem Doppelgeſchäfte iſt hier die Rede! Unſre Eiſenbahncompagnie iſt zugleich eine Geſellſchaft für Landhandel. Eine glückliche Combination, die einen ungeheuren Gewinn abwerfen muß! Indeß modificirt das unſre Abrede ein wenig, Herr Staunton.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0480"n="462"/>
chen Anſichten und Bedürfniſſen wohnen, welche dieſelbe Staatsmari¬<lb/>
men befolgen und unter denſelben, allgemeinen Geſetzen ſtehen, nennen<lb/>
Sie dieſes Gibraltar endlich Newyork, und ich überlaſſe es Ihrer eige¬<lb/>
nen Einbildungskraft, was für ein Schauplatz menſchlicher Thätigkeit<lb/>
und Machtentwicklung dieſer unſchätzbare Fleck Erde ſein kann und<lb/>ſein muß.</p><lb/><p>Ja! rief er aus, indem er vor einer Karte Amerika's ſtehen blieb,<lb/>
vor dieſem Bilde muß jedes menſchliche Knie ſich beugen. Welch ein<lb/>
Anblick! Dieſes Profil, dieſe Gliederung, dieſer wunderbare Zuſammen¬<lb/>
hang der fähigſten Organe — welch ein Göttergebilde! Das iſt ein<lb/>
Leib, wie die Schöpfung des Prometheus! Aber nicht das Feuer fehlt<lb/>
ihm — beim Himmel, das haben wir ſelbſt! — bloß der Ausarbei¬<lb/>
tung ſeines Geäders ſind wir die letzte Hand ſchuldig. Dieſer Hudſon,<lb/>
dieſer Miſſiſſippi, dieſer Ohio und Miſſouri, dieſe Seen und dieſer<lb/>
Golf — er beſchrieb mit der Hand ſchwungvolle Linien — welcher<lb/>
Landkörper der Erde hat ähnliche Venen und Arterien aufzuweiſen?<lb/>
Alles iſt da, bloß in den Kapillargefäßen bleibt uns noch eine letzte<lb/>
Feile. Ein paar hundert Eiſenbahnen und Kanäle ſind wir dieſem<lb/>
Lande ſchuldig!</p><lb/><p>Hierauf folgte eine weitere Liturgie über den großartigen Thätig¬<lb/>
keitstrieb der amerikaniſchen Nation, über die ſtaunenswerthen Unter¬<lb/>
nehmungen, die auf allen Punkten des Landes, wie eben ſo viele Ju¬<lb/>
piters, gerüſtete Minerven erzeugten, — der Mann verwandelte ohne<lb/>
Weiters ſein Amerika in einen Olymp von Göttern, indem er dürftige<lb/>
Schulerinnerungen am rechten Orte mit Pomp paradiren ließ. Den<lb/>
Schluß machte ein Engagement für eine der reichſten und mächtigſten<lb/>
Eiſenbahncompagnien Nordamerika's. Den gänzlichen Schluß bildete<lb/>
der kleine Nachſatz, Herr Benthal könne gelegentlich der Tracirungen<lb/>
wohl auch in montaniſtiſcher, hydrographiſcher, chemiſch-agrariſcher, über¬<lb/>
haupt in nationalökonomiſcher Beziehung die Landſchaften <hirendition="#g">ein wenig</hi><lb/>
exploriren und <hirendition="#g">nebenher</hi>ſeine Berichte und Zeichnungen darüber der<lb/>
Compagnie einſenden. Auf letzteres Offert antwortete Theodor mit<lb/>
großer Kaltblütigkeit: Alſo von einem Doppelgeſchäfte iſt hier die Rede!<lb/>
Unſre Eiſenbahncompagnie iſt zugleich eine Geſellſchaft für Landhandel.<lb/>
Eine glückliche Combination, die einen ungeheuren Gewinn abwerfen<lb/>
muß! Indeß modificirt das unſre Abrede ein wenig, Herr Staunton.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[462/0480]
chen Anſichten und Bedürfniſſen wohnen, welche dieſelbe Staatsmari¬
men befolgen und unter denſelben, allgemeinen Geſetzen ſtehen, nennen
Sie dieſes Gibraltar endlich Newyork, und ich überlaſſe es Ihrer eige¬
nen Einbildungskraft, was für ein Schauplatz menſchlicher Thätigkeit
und Machtentwicklung dieſer unſchätzbare Fleck Erde ſein kann und
ſein muß.
Ja! rief er aus, indem er vor einer Karte Amerika's ſtehen blieb,
vor dieſem Bilde muß jedes menſchliche Knie ſich beugen. Welch ein
Anblick! Dieſes Profil, dieſe Gliederung, dieſer wunderbare Zuſammen¬
hang der fähigſten Organe — welch ein Göttergebilde! Das iſt ein
Leib, wie die Schöpfung des Prometheus! Aber nicht das Feuer fehlt
ihm — beim Himmel, das haben wir ſelbſt! — bloß der Ausarbei¬
tung ſeines Geäders ſind wir die letzte Hand ſchuldig. Dieſer Hudſon,
dieſer Miſſiſſippi, dieſer Ohio und Miſſouri, dieſe Seen und dieſer
Golf — er beſchrieb mit der Hand ſchwungvolle Linien — welcher
Landkörper der Erde hat ähnliche Venen und Arterien aufzuweiſen?
Alles iſt da, bloß in den Kapillargefäßen bleibt uns noch eine letzte
Feile. Ein paar hundert Eiſenbahnen und Kanäle ſind wir dieſem
Lande ſchuldig!
Hierauf folgte eine weitere Liturgie über den großartigen Thätig¬
keitstrieb der amerikaniſchen Nation, über die ſtaunenswerthen Unter¬
nehmungen, die auf allen Punkten des Landes, wie eben ſo viele Ju¬
piters, gerüſtete Minerven erzeugten, — der Mann verwandelte ohne
Weiters ſein Amerika in einen Olymp von Göttern, indem er dürftige
Schulerinnerungen am rechten Orte mit Pomp paradiren ließ. Den
Schluß machte ein Engagement für eine der reichſten und mächtigſten
Eiſenbahncompagnien Nordamerika's. Den gänzlichen Schluß bildete
der kleine Nachſatz, Herr Benthal könne gelegentlich der Tracirungen
wohl auch in montaniſtiſcher, hydrographiſcher, chemiſch-agrariſcher, über¬
haupt in nationalökonomiſcher Beziehung die Landſchaften ein wenig
exploriren und nebenher ſeine Berichte und Zeichnungen darüber der
Compagnie einſenden. Auf letzteres Offert antwortete Theodor mit
großer Kaltblütigkeit: Alſo von einem Doppelgeſchäfte iſt hier die Rede!
Unſre Eiſenbahncompagnie iſt zugleich eine Geſellſchaft für Landhandel.
Eine glückliche Combination, die einen ungeheuren Gewinn abwerfen
muß! Indeß modificirt das unſre Abrede ein wenig, Herr Staunton.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/480>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.