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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Moorfeld stand erstarrt. In Wogan's Zügen verkroch sich ein
tückisches Hohnlachen. Nach einer Pause kurzer Ueberlegung sagte
Moorfeld: Wohl! Das hat auf den Ausgang dieses Prozesses Be¬
zug. Ich mag's erwarten. Und eine Stimme sagt mir, daß auch
nicht das Zehntel von jenem dirty job gesund ist. Kaum werde ich
einen Livingstone auffordern dürfen, die Truggewebe eines Wogan
zu zerreißen. Aber --

Bei dem Namen: Livingstone blickte Wogan überrascht und er¬
blaßte. Er murmelte etwas von einem "billigen Vergleiche", zu dem
er sich bereit finden lasse.

Aber -- fuhr Moorfeld fort ohne ihn eines Blicks zu würdigen --
unter allen Umständen kehrt meine Forderung zurück, mir mein Haus
aufzuschließen. Wenn ich's erlebe, daß ein amerikanisches Gericht den
Raub nachträglich heiligt, so soll mich das Urtheil einer Mehrheit von
Flibustiern so gehorsam finden, wie jede Mehrheit. Das Gut sei sein.
Jetzt, wo es noch nicht sein ist, ersuche ich Sie indeß, diese Scene zu
enden. Handeln Sie Ihres Amts. Ich wünsche, unter der Autorität
Ihres Gerichts nach Hause zu kehren.

Mr. Gull antwortete in einem sanften aber bestimmten Tone: In
Wahrheit, Sir, auch das macht sich nicht, wie Sie denken. Ihr Geg¬
ner sitzt in dem Hause, Sie stehen außer dem Hause. Das ist der
factische Thatbestand hier. Und bis zu einem Urtheilsspruch, der diesen
Thatbestand ändert, dürfte kein Sheriff in Amerika die Verantwor¬
tung auf sich laden, ihn einseitig aufzuheben. Mr. Wogan präsen¬
tirt sich uns im Besitze, der Besitz aber ist prima facie ein Beweis
des Rechts.

Moorfeld war sprachlos. Er hatte gehört, aber das Wort irrte
unverstanden am äußeren Ohre umher: es vermischte sich nicht sinn¬
voll mit der Besinnung. Beamte dieser Republik, rief er aus, versteh'
ich Sie recht? Ein Räuber bricht Nachts in mein Haus und Morgens
stellt Ihr Amerika's Themis als Schutzwache an sein Haus?

Und die Beamten der Republik sahen ernst und bejahten.

Der Mensch ist noch ungeboren, den der Anblick des Gesetzes
nicht überwältigte. Dem Unnatürlichsten ist es natürlich, dem Ehr¬
furchtslosesten eine Majestät, und selbst dem Gottesleugner ein Gott. --
Betäubt verließ Moorfeld das Haus. Ueber all seinen Seelenqualen

Moorfeld ſtand erſtarrt. In Wogan's Zügen verkroch ſich ein
tückiſches Hohnlachen. Nach einer Pauſe kurzer Ueberlegung ſagte
Moorfeld: Wohl! Das hat auf den Ausgang dieſes Prozeſſes Be¬
zug. Ich mag's erwarten. Und eine Stimme ſagt mir, daß auch
nicht das Zehntel von jenem dirty job geſund iſt. Kaum werde ich
einen Livingſtone auffordern dürfen, die Truggewebe eines Wogan
zu zerreißen. Aber —

Bei dem Namen: Livingſtone blickte Wogan überraſcht und er¬
blaßte. Er murmelte etwas von einem „billigen Vergleiche“, zu dem
er ſich bereit finden laſſe.

Aber — fuhr Moorfeld fort ohne ihn eines Blicks zu würdigen —
unter allen Umſtänden kehrt meine Forderung zurück, mir mein Haus
aufzuſchließen. Wenn ich's erlebe, daß ein amerikaniſches Gericht den
Raub nachträglich heiligt, ſo ſoll mich das Urtheil einer Mehrheit von
Flibuſtiern ſo gehorſam finden, wie jede Mehrheit. Das Gut ſei ſein.
Jetzt, wo es noch nicht ſein iſt, erſuche ich Sie indeß, dieſe Scene zu
enden. Handeln Sie Ihres Amts. Ich wünſche, unter der Autorität
Ihres Gerichts nach Hauſe zu kehren.

Mr. Gull antwortete in einem ſanften aber beſtimmten Tone: In
Wahrheit, Sir, auch das macht ſich nicht, wie Sie denken. Ihr Geg¬
ner ſitzt in dem Hauſe, Sie ſtehen außer dem Hauſe. Das iſt der
factiſche Thatbeſtand hier. Und bis zu einem Urtheilsſpruch, der dieſen
Thatbeſtand ändert, dürfte kein Sheriff in Amerika die Verantwor¬
tung auf ſich laden, ihn einſeitig aufzuheben. Mr. Wogan präſen¬
tirt ſich uns im Beſitze, der Beſitz aber iſt prima facie ein Beweis
des Rechts.

Moorfeld war ſprachlos. Er hatte gehört, aber das Wort irrte
unverſtanden am äußeren Ohre umher: es vermiſchte ſich nicht ſinn¬
voll mit der Beſinnung. Beamte dieſer Republik, rief er aus, verſteh'
ich Sie recht? Ein Räuber bricht Nachts in mein Haus und Morgens
ſtellt Ihr Amerika's Themis als Schutzwache an ſein Haus?

Und die Beamten der Republik ſahen ernſt und bejahten.

Der Menſch iſt noch ungeboren, den der Anblick des Geſetzes
nicht überwältigte. Dem Unnatürlichſten iſt es natürlich, dem Ehr¬
furchtsloſeſten eine Majeſtät, und ſelbſt dem Gottesleugner ein Gott. —
Betäubt verließ Moorfeld das Haus. Ueber all ſeinen Seelenqualen

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[440/0458] Moorfeld ſtand erſtarrt. In Wogan's Zügen verkroch ſich ein tückiſches Hohnlachen. Nach einer Pauſe kurzer Ueberlegung ſagte Moorfeld: Wohl! Das hat auf den Ausgang dieſes Prozeſſes Be¬ zug. Ich mag's erwarten. Und eine Stimme ſagt mir, daß auch nicht das Zehntel von jenem dirty job geſund iſt. Kaum werde ich einen Livingſtone auffordern dürfen, die Truggewebe eines Wogan zu zerreißen. Aber — Bei dem Namen: Livingſtone blickte Wogan überraſcht und er¬ blaßte. Er murmelte etwas von einem „billigen Vergleiche“, zu dem er ſich bereit finden laſſe. Aber — fuhr Moorfeld fort ohne ihn eines Blicks zu würdigen — unter allen Umſtänden kehrt meine Forderung zurück, mir mein Haus aufzuſchließen. Wenn ich's erlebe, daß ein amerikaniſches Gericht den Raub nachträglich heiligt, ſo ſoll mich das Urtheil einer Mehrheit von Flibuſtiern ſo gehorſam finden, wie jede Mehrheit. Das Gut ſei ſein. Jetzt, wo es noch nicht ſein iſt, erſuche ich Sie indeß, dieſe Scene zu enden. Handeln Sie Ihres Amts. Ich wünſche, unter der Autorität Ihres Gerichts nach Hauſe zu kehren. Mr. Gull antwortete in einem ſanften aber beſtimmten Tone: In Wahrheit, Sir, auch das macht ſich nicht, wie Sie denken. Ihr Geg¬ ner ſitzt in dem Hauſe, Sie ſtehen außer dem Hauſe. Das iſt der factiſche Thatbeſtand hier. Und bis zu einem Urtheilsſpruch, der dieſen Thatbeſtand ändert, dürfte kein Sheriff in Amerika die Verantwor¬ tung auf ſich laden, ihn einſeitig aufzuheben. Mr. Wogan präſen¬ tirt ſich uns im Beſitze, der Beſitz aber iſt prima facie ein Beweis des Rechts. Moorfeld war ſprachlos. Er hatte gehört, aber das Wort irrte unverſtanden am äußeren Ohre umher: es vermiſchte ſich nicht ſinn¬ voll mit der Beſinnung. Beamte dieſer Republik, rief er aus, verſteh' ich Sie recht? Ein Räuber bricht Nachts in mein Haus und Morgens ſtellt Ihr Amerika's Themis als Schutzwache an ſein Haus? Und die Beamten der Republik ſahen ernſt und bejahten. Der Menſch iſt noch ungeboren, den der Anblick des Geſetzes nicht überwältigte. Dem Unnatürlichſten iſt es natürlich, dem Ehr¬ furchtsloſeſten eine Majeſtät, und ſelbſt dem Gottesleugner ein Gott. — Betäubt verließ Moorfeld das Haus. Ueber all ſeinen Seelenqualen

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/458>, abgerufen am 25.11.2024.