den Europäer glauben macht, war hier gänzlich ausgerottet. So ließ sich auch von Waldsängern einzig die Spottdrossel hören, welche das Ohr unsers Wanderers bald mit dem kräftigen Zungenschlag des Finken, bald mit den weichen Kehllauten eines zärtlichen Sprossers äffte, in den Sprachen aller Vögel redete und das Gemüth keines einzigen aus¬ drückte, bis sie zuletzt als styllose Manieristin gründlich ärgerte.
Von Menschenwohnungen fand Moorfeld nur den spärlichen An¬ flug dessen, was sich heute -- hall, oder -- city in dieser Gegend nennt. Es waren rohe, eintönige Blockhütten von stets wiederholter Form, die so ermüdend durch jede Einzelnheit lief, daß sich Moorfeld mit grauester Ueberzeugtheit eines Glasers erinnerte, welcher ihm einst ge¬ rühmt, "jedes Fensterglas passe in jeden Fensterrahmen der Union". Ein paarmal überraschten ihn auch Gruppen von eleganten Frame¬ oder Bretterhäusern, welche mit hellgelbem Anstrich, rothen Dächern und grünen Jalousien keck an ein sumpfiges Fuhrwerkgeleise wie an die schönste Poststraße sich hinstellten, und irgend einen Balkon, Portikus, oder eine caktusgeschmückte Veranda mit der Koketterie eines nur zu naheliegenden Bildes ausluden. Das waren Häuser von Humbugern, welche als Lockvögel der Landspeculation vor den unerfahrenen Augen der Einwanderer "Farmerglück" zu spielen hatten. Ihre "lovely spots" standen entweder selbst zum Kaufe, oder das käufliche Land war so geschickt zwischen sie einparzellirt, daß der Käufer nicht umhin konnte, künstliche geschraubte Preise dafür zu zahlen. In einer dieser bemal¬ ten Ostereischalen hielt Moorfeld seine Mittagseinkehr. Der Wirth, der ihn für eine Beute halten mochte, belagerte ihn mit lauernden Ge¬ sprächen. Unwillig blickte ihm Moorfeld auf den Grund, und legte in raschen, kurzen Antworten seine Sacheinsichten zu Tag. Da sprang der Yankee ab, und gefiel sich hierauf den Frommen zu spielen. Er erkundigte sich eifrig nach dem camp-meeting. Moorfeld ließ sein Pferd abfüttern und ritt ungesättigt von dannen.
Er überließ sich planlos der Irre. Die besuchtere Straße nach Erie, der Stadt, hatte er absichtlich vermieden, sein Weg ging in die einsamsten Richtungen.
Erst als der Abend niedersank, am Horizont dichtere Waldmassen in finsterer Geschlossenheit zusammenrückten und die Riesenschatten der Wheymuthtanne, wie Landzungen der Nacht tief und das sonnige
den Europäer glauben macht, war hier gänzlich ausgerottet. So ließ ſich auch von Waldſängern einzig die Spottdroſſel hören, welche das Ohr unſers Wanderers bald mit dem kräftigen Zungenſchlag des Finken, bald mit den weichen Kehllauten eines zärtlichen Sproſſers äffte, in den Sprachen aller Vögel redete und das Gemüth keines einzigen aus¬ drückte, bis ſie zuletzt als ſtylloſe Manieriſtin gründlich ärgerte.
Von Menſchenwohnungen fand Moorfeld nur den ſpärlichen An¬ flug deſſen, was ſich heute — hall, oder — city in dieſer Gegend nennt. Es waren rohe, eintönige Blockhütten von ſtets wiederholter Form, die ſo ermüdend durch jede Einzelnheit lief, daß ſich Moorfeld mit graueſter Ueberzeugtheit eines Glaſers erinnerte, welcher ihm einſt ge¬ rühmt, „jedes Fenſterglas paſſe in jeden Fenſterrahmen der Union“. Ein paarmal überraſchten ihn auch Gruppen von eleganten Frame¬ oder Bretterhäuſern, welche mit hellgelbem Anſtrich, rothen Dächern und grünen Jalouſien keck an ein ſumpfiges Fuhrwerkgeleiſe wie an die ſchönſte Poſtſtraße ſich hinſtellten, und irgend einen Balkon, Portikus, oder eine caktusgeſchmückte Veranda mit der Koketterie eines nur zu naheliegenden Bildes ausluden. Das waren Häuſer von Humbugern, welche als Lockvögel der Landſpeculation vor den unerfahrenen Augen der Einwanderer „Farmerglück“ zu ſpielen hatten. Ihre „lovely spots“ ſtanden entweder ſelbſt zum Kaufe, oder das käufliche Land war ſo geſchickt zwiſchen ſie einparzellirt, daß der Käufer nicht umhin konnte, künſtliche geſchraubte Preiſe dafür zu zahlen. In einer dieſer bemal¬ ten Oſtereiſchalen hielt Moorfeld ſeine Mittagseinkehr. Der Wirth, der ihn für eine Beute halten mochte, belagerte ihn mit lauernden Ge¬ ſprächen. Unwillig blickte ihm Moorfeld auf den Grund, und legte in raſchen, kurzen Antworten ſeine Sacheinſichten zu Tag. Da ſprang der Yankee ab, und gefiel ſich hierauf den Frommen zu ſpielen. Er erkundigte ſich eifrig nach dem camp-meeting. Moorfeld ließ ſein Pferd abfüttern und ritt ungeſättigt von dannen.
Er überließ ſich planlos der Irre. Die beſuchtere Straße nach Erie, der Stadt, hatte er abſichtlich vermieden, ſein Weg ging in die einſamſten Richtungen.
Erſt als der Abend niederſank, am Horizont dichtere Waldmaſſen in finſterer Geſchloſſenheit zuſammenrückten und die Rieſenſchatten der Wheymuthtanne, wie Landzungen der Nacht tief und das ſonnige
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0420"n="402"/>
den Europäer glauben macht, war hier gänzlich ausgerottet. So ließ<lb/>ſich auch von Waldſängern einzig die Spottdroſſel hören, welche das Ohr<lb/>
unſers Wanderers bald mit dem kräftigen Zungenſchlag des Finken,<lb/>
bald mit den weichen Kehllauten eines zärtlichen Sproſſers äffte, in<lb/>
den Sprachen aller Vögel redete und das Gemüth keines einzigen aus¬<lb/>
drückte, bis ſie zuletzt als ſtylloſe Manieriſtin gründlich ärgerte.</p><lb/><p>Von Menſchenwohnungen fand Moorfeld nur den ſpärlichen An¬<lb/>
flug deſſen, was ſich heute —<hirendition="#aq">hall</hi>, oder —<hirendition="#aq">city</hi> in dieſer Gegend nennt.<lb/>
Es waren rohe, eintönige Blockhütten von ſtets wiederholter Form,<lb/>
die ſo ermüdend durch jede Einzelnheit lief, daß ſich Moorfeld mit<lb/>
graueſter Ueberzeugtheit eines Glaſers erinnerte, welcher ihm einſt ge¬<lb/>
rühmt, „jedes Fenſterglas paſſe in jeden Fenſterrahmen der Union“.<lb/>
Ein paarmal überraſchten ihn auch Gruppen von eleganten Frame¬<lb/>
oder Bretterhäuſern, welche mit hellgelbem Anſtrich, rothen Dächern und<lb/>
grünen Jalouſien keck an ein ſumpfiges Fuhrwerkgeleiſe wie an die<lb/>ſchönſte Poſtſtraße ſich hinſtellten, und irgend einen Balkon, Portikus,<lb/>
oder eine caktusgeſchmückte Veranda mit der Koketterie eines nur zu<lb/>
naheliegenden Bildes ausluden. Das waren Häuſer von Humbugern,<lb/>
welche als Lockvögel der Landſpeculation vor den unerfahrenen Augen<lb/>
der Einwanderer „Farmerglück“ zu ſpielen hatten. Ihre <hirendition="#aq">„lovely spots“</hi><lb/>ſtanden entweder ſelbſt zum Kaufe, oder das käufliche Land war ſo<lb/>
geſchickt zwiſchen ſie einparzellirt, daß der Käufer nicht umhin konnte,<lb/>
künſtliche geſchraubte Preiſe dafür zu zahlen. In einer dieſer bemal¬<lb/>
ten Oſtereiſchalen hielt Moorfeld ſeine Mittagseinkehr. Der Wirth,<lb/>
der ihn für eine Beute halten mochte, belagerte ihn mit lauernden Ge¬<lb/>ſprächen. Unwillig blickte ihm Moorfeld auf den Grund, und legte<lb/>
in raſchen, kurzen Antworten ſeine Sacheinſichten zu Tag. Da ſprang<lb/>
der Yankee ab, und gefiel ſich hierauf den Frommen zu ſpielen. Er<lb/>
erkundigte ſich eifrig nach dem <hirendition="#aq">camp-meeting</hi>. Moorfeld ließ ſein<lb/>
Pferd abfüttern und ritt ungeſättigt von dannen.</p><lb/><p>Er überließ ſich planlos der Irre. Die beſuchtere Straße nach<lb/>
Erie, der Stadt, hatte er abſichtlich vermieden, ſein Weg ging in die<lb/>
einſamſten Richtungen.</p><lb/><p>Erſt als der Abend niederſank, am Horizont dichtere Waldmaſſen<lb/>
in finſterer Geſchloſſenheit zuſammenrückten und die Rieſenſchatten der<lb/>
Wheymuthtanne, wie Landzungen der Nacht tief und das ſonnige<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[402/0420]
den Europäer glauben macht, war hier gänzlich ausgerottet. So ließ
ſich auch von Waldſängern einzig die Spottdroſſel hören, welche das Ohr
unſers Wanderers bald mit dem kräftigen Zungenſchlag des Finken,
bald mit den weichen Kehllauten eines zärtlichen Sproſſers äffte, in
den Sprachen aller Vögel redete und das Gemüth keines einzigen aus¬
drückte, bis ſie zuletzt als ſtylloſe Manieriſtin gründlich ärgerte.
Von Menſchenwohnungen fand Moorfeld nur den ſpärlichen An¬
flug deſſen, was ſich heute — hall, oder — city in dieſer Gegend nennt.
Es waren rohe, eintönige Blockhütten von ſtets wiederholter Form,
die ſo ermüdend durch jede Einzelnheit lief, daß ſich Moorfeld mit
graueſter Ueberzeugtheit eines Glaſers erinnerte, welcher ihm einſt ge¬
rühmt, „jedes Fenſterglas paſſe in jeden Fenſterrahmen der Union“.
Ein paarmal überraſchten ihn auch Gruppen von eleganten Frame¬
oder Bretterhäuſern, welche mit hellgelbem Anſtrich, rothen Dächern und
grünen Jalouſien keck an ein ſumpfiges Fuhrwerkgeleiſe wie an die
ſchönſte Poſtſtraße ſich hinſtellten, und irgend einen Balkon, Portikus,
oder eine caktusgeſchmückte Veranda mit der Koketterie eines nur zu
naheliegenden Bildes ausluden. Das waren Häuſer von Humbugern,
welche als Lockvögel der Landſpeculation vor den unerfahrenen Augen
der Einwanderer „Farmerglück“ zu ſpielen hatten. Ihre „lovely spots“
ſtanden entweder ſelbſt zum Kaufe, oder das käufliche Land war ſo
geſchickt zwiſchen ſie einparzellirt, daß der Käufer nicht umhin konnte,
künſtliche geſchraubte Preiſe dafür zu zahlen. In einer dieſer bemal¬
ten Oſtereiſchalen hielt Moorfeld ſeine Mittagseinkehr. Der Wirth,
der ihn für eine Beute halten mochte, belagerte ihn mit lauernden Ge¬
ſprächen. Unwillig blickte ihm Moorfeld auf den Grund, und legte
in raſchen, kurzen Antworten ſeine Sacheinſichten zu Tag. Da ſprang
der Yankee ab, und gefiel ſich hierauf den Frommen zu ſpielen. Er
erkundigte ſich eifrig nach dem camp-meeting. Moorfeld ließ ſein
Pferd abfüttern und ritt ungeſättigt von dannen.
Er überließ ſich planlos der Irre. Die beſuchtere Straße nach
Erie, der Stadt, hatte er abſichtlich vermieden, ſein Weg ging in die
einſamſten Richtungen.
Erſt als der Abend niederſank, am Horizont dichtere Waldmaſſen
in finſterer Geſchloſſenheit zuſammenrückten und die Rieſenſchatten der
Wheymuthtanne, wie Landzungen der Nacht tief und das ſonnige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/420>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.