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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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den sei? Durchaus nicht, antwortete er mit fester Stimme. Nun
werden die sachverständigen Zimmerleute vereidigt und befragt, was
das Resultat ihrer Besichtigung gewesen sei? Sie antworteten, daß sie
den Bau, in einer nicht sachgerechten Art und Weise aufgerichtet ge¬
funden. Der Tischler stand wie vom Donner gerührt. Die Eides¬
aussagen allein waren es ja, auf welchen seine Hoffnung geruht. Diese
Hoffnung versagte ihm jetzt, er sah mit Schrecken, daß solch ein Pro¬
ceß auch verloren werden könne. Thränen traten dem vierzigjährigen
Mann in's Auge. Aufgefordert, was er zu seiner Vertheidigung vor¬
zubringen habe, stotterte er mit muthloser Stimme Folgendes: Ich habe
drei Jahre lang für den Stadtrath in Breslau gearbeitet, Fußböden
gelegt, Thüren, Fenster und Gesimse gemacht, aber nie nicht! ist mir
ein Stück zurückgegeben, oder getadelt worden. Mr. Baine hat meiner
Arbeit täglich nachgesehen, und mich oft aufgefordert, ich möchte es
nicht so genau nehmen, auf ein paar Fugen käme es ja nicht an, den
Fußboden zu hobeln verbot er mir förmlich. Zwanzig Tage habe ich
unter der siedigsten Sommerhitze geschafft; ich frage bei Gott und
Welt, ob es erlaubt ist, daß so etwas unbezahlt bleiben soll. Ich
frage jeden ehrlichen Tischler, der meine Arbeit versteht, ob 38 3/8 Dollars
ein übermäßiger Preis dafür ist. Gewiß, das ist es nicht, meine
Herren! Die Nennung des Preises veranlaßte die Richter nun auch
nach dem Contract zwischen Mr. Baine und dem Kaufmann zu fra¬
gen. Der Vertheidiger verwarf zuerst diese Frage als ungehörig, gab
aber zuletzt, mit Zustimmung seiner Clienten, nach. Der Contract
wurde verlesen. Er lautete mit dem vorigen ganz gleich, nur in der
Ziffer ergab sich eine kleine Verschiedenheit. Nicht 38 3/8 , sondern
200 Dollars hatte sich Mr. Baine von dem Kaufmann bedungen!
Und der Kaufmann fügte noch hinzu, daß er diese Summe theils in
Geld, theils in Waaren, dem Mr. Baine bereits bezahlt. Diese Mit¬
theilung war eigentlich unbesonnen, denn der Kaufmann bewies damit
augenscheinlich, daß ihm die Arbeit ja doch gut genug gewesen, und
nicht, wie er dem Deutschen gegenüber geschworen: "durchaus nicht!"
Aber dieser kleine faux pas wurde nicht mehr bemerkt, denn im gan¬
zen Gerichtssaal machte sich ein Unwille laut, -- ein Unwille gegen
den Deutschen. Er nämlich, nicht Mr. Baine war es, den jene Ent¬
deckung direct todt machte. Daß sich ein Mensch für 38 Dollars zu

den ſei? Durchaus nicht, antwortete er mit feſter Stimme. Nun
werden die ſachverſtändigen Zimmerleute vereidigt und befragt, was
das Reſultat ihrer Beſichtigung geweſen ſei? Sie antworteten, daß ſie
den Bau, in einer nicht ſachgerechten Art und Weiſe aufgerichtet ge¬
funden. Der Tiſchler ſtand wie vom Donner gerührt. Die Eides¬
ausſagen allein waren es ja, auf welchen ſeine Hoffnung geruht. Dieſe
Hoffnung verſagte ihm jetzt, er ſah mit Schrecken, daß ſolch ein Pro¬
ceß auch verloren werden könne. Thränen traten dem vierzigjährigen
Mann in's Auge. Aufgefordert, was er zu ſeiner Vertheidigung vor¬
zubringen habe, ſtotterte er mit muthloſer Stimme Folgendes: Ich habe
drei Jahre lang für den Stadtrath in Breslau gearbeitet, Fußböden
gelegt, Thüren, Fenſter und Geſimſe gemacht, aber nie nicht! iſt mir
ein Stück zurückgegeben, oder getadelt worden. Mr. Baine hat meiner
Arbeit täglich nachgeſehen, und mich oft aufgefordert, ich möchte es
nicht ſo genau nehmen, auf ein paar Fugen käme es ja nicht an, den
Fußboden zu hobeln verbot er mir förmlich. Zwanzig Tage habe ich
unter der ſiedigſten Sommerhitze geſchafft; ich frage bei Gott und
Welt, ob es erlaubt iſt, daß ſo etwas unbezahlt bleiben ſoll. Ich
frage jeden ehrlichen Tiſchler, der meine Arbeit verſteht, ob 38⅜ Dollars
ein übermäßiger Preis dafür iſt. Gewiß, das iſt es nicht, meine
Herren! Die Nennung des Preiſes veranlaßte die Richter nun auch
nach dem Contract zwiſchen Mr. Baine und dem Kaufmann zu fra¬
gen. Der Vertheidiger verwarf zuerſt dieſe Frage als ungehörig, gab
aber zuletzt, mit Zuſtimmung ſeiner Clienten, nach. Der Contract
wurde verleſen. Er lautete mit dem vorigen ganz gleich, nur in der
Ziffer ergab ſich eine kleine Verſchiedenheit. Nicht 38⅜, ſondern
200 Dollars hatte ſich Mr. Baine von dem Kaufmann bedungen!
Und der Kaufmann fügte noch hinzu, daß er dieſe Summe theils in
Geld, theils in Waaren, dem Mr. Baine bereits bezahlt. Dieſe Mit¬
theilung war eigentlich unbeſonnen, denn der Kaufmann bewies damit
augenſcheinlich, daß ihm die Arbeit ja doch gut genug geweſen, und
nicht, wie er dem Deutſchen gegenüber geſchworen: „durchaus nicht!“
Aber dieſer kleine faux pas wurde nicht mehr bemerkt, denn im gan¬
zen Gerichtsſaal machte ſich ein Unwille laut, — ein Unwille gegen
den Deutſchen. Er nämlich, nicht Mr. Baine war es, den jene Ent¬
deckung direct todt machte. Daß ſich ein Menſch für 38 Dollars zu

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[337/0355] den ſei? Durchaus nicht, antwortete er mit feſter Stimme. Nun werden die ſachverſtändigen Zimmerleute vereidigt und befragt, was das Reſultat ihrer Beſichtigung geweſen ſei? Sie antworteten, daß ſie den Bau, in einer nicht ſachgerechten Art und Weiſe aufgerichtet ge¬ funden. Der Tiſchler ſtand wie vom Donner gerührt. Die Eides¬ ausſagen allein waren es ja, auf welchen ſeine Hoffnung geruht. Dieſe Hoffnung verſagte ihm jetzt, er ſah mit Schrecken, daß ſolch ein Pro¬ ceß auch verloren werden könne. Thränen traten dem vierzigjährigen Mann in's Auge. Aufgefordert, was er zu ſeiner Vertheidigung vor¬ zubringen habe, ſtotterte er mit muthloſer Stimme Folgendes: Ich habe drei Jahre lang für den Stadtrath in Breslau gearbeitet, Fußböden gelegt, Thüren, Fenſter und Geſimſe gemacht, aber nie nicht! iſt mir ein Stück zurückgegeben, oder getadelt worden. Mr. Baine hat meiner Arbeit täglich nachgeſehen, und mich oft aufgefordert, ich möchte es nicht ſo genau nehmen, auf ein paar Fugen käme es ja nicht an, den Fußboden zu hobeln verbot er mir förmlich. Zwanzig Tage habe ich unter der ſiedigſten Sommerhitze geſchafft; ich frage bei Gott und Welt, ob es erlaubt iſt, daß ſo etwas unbezahlt bleiben ſoll. Ich frage jeden ehrlichen Tiſchler, der meine Arbeit verſteht, ob 38⅜ Dollars ein übermäßiger Preis dafür iſt. Gewiß, das iſt es nicht, meine Herren! Die Nennung des Preiſes veranlaßte die Richter nun auch nach dem Contract zwiſchen Mr. Baine und dem Kaufmann zu fra¬ gen. Der Vertheidiger verwarf zuerſt dieſe Frage als ungehörig, gab aber zuletzt, mit Zuſtimmung ſeiner Clienten, nach. Der Contract wurde verleſen. Er lautete mit dem vorigen ganz gleich, nur in der Ziffer ergab ſich eine kleine Verſchiedenheit. Nicht 38⅜, ſondern 200 Dollars hatte ſich Mr. Baine von dem Kaufmann bedungen! Und der Kaufmann fügte noch hinzu, daß er dieſe Summe theils in Geld, theils in Waaren, dem Mr. Baine bereits bezahlt. Dieſe Mit¬ theilung war eigentlich unbeſonnen, denn der Kaufmann bewies damit augenſcheinlich, daß ihm die Arbeit ja doch gut genug geweſen, und nicht, wie er dem Deutſchen gegenüber geſchworen: „durchaus nicht!“ Aber dieſer kleine faux pas wurde nicht mehr bemerkt, denn im gan¬ zen Gerichtsſaal machte ſich ein Unwille laut, — ein Unwille gegen den Deutſchen. Er nämlich, nicht Mr. Baine war es, den jene Ent¬ deckung direct todt machte. Daß ſich ein Menſch für 38 Dollars zu

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/355>, abgerufen am 23.11.2024.