projectirt ist, und daß es demnächst hundertfachen Werth haben wird: kurz sie steigern jedenfalls. Da aber ein Vorsiedler da ist, so wollen sie freilich nicht rücksichtslos sein. Zu seinen Gunsten stehen sie von dem Handel ab und bitten sich nur ein "hush-money" von etwa fünf oder zehn Dollars aus. Diese kleine Erkenntlichkeit dürfen sie billig in Anspruch nehmen. Wer wollte sie verweigern? Es wäre sein eigener Schaden. Der arme Settler zahlt es denn auch. So muß er sich sein Vorkaufsrecht kaufen, das er durch die "freien und aufgeklär¬ ten Institutionen" dieses Landes hoch-wohl-klingender Weise umsonst hat. Manchmal darf er freilich das hush-money ungestraft verweigern. Zuweilen statuirt aber auch der Scheinkäufer ein Exempel und kauft wirklich. Den Kaufschilling bringt er durch die Hilfe seiner Zunft¬ genossen zusammen. Ein solcher Fall wirkt dann gleich vielen. Der Settler kann nie wissen, was für eine Potenz er vor sich hat. Er läßt sich also, es schmerze wie's wolle, gutwillig brandschatzen.
Daß man auf jeder Landauction, fuhr Anhorst fort, einem solchen hush-money-Reiter begegnen werde, darauf kann man schon längst und regelmäßig gefaßt sein. Die Entsittlichung der Bevölkerung schrei¬ tet noch mehr vor, als diese selbst. Auch ich kam auf diese Lisboner Auction in keiner bessern Erwartung. Ja, ich glaubte gefaßt zu sein. Leider! dem gegenüber, was mich erwartete, ging mir die Fassung aus in Börse wie in Gemüth. Nicht ein, fünfhush-money-Wölfe nahmen mich diesmal in Empfang. Das war mir überwältigend-neu! Ach, mein Herr! ich habe in den Städten viel Unglück erlebt: die Bowery-Jungen zu Neuyork haben mich gewaltsam geplündert, die Quäcker zu Philadelphia gaben in Geld- und Wechselsachen falsch Zeugniß wider mich, und die ersten Häuser in Cincinnati bankro¬ tirten mich nieder, während sie selbst ihren pile dabei machten. In dieser Wildniß, mit dieser Kieselfaust, glaubt' ich um den Preis Alles dessen, was das Leben schön macht, das Leben behaupten zu können. Umsonst. Es geht noch einmal nicht. Viermal, wie Sie sahen, zog ich meine Brieftasche und fütterte die Wölfe; was ein Mensch geben kann, der entschlossen ist, lieber sämmtliches Ackergeräth aus Eisen zu verkaufen und mit hölzernen Stangen und zehnfacher An¬ strengung zu arbeiten, das gab ich diesen Unbarmherzigen dahin, um mein letztes unwirthliches Waldasyl festzuhalten. Umsonst. Viere konnt'
projectirt iſt, und daß es demnächſt hundertfachen Werth haben wird: kurz ſie ſteigern jedenfalls. Da aber ein Vorſiedler da iſt, ſo wollen ſie freilich nicht rückſichtslos ſein. Zu ſeinen Gunſten ſtehen ſie von dem Handel ab und bitten ſich nur ein „hush-money“ von etwa fünf oder zehn Dollars aus. Dieſe kleine Erkenntlichkeit dürfen ſie billig in Anſpruch nehmen. Wer wollte ſie verweigern? Es wäre ſein eigener Schaden. Der arme Settler zahlt es denn auch. So muß er ſich ſein Vorkaufsrecht kaufen, das er durch die „freien und aufgeklär¬ ten Inſtitutionen“ dieſes Landes hoch-wohl-klingender Weiſe umſonſt hat. Manchmal darf er freilich das hush-money ungeſtraft verweigern. Zuweilen ſtatuirt aber auch der Scheinkäufer ein Exempel und kauft wirklich. Den Kaufſchilling bringt er durch die Hilfe ſeiner Zunft¬ genoſſen zuſammen. Ein ſolcher Fall wirkt dann gleich vielen. Der Settler kann nie wiſſen, was für eine Potenz er vor ſich hat. Er läßt ſich alſo, es ſchmerze wie's wolle, gutwillig brandſchatzen.
Daß man auf jeder Landauction, fuhr Anhorſt fort, einem ſolchen hush-money-Reiter begegnen werde, darauf kann man ſchon längſt und regelmäßig gefaßt ſein. Die Entſittlichung der Bevölkerung ſchrei¬ tet noch mehr vor, als dieſe ſelbſt. Auch ich kam auf dieſe Lisboner Auction in keiner beſſern Erwartung. Ja, ich glaubte gefaßt zu ſein. Leider! dem gegenüber, was mich erwartete, ging mir die Faſſung aus in Börſe wie in Gemüth. Nicht ein, fünfhush-money-Wölfe nahmen mich diesmal in Empfang. Das war mir überwältigend-neu! Ach, mein Herr! ich habe in den Städten viel Unglück erlebt: die Bowery-Jungen zu Neuyork haben mich gewaltſam geplündert, die Quäcker zu Philadelphia gaben in Geld- und Wechſelſachen falſch Zeugniß wider mich, und die erſten Häuſer in Cincinnati bankro¬ tirten mich nieder, während ſie ſelbſt ihren pile dabei machten. In dieſer Wildniß, mit dieſer Kieſelfauſt, glaubt' ich um den Preis Alles deſſen, was das Leben ſchön macht, das Leben behaupten zu können. Umſonſt. Es geht noch einmal nicht. Viermal, wie Sie ſahen, zog ich meine Brieftaſche und fütterte die Wölfe; was ein Menſch geben kann, der entſchloſſen iſt, lieber ſämmtliches Ackergeräth aus Eiſen zu verkaufen und mit hölzernen Stangen und zehnfacher An¬ ſtrengung zu arbeiten, das gab ich dieſen Unbarmherzigen dahin, um mein letztes unwirthliches Waldaſyl feſtzuhalten. Umſonſt. Viere konnt'
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projectirt iſt, und daß es demnächſt hundertfachen Werth haben wird:
kurz ſie ſteigern jedenfalls. Da aber ein Vorſiedler da iſt, ſo wollen
ſie freilich nicht rückſichtslos ſein. Zu ſeinen Gunſten ſtehen ſie von
dem Handel ab und bitten ſich nur ein „hush-money“ von etwa
fünf oder zehn Dollars aus. Dieſe kleine Erkenntlichkeit dürfen ſie
billig in Anſpruch nehmen. Wer wollte ſie verweigern? Es wäre ſein
eigener Schaden. Der arme Settler zahlt es denn auch. So muß er
ſich ſein Vorkaufsrecht kaufen, das er durch die „freien und aufgeklär¬
ten Inſtitutionen“ dieſes Landes hoch-wohl-klingender Weiſe umſonſt
hat. Manchmal darf er freilich das hush-money ungeſtraft verweigern.
Zuweilen ſtatuirt aber auch der Scheinkäufer ein Exempel und kauft
wirklich. Den Kaufſchilling bringt er durch die Hilfe ſeiner Zunft¬
genoſſen zuſammen. Ein ſolcher Fall wirkt dann gleich vielen. Der
Settler kann nie wiſſen, was für eine Potenz er vor ſich hat. Er
läßt ſich alſo, es ſchmerze wie's wolle, gutwillig brandſchatzen.
Daß man auf jeder Landauction, fuhr Anhorſt fort, einem ſolchen
hush-money-Reiter begegnen werde, darauf kann man ſchon längſt
und regelmäßig gefaßt ſein. Die Entſittlichung der Bevölkerung ſchrei¬
tet noch mehr vor, als dieſe ſelbſt. Auch ich kam auf dieſe Lisboner
Auction in keiner beſſern Erwartung. Ja, ich glaubte gefaßt zu ſein.
Leider! dem gegenüber, was mich erwartete, ging mir die Faſſung
aus in Börſe wie in Gemüth. Nicht ein, fünf hush-money-Wölfe
nahmen mich diesmal in Empfang. Das war mir überwältigend-neu!
Ach, mein Herr! ich habe in den Städten viel Unglück erlebt: die
Bowery-Jungen zu Neuyork haben mich gewaltſam geplündert, die
Quäcker zu Philadelphia gaben in Geld- und Wechſelſachen falſch
Zeugniß wider mich, und die erſten Häuſer in Cincinnati bankro¬
tirten mich nieder, während ſie ſelbſt ihren pile dabei machten. In
dieſer Wildniß, mit dieſer Kieſelfauſt, glaubt' ich um den Preis
Alles deſſen, was das Leben ſchön macht, das Leben behaupten zu
können. Umſonſt. Es geht noch einmal nicht. Viermal, wie Sie ſahen,
zog ich meine Brieftaſche und fütterte die Wölfe; was ein Menſch
geben kann, der entſchloſſen iſt, lieber ſämmtliches Ackergeräth aus
Eiſen zu verkaufen und mit hölzernen Stangen und zehnfacher An¬
ſtrengung zu arbeiten, das gab ich dieſen Unbarmherzigen dahin, um
mein letztes unwirthliches Waldaſyl feſtzuhalten. Umſonſt. Viere konnt'
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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