er selbst die Maitresse eines Großen und die natürliche Tochter eines andern Großen geehlichet. Der Ausgang des Duells brachte mich auf die Festung. Man verhalf mir zur Flucht, ich ging mit Frau und Kind nach Amerika. Aber -- unterbrach sich der Erzähler mit plötz¬ lich veränderter Stimme -- aber, mein Herr, indeß ich so anfange, wird dort geendet mit mir. Haben Sie gehört? schon rief der Sheriff das Land aus, das ich mit dieser Hornhaut auf den Händen, das ich mit dem vierfach erkauften Recht zu kaufen, mein nenne. Steht Ihnen noch mehr von meiner Geschichte zu Diensten?
Moorfeld gab sich die Miene, die Bitterkeit des Tiefverstimmten zu überhören und sagte mit Wärme: Allerdings, mein Herr, bitte ich darum, wenngleich nicht in diesem Augenblicke. Gegenwärtig würde ich Ihnen Dank wissen, wenn Sie mir blos die letzten Ihrer Worte zu erklären so freundlich wären. Das Land, worauf Sie gerechte An¬ sprüche haben und das Ihnen deßungeachtet so eben entgehen soll -- wie verhält es sich damit?
Anhorst, wie wir den Deutschen jetzt nennen können, widerstand der fortgesetzten Freundlichkeit Moorfeld's nicht länger; er fühlte seinen eigenen Culturmenschen wieder erwacht in sich, und antwortete etwas geselliger: Sie wissen, mein Herr, was ein Squatter oder Vorsiedler ist. Er ist ein Festungssträfling im Freien. Er verrichtet die härtesten aller menschlichen Arbeiten, denn er geht allen übrigen Arbeiten vor¬ aus. Mit Axt und Flinte wirft er sich in den Ocean der Urwälder und Prairien und wo er die Spuren einer Büffelherde entdeckt, dort ist seine Etappenstraße; der folgt er. Eine Waldeinöde links, eine Graseinöde rechts, und in der Front vielleicht ein trüber Abfluß von einem morastigen See -- das ist ihm genug zur Heimath: den Winkel wählt er und fragt nichts darnach, ob er zur nächst-größeren Stadt ungefähr so weit hat, wie von Basel nach Leipzig. Er zündet das erste menschliche Licht an, wo sonst nur der Blitz in Bäume gezündet hat, er haut sich ein paar Schock Eichen um, welche mit Friedrich von Hohenstaufen zugleich flaumbärtige Kinder waren, er stellt sich seine rohe Blockhütte auf. Er bricht den Wald und Prairieboden um, der mit zahllosen Wurzeln wie mit einem Eisendraht durchflochten ist, er rodet rastlos das ewig nachwuchernde Unkraut aus, er schützt sich end¬ lich das halbwegs geklärte Feld gegen die wilden Thiere und gegen
er ſelbſt die Maitreſſe eines Großen und die natürliche Tochter eines andern Großen geehlichet. Der Ausgang des Duells brachte mich auf die Feſtung. Man verhalf mir zur Flucht, ich ging mit Frau und Kind nach Amerika. Aber — unterbrach ſich der Erzähler mit plötz¬ lich veränderter Stimme — aber, mein Herr, indeß ich ſo anfange, wird dort geendet mit mir. Haben Sie gehört? ſchon rief der Sheriff das Land aus, das ich mit dieſer Hornhaut auf den Händen, das ich mit dem vierfach erkauften Recht zu kaufen, mein nenne. Steht Ihnen noch mehr von meiner Geſchichte zu Dienſten?
Moorfeld gab ſich die Miene, die Bitterkeit des Tiefverſtimmten zu überhören und ſagte mit Wärme: Allerdings, mein Herr, bitte ich darum, wenngleich nicht in dieſem Augenblicke. Gegenwärtig würde ich Ihnen Dank wiſſen, wenn Sie mir blos die letzten Ihrer Worte zu erklären ſo freundlich wären. Das Land, worauf Sie gerechte An¬ ſprüche haben und das Ihnen deßungeachtet ſo eben entgehen ſoll — wie verhält es ſich damit?
Anhorſt, wie wir den Deutſchen jetzt nennen können, widerſtand der fortgeſetzten Freundlichkeit Moorfeld's nicht länger; er fühlte ſeinen eigenen Culturmenſchen wieder erwacht in ſich, und antwortete etwas geſelliger: Sie wiſſen, mein Herr, was ein Squatter oder Vorſiedler iſt. Er iſt ein Feſtungsſträfling im Freien. Er verrichtet die härteſten aller menſchlichen Arbeiten, denn er geht allen übrigen Arbeiten vor¬ aus. Mit Axt und Flinte wirft er ſich in den Ocean der Urwälder und Prairien und wo er die Spuren einer Büffelherde entdeckt, dort iſt ſeine Etappenſtraße; der folgt er. Eine Waldeinöde links, eine Graseinöde rechts, und in der Front vielleicht ein trüber Abfluß von einem moraſtigen See — das iſt ihm genug zur Heimath: den Winkel wählt er und fragt nichts darnach, ob er zur nächſt-größeren Stadt ungefähr ſo weit hat, wie von Baſel nach Leipzig. Er zündet das erſte menſchliche Licht an, wo ſonſt nur der Blitz in Bäume gezündet hat, er haut ſich ein paar Schock Eichen um, welche mit Friedrich von Hohenſtaufen zugleich flaumbärtige Kinder waren, er ſtellt ſich ſeine rohe Blockhütte auf. Er bricht den Wald und Prairieboden um, der mit zahlloſen Wurzeln wie mit einem Eiſendraht durchflochten iſt, er rodet raſtlos das ewig nachwuchernde Unkraut aus, er ſchützt ſich end¬ lich das halbwegs geklärte Feld gegen die wilden Thiere und gegen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0327"n="309"/>
er ſelbſt die Maitreſſe eines Großen und die natürliche Tochter eines<lb/>
andern Großen geehlichet. Der Ausgang des Duells brachte mich auf<lb/>
die Feſtung. Man verhalf mir zur Flucht, ich ging mit Frau und<lb/>
Kind nach Amerika. Aber — unterbrach ſich der Erzähler mit plötz¬<lb/>
lich veränderter Stimme — aber, mein Herr, indeß ich ſo anfange,<lb/>
wird dort geendet mit mir. Haben Sie gehört? ſchon rief der Sheriff<lb/>
das Land aus, das ich mit dieſer Hornhaut auf den Händen, das ich<lb/>
mit dem vierfach erkauften Recht zu kaufen, mein nenne. Steht Ihnen<lb/>
noch mehr von meiner Geſchichte zu Dienſten?</p><lb/><p>Moorfeld gab ſich die Miene, die Bitterkeit des Tiefverſtimmten<lb/>
zu überhören und ſagte mit Wärme: Allerdings, mein Herr, bitte ich<lb/>
darum, wenngleich nicht in dieſem Augenblicke. Gegenwärtig würde<lb/>
ich Ihnen Dank wiſſen, wenn Sie mir blos die letzten Ihrer Worte<lb/>
zu erklären ſo freundlich wären. Das Land, worauf Sie gerechte An¬<lb/>ſprüche haben und das Ihnen deßungeachtet ſo eben entgehen ſoll —<lb/>
wie verhält es ſich damit?</p><lb/><p>Anhorſt, wie wir den Deutſchen jetzt nennen können, widerſtand<lb/>
der fortgeſetzten Freundlichkeit Moorfeld's nicht länger; er fühlte ſeinen<lb/>
eigenen Culturmenſchen wieder erwacht in ſich, und antwortete etwas<lb/>
geſelliger: Sie wiſſen, mein Herr, was ein Squatter oder Vorſiedler<lb/>
iſt. Er iſt ein Feſtungsſträfling im Freien. Er verrichtet die härteſten<lb/>
aller menſchlichen Arbeiten, denn er geht allen übrigen Arbeiten vor¬<lb/>
aus. Mit Axt und Flinte wirft er ſich in den Ocean der Urwälder<lb/>
und Prairien und wo er die Spuren einer Büffelherde entdeckt, dort<lb/>
iſt ſeine Etappenſtraße; der folgt er. Eine Waldeinöde links, eine<lb/>
Graseinöde rechts, und in der Front vielleicht ein trüber Abfluß von<lb/>
einem moraſtigen See — das iſt ihm genug zur Heimath: den Winkel<lb/>
wählt er und fragt nichts darnach, ob er zur nächſt-größeren Stadt<lb/>
ungefähr ſo weit hat, wie von Baſel nach Leipzig. Er zündet das<lb/>
erſte menſchliche Licht an, wo ſonſt nur der Blitz in Bäume gezündet<lb/>
hat, er haut ſich ein paar Schock Eichen um, welche mit Friedrich<lb/>
von Hohenſtaufen zugleich flaumbärtige Kinder waren, er ſtellt ſich ſeine<lb/>
rohe Blockhütte auf. Er bricht den Wald und Prairieboden um, der<lb/>
mit zahlloſen Wurzeln wie mit einem Eiſendraht durchflochten iſt, er<lb/>
rodet raſtlos das ewig nachwuchernde Unkraut aus, er ſchützt ſich end¬<lb/>
lich das halbwegs geklärte Feld gegen die wilden Thiere und gegen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[309/0327]
er ſelbſt die Maitreſſe eines Großen und die natürliche Tochter eines
andern Großen geehlichet. Der Ausgang des Duells brachte mich auf
die Feſtung. Man verhalf mir zur Flucht, ich ging mit Frau und
Kind nach Amerika. Aber — unterbrach ſich der Erzähler mit plötz¬
lich veränderter Stimme — aber, mein Herr, indeß ich ſo anfange,
wird dort geendet mit mir. Haben Sie gehört? ſchon rief der Sheriff
das Land aus, das ich mit dieſer Hornhaut auf den Händen, das ich
mit dem vierfach erkauften Recht zu kaufen, mein nenne. Steht Ihnen
noch mehr von meiner Geſchichte zu Dienſten?
Moorfeld gab ſich die Miene, die Bitterkeit des Tiefverſtimmten
zu überhören und ſagte mit Wärme: Allerdings, mein Herr, bitte ich
darum, wenngleich nicht in dieſem Augenblicke. Gegenwärtig würde
ich Ihnen Dank wiſſen, wenn Sie mir blos die letzten Ihrer Worte
zu erklären ſo freundlich wären. Das Land, worauf Sie gerechte An¬
ſprüche haben und das Ihnen deßungeachtet ſo eben entgehen ſoll —
wie verhält es ſich damit?
Anhorſt, wie wir den Deutſchen jetzt nennen können, widerſtand
der fortgeſetzten Freundlichkeit Moorfeld's nicht länger; er fühlte ſeinen
eigenen Culturmenſchen wieder erwacht in ſich, und antwortete etwas
geſelliger: Sie wiſſen, mein Herr, was ein Squatter oder Vorſiedler
iſt. Er iſt ein Feſtungsſträfling im Freien. Er verrichtet die härteſten
aller menſchlichen Arbeiten, denn er geht allen übrigen Arbeiten vor¬
aus. Mit Axt und Flinte wirft er ſich in den Ocean der Urwälder
und Prairien und wo er die Spuren einer Büffelherde entdeckt, dort
iſt ſeine Etappenſtraße; der folgt er. Eine Waldeinöde links, eine
Graseinöde rechts, und in der Front vielleicht ein trüber Abfluß von
einem moraſtigen See — das iſt ihm genug zur Heimath: den Winkel
wählt er und fragt nichts darnach, ob er zur nächſt-größeren Stadt
ungefähr ſo weit hat, wie von Baſel nach Leipzig. Er zündet das
erſte menſchliche Licht an, wo ſonſt nur der Blitz in Bäume gezündet
hat, er haut ſich ein paar Schock Eichen um, welche mit Friedrich
von Hohenſtaufen zugleich flaumbärtige Kinder waren, er ſtellt ſich ſeine
rohe Blockhütte auf. Er bricht den Wald und Prairieboden um, der
mit zahlloſen Wurzeln wie mit einem Eiſendraht durchflochten iſt, er
rodet raſtlos das ewig nachwuchernde Unkraut aus, er ſchützt ſich end¬
lich das halbwegs geklärte Feld gegen die wilden Thiere und gegen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/327>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.