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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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rechnete, da sie doch in Philadelphia um die Hälfte billiger sein könnten.
(Ich speise nämlich standhaft nach der Karte.) Die Wistar-Parthien
sollen die hiesigen Eliten-Soireen sein und der Philadelphier läßt sich
merken, daß ein Reisender, der von Newyork kommt, Augen und Mund
aufsperren muß über seine bessere Bildung. Aber die Amerikaner haben
nun einmal Unglück mit mir. Ich kann sie nirgends in ihrer rechten
gloire sehen. Die Wistar-Parthie vollends war ein Rendezvous, wie ge¬
sagt, mit dem Schinderhannes. Freilich fand ich die parfümirteste
Gesellschaft dort, Menschen, die, wenn es auf ihr Havannahblatt und
auf ihren East-lndia-Madeira allein ankäme, die Creme der Gesellschaft
wären; als aber besagter East-India-Madeira meine freien und auf¬
geklärten Bürger etwas unfrei und trübe zu machen begann, da wagte
sich der Schinderhannes in Lebensgröße aus seinem Schlupfwinkel.
Die Geld-Frommen von Philadelphia sind noch ganz außer sich über die
Zerstörung ihres Tempels, der schönen marmornen Nationalbank am
Schuylkill die der gottlose Nabbuchodonosor, General Jackson, ge¬
schlossen hat. Ach, es ließ sich so hübsch Bruderliebe darin machen!
Die Herren Actionärs hatten bereis drei Viertel des Nationalvermögens
in der Tasche, und nur noch ein weniges, so sackten sie auch das letzte
Viertel ein. Da wählte das Land im gemeinen Instinkt seiner Selbst¬
erhaltung den alten Eisenfresser von New-Orleans, der nun auch ein
Papierfresser wurde, und um die nobleren Instinkte war's geschehen.
Die Dollar-Heiligen zu Philadelphia mußten sich begnügen, East-India-
Madeira
bloß zu trinken, nicht auch zu baden darin: ist das nicht zu
viel des Märtyrerthums? Darob Heulen und Zähnklappern in Israel
und Taufe diverser Hunde auf den Namen Jackson.

In der That, einer der gläubigsten Papier-Priester meiner Wistar-
Parthie stand, als die Discussion dieses Gegenstandes schon den Siede¬
punkt erreicht hatte, mit der fanatischen Prophezeihung auf: Jackson
würde am Galgen oder im Gefängnisse sterben, die Bank der Ver¬
einigten Staaten aber auferstehen und alle menschlichen Institutionen
der Welt überdauern. Ein Kerl, der sich Bischof nannte, weiß Gott
von was für einer Winkelkirche, bekämpfte heftig einen englischen Ba¬
ronet, der die Vortheile und Nachtheile des Papiergeldes mit Ruhe
aus einander setzte, aber vom elenden Widerspruch seines Gegners ge¬
reizt, zuletzt sich gleichfalls erhitzte und auch die Vortheile mit dem schwär¬

rechnete, da ſie doch in Philadelphia um die Hälfte billiger ſein könnten.
(Ich ſpeiſe nämlich ſtandhaft nach der Karte.) Die Wistar-Parthien
ſollen die hieſigen Eliten-Soireen ſein und der Philadelphier läßt ſich
merken, daß ein Reiſender, der von Newyork kommt, Augen und Mund
aufſperren muß über ſeine beſſere Bildung. Aber die Amerikaner haben
nun einmal Unglück mit mir. Ich kann ſie nirgends in ihrer rechten
gloire ſehen. Die Wistar-Parthie vollends war ein Rendezvous, wie ge¬
ſagt, mit dem Schinderhannes. Freilich fand ich die parfümirteſte
Geſellſchaft dort, Menſchen, die, wenn es auf ihr Havannahblatt und
auf ihren East-lndia-Madeira allein ankäme, die Crême der Geſellſchaft
wären; als aber beſagter East-India-Madeira meine freien und auf¬
geklärten Bürger etwas unfrei und trübe zu machen begann, da wagte
ſich der Schinderhannes in Lebensgröße aus ſeinem Schlupfwinkel.
Die Geld-Frommen von Philadelphia ſind noch ganz außer ſich über die
Zerſtörung ihres Tempels, der ſchönen marmornen Nationalbank am
Schuylkill die der gottloſe Nabbuchodonoſor, General Jackſon, ge¬
ſchloſſen hat. Ach, es ließ ſich ſo hübſch Bruderliebe darin machen!
Die Herren Actionärs hatten bereis drei Viertel des Nationalvermögens
in der Taſche, und nur noch ein weniges, ſo ſackten ſie auch das letzte
Viertel ein. Da wählte das Land im gemeinen Inſtinkt ſeiner Selbſt¬
erhaltung den alten Eiſenfreſſer von New-Orleans, der nun auch ein
Papierfreſſer wurde, und um die nobleren Inſtinkte war's geſchehen.
Die Dollar-Heiligen zu Philadelphia mußten ſich begnügen, East-India-
Madeira
bloß zu trinken, nicht auch zu baden darin: iſt das nicht zu
viel des Märtyrerthums? Darob Heulen und Zähnklappern in Israel
und Taufe diverſer Hunde auf den Namen Jackſon.

In der That, einer der gläubigſten Papier-Prieſter meiner Wistar-
Parthie ſtand, als die Discuſſion dieſes Gegenſtandes ſchon den Siede¬
punkt erreicht hatte, mit der fanatiſchen Prophezeihung auf: Jackſon
würde am Galgen oder im Gefängniſſe ſterben, die Bank der Ver¬
einigten Staaten aber auferſtehen und alle menſchlichen Inſtitutionen
der Welt überdauern. Ein Kerl, der ſich Biſchof nannte, weiß Gott
von was für einer Winkelkirche, bekämpfte heftig einen engliſchen Ba¬
ronet, der die Vortheile und Nachtheile des Papiergeldes mit Ruhe
aus einander ſetzte, aber vom elenden Widerſpruch ſeines Gegners ge¬
reizt, zuletzt ſich gleichfalls erhitzte und auch die Vortheile mit dem ſchwär¬

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[270/0288] rechnete, da ſie doch in Philadelphia um die Hälfte billiger ſein könnten. (Ich ſpeiſe nämlich ſtandhaft nach der Karte.) Die Wistar-Parthien ſollen die hieſigen Eliten-Soireen ſein und der Philadelphier läßt ſich merken, daß ein Reiſender, der von Newyork kommt, Augen und Mund aufſperren muß über ſeine beſſere Bildung. Aber die Amerikaner haben nun einmal Unglück mit mir. Ich kann ſie nirgends in ihrer rechten gloire ſehen. Die Wistar-Parthie vollends war ein Rendezvous, wie ge¬ ſagt, mit dem Schinderhannes. Freilich fand ich die parfümirteſte Geſellſchaft dort, Menſchen, die, wenn es auf ihr Havannahblatt und auf ihren East-lndia-Madeira allein ankäme, die Crême der Geſellſchaft wären; als aber beſagter East-India-Madeira meine freien und auf¬ geklärten Bürger etwas unfrei und trübe zu machen begann, da wagte ſich der Schinderhannes in Lebensgröße aus ſeinem Schlupfwinkel. Die Geld-Frommen von Philadelphia ſind noch ganz außer ſich über die Zerſtörung ihres Tempels, der ſchönen marmornen Nationalbank am Schuylkill die der gottloſe Nabbuchodonoſor, General Jackſon, ge¬ ſchloſſen hat. Ach, es ließ ſich ſo hübſch Bruderliebe darin machen! Die Herren Actionärs hatten bereis drei Viertel des Nationalvermögens in der Taſche, und nur noch ein weniges, ſo ſackten ſie auch das letzte Viertel ein. Da wählte das Land im gemeinen Inſtinkt ſeiner Selbſt¬ erhaltung den alten Eiſenfreſſer von New-Orleans, der nun auch ein Papierfreſſer wurde, und um die nobleren Inſtinkte war's geſchehen. Die Dollar-Heiligen zu Philadelphia mußten ſich begnügen, East-India- Madeira bloß zu trinken, nicht auch zu baden darin: iſt das nicht zu viel des Märtyrerthums? Darob Heulen und Zähnklappern in Israel und Taufe diverſer Hunde auf den Namen Jackſon. In der That, einer der gläubigſten Papier-Prieſter meiner Wistar- Parthie ſtand, als die Discuſſion dieſes Gegenſtandes ſchon den Siede¬ punkt erreicht hatte, mit der fanatiſchen Prophezeihung auf: Jackſon würde am Galgen oder im Gefängniſſe ſterben, die Bank der Ver¬ einigten Staaten aber auferſtehen und alle menſchlichen Inſtitutionen der Welt überdauern. Ein Kerl, der ſich Biſchof nannte, weiß Gott von was für einer Winkelkirche, bekämpfte heftig einen engliſchen Ba¬ ronet, der die Vortheile und Nachtheile des Papiergeldes mit Ruhe aus einander ſetzte, aber vom elenden Widerſpruch ſeines Gegners ge¬ reizt, zuletzt ſich gleichfalls erhitzte und auch die Vortheile mit dem ſchwär¬

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/288>, abgerufen am 22.11.2024.