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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Herr Bennet trat zwischen Moorfeld und Howland vor. Der Herr
Doctor, sagte er zu Howland, werden die Saison an dem Ohio zu¬
bringen, indeß ich selbst nach Saratoga gehe. Wir beide stehen auf
dem Punkte der Abreise. Aber den Winter, wie ich höre, wird unser
verehrter Gast Newyork zum Aufententhalte wählen, und dann -- wandte
er sich an Moorfeld -- darf ich Sie vielleicht bitten, Sir, ohne dem Berufe
Ihrer Privatmuße sonst nahe zu treten, die ästhetische Ausbildung
meiner Tochter im Fache der schönen Redekünste vollenden zu helfen.
Miß Cöleste, wie Sie hörten, versucht sich in der Poesie, und wie Sie
gleichfalls hörten, sind diese Versuche noch derart, daß daran allerdings
genug zu thun übrig bleibt. Das ist die Genugthuung, von
welcher Mr. Howland sprach; lassen Sie mich meine Bitte mit seiner
vereinigen, daß Sie diese Genugthuung zusagen wollen.

Wer zu beschreiben unternommen hat, sollte von dem Ausdrucke:
eine Sache sei nicht zu beschreiben, nur den sparsamsten Gebrauch
machen; an diesem Orte aber müssen wir bitten, den Ausdruck uns
zu gestatten. Es ist schwer zu beschreiben, welche Wendung diese
Dazwischenkunft Bennet's der ganzen Situation wie auf einen Zauber¬
schlag mittheilte. Moorfeld sah sich plötzlich an einem seiner flüchtig¬
sten Worte gebunden, und unter anspruchlosem Namen von einem
Verhältniß ergriffen, daß er eher ein Orakel als eine Menschenstimme
zu hören glaubte, -- Cöleste war überrascht, verwirrt, verlegen, be¬
stürzt, erfreut, fliegende Farben wechselten widerspruchsvoll auf ihrem
Antlitze, und das leichtverletzliche Mädchenherz schien vor Allem nur
Eins zu empfinden: den Gewaltact des Zufalls, -- der Rowdy
Howland stand da, blaß und zitternd vor Aufregung; Wuth, Scham,
Neid, ein Heer von giftigen Leidenschaften durchjagte seine ausdrucks¬
vollen Züge, -- Mr. Bennet selbst, die verkörperte Salonsitte dieses
Augenblicks, konnte ein leichtes Wanken seiner Stimme nicht ganz
verbergen, und der Sturm, den sein Zauberstab so plötzlich erstickt,
pulsirte unter ruhiger Oberfläche in seinem Innern. Und wie die
feineren Formen der Gesellschaft dem Ueberraschenden als solchem
keinen Ausdruck gestatten, so war es ein seltsamer, ja humoristischer
Contrast, daß Jeder der Betheiligten diese ungewöhnliche Bewegung in
den Umgangsformeln des alltäglichen Curses abfinden mußte. Moor¬
feld sprach von seiner "Bereitwilligkeit", Cöleste stotterte von ihrem

Herr Bennet trat zwiſchen Moorfeld und Howland vor. Der Herr
Doctor, ſagte er zu Howland, werden die Saiſon an dem Ohio zu¬
bringen, indeß ich ſelbſt nach Saratoga gehe. Wir beide ſtehen auf
dem Punkte der Abreiſe. Aber den Winter, wie ich höre, wird unſer
verehrter Gaſt Newyork zum Aufententhalte wählen, und dann — wandte
er ſich an Moorfeld — darf ich Sie vielleicht bitten, Sir, ohne dem Berufe
Ihrer Privatmuße ſonſt nahe zu treten, die äſthetiſche Ausbildung
meiner Tochter im Fache der ſchönen Redekünſte vollenden zu helfen.
Miß Cöleſte, wie Sie hörten, verſucht ſich in der Poeſie, und wie Sie
gleichfalls hörten, ſind dieſe Verſuche noch derart, daß daran allerdings
genug zu thun übrig bleibt. Das iſt die Genugthuung, von
welcher Mr. Howland ſprach; laſſen Sie mich meine Bitte mit ſeiner
vereinigen, daß Sie dieſe Genugthuung zuſagen wollen.

Wer zu beſchreiben unternommen hat, ſollte von dem Ausdrucke:
eine Sache ſei nicht zu beſchreiben, nur den ſparſamſten Gebrauch
machen; an dieſem Orte aber müſſen wir bitten, den Ausdruck uns
zu geſtatten. Es iſt ſchwer zu beſchreiben, welche Wendung dieſe
Dazwiſchenkunft Bennet's der ganzen Situation wie auf einen Zauber¬
ſchlag mittheilte. Moorfeld ſah ſich plötzlich an einem ſeiner flüchtig¬
ſten Worte gebunden, und unter anſpruchloſem Namen von einem
Verhältniß ergriffen, daß er eher ein Orakel als eine Menſchenſtimme
zu hören glaubte, — Cöleſte war überraſcht, verwirrt, verlegen, be¬
ſtürzt, erfreut, fliegende Farben wechſelten widerſpruchsvoll auf ihrem
Antlitze, und das leichtverletzliche Mädchenherz ſchien vor Allem nur
Eins zu empfinden: den Gewaltact des Zufalls, — der Rowdy
Howland ſtand da, blaß und zitternd vor Aufregung; Wuth, Scham,
Neid, ein Heer von giftigen Leidenſchaften durchjagte ſeine ausdrucks¬
vollen Züge, — Mr. Bennet ſelbſt, die verkörperte Salonſitte dieſes
Augenblicks, konnte ein leichtes Wanken ſeiner Stimme nicht ganz
verbergen, und der Sturm, den ſein Zauberſtab ſo plötzlich erſtickt,
pulſirte unter ruhiger Oberfläche in ſeinem Innern. Und wie die
feineren Formen der Geſellſchaft dem Ueberraſchenden als ſolchem
keinen Ausdruck geſtatten, ſo war es ein ſeltſamer, ja humoriſtiſcher
Contraſt, daß Jeder der Betheiligten dieſe ungewöhnliche Bewegung in
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feld ſprach von ſeiner „Bereitwilligkeit“, Cöleſte ſtotterte von ihrem

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[255/0273] Herr Bennet trat zwiſchen Moorfeld und Howland vor. Der Herr Doctor, ſagte er zu Howland, werden die Saiſon an dem Ohio zu¬ bringen, indeß ich ſelbſt nach Saratoga gehe. Wir beide ſtehen auf dem Punkte der Abreiſe. Aber den Winter, wie ich höre, wird unſer verehrter Gaſt Newyork zum Aufententhalte wählen, und dann — wandte er ſich an Moorfeld — darf ich Sie vielleicht bitten, Sir, ohne dem Berufe Ihrer Privatmuße ſonſt nahe zu treten, die äſthetiſche Ausbildung meiner Tochter im Fache der ſchönen Redekünſte vollenden zu helfen. Miß Cöleſte, wie Sie hörten, verſucht ſich in der Poeſie, und wie Sie gleichfalls hörten, ſind dieſe Verſuche noch derart, daß daran allerdings genug zu thun übrig bleibt. Das iſt die Genugthuung, von welcher Mr. Howland ſprach; laſſen Sie mich meine Bitte mit ſeiner vereinigen, daß Sie dieſe Genugthuung zuſagen wollen. Wer zu beſchreiben unternommen hat, ſollte von dem Ausdrucke: eine Sache ſei nicht zu beſchreiben, nur den ſparſamſten Gebrauch machen; an dieſem Orte aber müſſen wir bitten, den Ausdruck uns zu geſtatten. Es iſt ſchwer zu beſchreiben, welche Wendung dieſe Dazwiſchenkunft Bennet's der ganzen Situation wie auf einen Zauber¬ ſchlag mittheilte. Moorfeld ſah ſich plötzlich an einem ſeiner flüchtig¬ ſten Worte gebunden, und unter anſpruchloſem Namen von einem Verhältniß ergriffen, daß er eher ein Orakel als eine Menſchenſtimme zu hören glaubte, — Cöleſte war überraſcht, verwirrt, verlegen, be¬ ſtürzt, erfreut, fliegende Farben wechſelten widerſpruchsvoll auf ihrem Antlitze, und das leichtverletzliche Mädchenherz ſchien vor Allem nur Eins zu empfinden: den Gewaltact des Zufalls, — der Rowdy Howland ſtand da, blaß und zitternd vor Aufregung; Wuth, Scham, Neid, ein Heer von giftigen Leidenſchaften durchjagte ſeine ausdrucks¬ vollen Züge, — Mr. Bennet ſelbſt, die verkörperte Salonſitte dieſes Augenblicks, konnte ein leichtes Wanken ſeiner Stimme nicht ganz verbergen, und der Sturm, den ſein Zauberſtab ſo plötzlich erſtickt, pulſirte unter ruhiger Oberfläche in ſeinem Innern. Und wie die feineren Formen der Geſellſchaft dem Ueberraſchenden als ſolchem keinen Ausdruck geſtatten, ſo war es ein ſeltſamer, ja humoriſtiſcher Contraſt, daß Jeder der Betheiligten dieſe ungewöhnliche Bewegung in den Umgangsformeln des alltäglichen Curſes abfinden mußte. Moor¬ feld ſprach von ſeiner „Bereitwilligkeit“, Cöleſte ſtotterte von ihrem

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/273>, abgerufen am 22.11.2024.