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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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in Frauengesellschaft! Meine arme Frau! Sie muß schon seit einer
Stunde auf die Perfectibilität der Thierseele schwören. Kommen Sie,
ich will ihr eine schöne Menschenseele vorstellen!

Wenn die Artigkeit des Herrn Bennet nicht ein angeborener, lie¬
benswürdiger Hang zur Galanterie war, so konnte sie Moorfeld jetzt
in einem neuen Lichte sehen. Es schien ihm nicht unmöglich, daß Herr
Bennet seinen fremden Gästen darum so viel Aufmerksamkeit, ja,
Devotion erzeige, um den Ruf seines Salons auch in Europa aus¬
zubreiten. Eine Rückwirkung davon auf sein eigenes Vaterland mochte
dem amerikanischen Kunstmäcen, nach dem was Moorfeld gehört, in
der That weder gleichgiltig noch selbst entbehrlich dünken. Und Moorfeld
gestand sich, daß er auch -- Tendenzverse dichten könne.

Er trat jetzt an der Seite seines Wirthes in das Drawing-room,
dessen offenstehende Flügelthüren schon auf die Entfernung mehrerer
Zimmer das Innere dieses Boudoirs in's Auge fallen ließen. Moor¬
feld glaubte in einen Blumenkelch zu blicken. Decke, Plafond, Wände
Möbel, Teppiche, Tapeten -- das ganze Gemach schmolz in ein ein¬
ziges Laubwerk, in eine große Blätter-Arabeske zusammen. Nichts
war Bedürfniß hier, Alles Ornament, Nichts Kante und Ecke, Alles
Wellenlinie, Nichts Stein und Holz, Alles eine lockere Blüthenschnee¬
decke, Auflösung in Faser, Falte, Flocke, Spitze, ein Sommernachts¬
traum aus Seide und Flor, eine Phantasie, ein Duft. Die Pracht
hatte sich hier verflüchtigt, als scheute sie, durch irdische Schwere zur
Last zu fallen, nirgend drückte die Erinnerung an Goldgehalt oder
Karatgewicht, der Besucher konnte in Mitte eines unschätzbaren Wer¬
thes glauben, Alles sei mit größter Leichtigkeit da, quelle aus sich
selbst wie eine Schaumperle auf. Die alabasterne Orchislampe an der
Decke schien noch das einzige Stück von Masse hier; wie sie den schwe¬
ren, goldenen Kronleuchtern im Parlour contrastirte, so ungefähr ver¬
glich sich dieser Empfangsalon der Hausfrau dem des Hausherrn.
Wenn wir sagen, Moorfeld trat in dieses Gemach ein, wie Faust den
Himmelsathem der weiblichen Temperatur im ärmlichen Bürgerstüb¬
chen trinkt, so sagen wir zu wenig. Anders und höher noch athmet dieser
Geist doch, wenn im Boudoir der Millionären die Flammen unendlichen
Reichthums aus allen Fugen schlagen und der Taubenflügel der weiblichen
Bescheidenheit tuschend und dämpfend das Ganze zur Ruhe niederfächelt.

in Frauengeſellſchaft! Meine arme Frau! Sie muß ſchon ſeit einer
Stunde auf die Perfectibilität der Thierſeele ſchwören. Kommen Sie,
ich will ihr eine ſchöne Menſchenſeele vorſtellen!

Wenn die Artigkeit des Herrn Bennet nicht ein angeborener, lie¬
benswürdiger Hang zur Galanterie war, ſo konnte ſie Moorfeld jetzt
in einem neuen Lichte ſehen. Es ſchien ihm nicht unmöglich, daß Herr
Bennet ſeinen fremden Gäſten darum ſo viel Aufmerkſamkeit, ja,
Devotion erzeige, um den Ruf ſeines Salons auch in Europa aus¬
zubreiten. Eine Rückwirkung davon auf ſein eigenes Vaterland mochte
dem amerikaniſchen Kunſtmäcen, nach dem was Moorfeld gehört, in
der That weder gleichgiltig noch ſelbſt entbehrlich dünken. Und Moorfeld
geſtand ſich, daß er auch — Tendenzverſe dichten könne.

Er trat jetzt an der Seite ſeines Wirthes in das Drawing-room,
deſſen offenſtehende Flügelthüren ſchon auf die Entfernung mehrerer
Zimmer das Innere dieſes Boudoirs in's Auge fallen ließen. Moor¬
feld glaubte in einen Blumenkelch zu blicken. Decke, Plafond, Wände
Möbel, Teppiche, Tapeten — das ganze Gemach ſchmolz in ein ein¬
ziges Laubwerk, in eine große Blätter-Arabeske zuſammen. Nichts
war Bedürfniß hier, Alles Ornament, Nichts Kante und Ecke, Alles
Wellenlinie, Nichts Stein und Holz, Alles eine lockere Blüthenſchnee¬
decke, Auflöſung in Faſer, Falte, Flocke, Spitze, ein Sommernachts¬
traum aus Seide und Flor, eine Phantaſie, ein Duft. Die Pracht
hatte ſich hier verflüchtigt, als ſcheute ſie, durch irdiſche Schwere zur
Laſt zu fallen, nirgend drückte die Erinnerung an Goldgehalt oder
Karatgewicht, der Beſucher konnte in Mitte eines unſchätzbaren Wer¬
thes glauben, Alles ſei mit größter Leichtigkeit da, quelle aus ſich
ſelbſt wie eine Schaumperle auf. Die alabaſterne Orchislampe an der
Decke ſchien noch das einzige Stück von Maſſe hier; wie ſie den ſchwe¬
ren, goldenen Kronleuchtern im Parlour contraſtirte, ſo ungefähr ver¬
glich ſich dieſer Empfangſalon der Hausfrau dem des Hausherrn.
Wenn wir ſagen, Moorfeld trat in dieſes Gemach ein, wie Fauſt den
Himmelsathem der weiblichen Temperatur im ärmlichen Bürgerſtüb¬
chen trinkt, ſo ſagen wir zu wenig. Anders und höher noch athmet dieſer
Geiſt doch, wenn im Boudoir der Millionären die Flammen unendlichen
Reichthums aus allen Fugen ſchlagen und der Taubenflügel der weiblichen
Beſcheidenheit tuſchend und dämpfend das Ganze zur Ruhe niederfächelt.

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[191/0209] in Frauengeſellſchaft! Meine arme Frau! Sie muß ſchon ſeit einer Stunde auf die Perfectibilität der Thierſeele ſchwören. Kommen Sie, ich will ihr eine ſchöne Menſchenſeele vorſtellen! Wenn die Artigkeit des Herrn Bennet nicht ein angeborener, lie¬ benswürdiger Hang zur Galanterie war, ſo konnte ſie Moorfeld jetzt in einem neuen Lichte ſehen. Es ſchien ihm nicht unmöglich, daß Herr Bennet ſeinen fremden Gäſten darum ſo viel Aufmerkſamkeit, ja, Devotion erzeige, um den Ruf ſeines Salons auch in Europa aus¬ zubreiten. Eine Rückwirkung davon auf ſein eigenes Vaterland mochte dem amerikaniſchen Kunſtmäcen, nach dem was Moorfeld gehört, in der That weder gleichgiltig noch ſelbſt entbehrlich dünken. Und Moorfeld geſtand ſich, daß er auch — Tendenzverſe dichten könne. Er trat jetzt an der Seite ſeines Wirthes in das Drawing-room, deſſen offenſtehende Flügelthüren ſchon auf die Entfernung mehrerer Zimmer das Innere dieſes Boudoirs in's Auge fallen ließen. Moor¬ feld glaubte in einen Blumenkelch zu blicken. Decke, Plafond, Wände Möbel, Teppiche, Tapeten — das ganze Gemach ſchmolz in ein ein¬ ziges Laubwerk, in eine große Blätter-Arabeske zuſammen. Nichts war Bedürfniß hier, Alles Ornament, Nichts Kante und Ecke, Alles Wellenlinie, Nichts Stein und Holz, Alles eine lockere Blüthenſchnee¬ decke, Auflöſung in Faſer, Falte, Flocke, Spitze, ein Sommernachts¬ traum aus Seide und Flor, eine Phantaſie, ein Duft. Die Pracht hatte ſich hier verflüchtigt, als ſcheute ſie, durch irdiſche Schwere zur Laſt zu fallen, nirgend drückte die Erinnerung an Goldgehalt oder Karatgewicht, der Beſucher konnte in Mitte eines unſchätzbaren Wer¬ thes glauben, Alles ſei mit größter Leichtigkeit da, quelle aus ſich ſelbſt wie eine Schaumperle auf. Die alabaſterne Orchislampe an der Decke ſchien noch das einzige Stück von Maſſe hier; wie ſie den ſchwe¬ ren, goldenen Kronleuchtern im Parlour contraſtirte, ſo ungefähr ver¬ glich ſich dieſer Empfangſalon der Hausfrau dem des Hausherrn. Wenn wir ſagen, Moorfeld trat in dieſes Gemach ein, wie Fauſt den Himmelsathem der weiblichen Temperatur im ärmlichen Bürgerſtüb¬ chen trinkt, ſo ſagen wir zu wenig. Anders und höher noch athmet dieſer Geiſt doch, wenn im Boudoir der Millionären die Flammen unendlichen Reichthums aus allen Fugen ſchlagen und der Taubenflügel der weiblichen Beſcheidenheit tuſchend und dämpfend das Ganze zur Ruhe niederfächelt.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/209>, abgerufen am 22.11.2024.