zehnerlei andern Branchen suchen muß, und umgekehrt mengseln sie Handwerker zusammen -- es ist toll! Ich möcht' hier in keiner Ba¬ taille blessirt werden: ein Yankee-Chirurg ist im Stande und setzt mir den Fußknöchel in's Schulterblatt.
Geht mir's anders? hub ein Glaser an; aber Benthal unterbrach ihn: Mit Erlaubniß, Herr Thalhofer ist nicht zu Ende.
Der Westphale fuhr fort: Was meinen Sie nun, Herr Rector, soll ich meinen letzten Penny in die Cigarrenmacher-Schule tragen?
Ist es der letzte? fragte Benthal.
Der allerletzte; und wenn der deutsche Kaiser sein Pöstchen ein¬ forderte --
Das sind freilich keine Umstände für einen Lehrcursus, erwiederte Benthal; mit Schulden anzufangen ist überall verdrießlich, doppelt in Auswandererslage, wo vielmehr stets ein paar Dollar Reisegeld übrig sein sollten für den Fall eines Unterkommens im Innern. Ich will Ihnen dieses sagen: In Williamsburg weiß ich zwei deutsche Doctoren, welche Pappschachteln machen; ihr Absatz ist bereits so gut, daß auch ein Dritter Arbeit fände. Fahren Sie einmal hinüber.
Der Tapezierer sagte bedenklich: Aber, Herr Rector, werden sich die Doctoren einen simplen Handwerksmann auch gefallen lassen?
Benthal schrieb ihm die Adresse auf und hielt den Einwand kaum der Mühe werth, mit Gemurmel darauf zu antworten: Ich hoffe, die Herren haben begriffen, daß sie in Newyork sind, und nicht in Schilda; -- worauf er sogleich fortfuhr: Was wollten Sie sagen, Herr Loßbert?
Der Glaser antwortete: Neues gar nichts, Herr Rector, gar nichts. Ich bin eben dran, wie wir Deutsche alle. Der Goldarbeiter soll Uhrmacher sein, der Tuchmacher Teppichdampfweber, der Tapezierer Möbelschreiner, der Möbelschreiner Anstreicher -- nur was der Glaser hier sein soll, konnt' ich noch nicht loskriegen. Aber daß er nichts ist, so viel weiß ich bereits. Auch ich tappe im Finstern herum nach einem Zipfel meines Handwerks und kann ihn nirgends erwischen.
Suchen Sie ihn beim Bautischler, antwortete Benthal.
Aber wenn auch dem Bautischler Arbeit fehlt? fragte der phälzische Schreiner.
So hat sie der Zimmermann, war Benthal's Antwort.
zehnerlei andern Branchen ſuchen muß, und umgekehrt mengſeln ſie Handwerker zuſammen — es iſt toll! Ich möcht' hier in keiner Ba¬ taille bleſſirt werden: ein Yankee-Chirurg iſt im Stande und ſetzt mir den Fußknöchel in's Schulterblatt.
Geht mir's anders? hub ein Glaſer an; aber Benthal unterbrach ihn: Mit Erlaubniß, Herr Thalhofer iſt nicht zu Ende.
Der Weſtphale fuhr fort: Was meinen Sie nun, Herr Rector, ſoll ich meinen letzten Penny in die Cigarrenmacher-Schule tragen?
Iſt es der letzte? fragte Benthal.
Der allerletzte; und wenn der deutſche Kaiſer ſein Pöſtchen ein¬ forderte —
Das ſind freilich keine Umſtände für einen Lehrcurſus, erwiederte Benthal; mit Schulden anzufangen iſt überall verdrießlich, doppelt in Auswandererslage, wo vielmehr ſtets ein paar Dollar Reiſegeld übrig ſein ſollten für den Fall eines Unterkommens im Innern. Ich will Ihnen dieſes ſagen: In Williamsburg weiß ich zwei deutſche Doctoren, welche Pappſchachteln machen; ihr Abſatz iſt bereits ſo gut, daß auch ein Dritter Arbeit fände. Fahren Sie einmal hinüber.
Der Tapezierer ſagte bedenklich: Aber, Herr Rector, werden ſich die Doctoren einen ſimplen Handwerksmann auch gefallen laſſen?
Benthal ſchrieb ihm die Adreſſe auf und hielt den Einwand kaum der Mühe werth, mit Gemurmel darauf zu antworten: Ich hoffe, die Herren haben begriffen, daß ſie in Newyork ſind, und nicht in Schilda; — worauf er ſogleich fortfuhr: Was wollten Sie ſagen, Herr Loßbert?
Der Glaſer antwortete: Neues gar nichts, Herr Rector, gar nichts. Ich bin eben dran, wie wir Deutſche alle. Der Goldarbeiter ſoll Uhrmacher ſein, der Tuchmacher Teppichdampfweber, der Tapezierer Möbelſchreiner, der Möbelſchreiner Anſtreicher — nur was der Glaſer hier ſein ſoll, konnt' ich noch nicht loskriegen. Aber daß er nichts iſt, ſo viel weiß ich bereits. Auch ich tappe im Finſtern herum nach einem Zipfel meines Handwerks und kann ihn nirgends erwiſchen.
Suchen Sie ihn beim Bautiſchler, antwortete Benthal.
Aber wenn auch dem Bautiſchler Arbeit fehlt? fragte der phälziſche Schreiner.
So hat ſie der Zimmermann, war Benthal's Antwort.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0142"n="124"/>
zehnerlei andern Branchen ſuchen muß, und umgekehrt mengſeln ſie<lb/>
Handwerker zuſammen — es iſt toll! Ich möcht' hier in keiner Ba¬<lb/>
taille bleſſirt werden: ein Yankee-Chirurg iſt im Stande und ſetzt mir<lb/>
den Fußknöchel in's Schulterblatt.</p><lb/><p>Geht mir's anders? hub ein Glaſer an; aber Benthal unterbrach<lb/>
ihn: Mit Erlaubniß, Herr Thalhofer iſt nicht zu Ende.</p><lb/><p>Der Weſtphale fuhr fort: Was meinen Sie nun, Herr <hirendition="#aq">Rector</hi>,<lb/>ſoll ich meinen letzten Penny in die Cigarrenmacher-Schule tragen?</p><lb/><p>Iſt es der letzte? fragte Benthal.</p><lb/><p>Der allerletzte; und wenn der deutſche Kaiſer ſein Pöſtchen ein¬<lb/>
forderte —</p><lb/><p>Das ſind freilich keine Umſtände für einen Lehrcurſus, erwiederte<lb/>
Benthal; mit Schulden anzufangen iſt überall verdrießlich, doppelt<lb/>
in Auswandererslage, wo vielmehr ſtets ein paar Dollar Reiſegeld<lb/>
übrig ſein ſollten für den Fall eines Unterkommens im Innern. Ich<lb/>
will Ihnen dieſes ſagen: In Williamsburg weiß ich zwei deutſche<lb/>
Doctoren, welche Pappſchachteln machen; ihr Abſatz iſt bereits ſo<lb/>
gut, daß auch ein Dritter Arbeit fände. Fahren Sie einmal hinüber.</p><lb/><p>Der Tapezierer ſagte bedenklich: Aber, Herr <hirendition="#aq">Rector</hi>, werden ſich<lb/>
die Doctoren einen ſimplen Handwerksmann auch gefallen laſſen?</p><lb/><p>Benthal ſchrieb ihm die Adreſſe auf und hielt den Einwand kaum<lb/>
der Mühe werth, mit Gemurmel darauf zu antworten: Ich hoffe,<lb/>
die Herren haben begriffen, daß ſie in Newyork ſind, und nicht in<lb/>
Schilda; — worauf er ſogleich fortfuhr: Was wollten Sie ſagen,<lb/>
Herr Loßbert?</p><lb/><p>Der Glaſer antwortete: Neues gar nichts, Herr <hirendition="#aq">Rector</hi>, gar<lb/>
nichts. Ich bin eben dran, wie wir Deutſche alle. Der Goldarbeiter<lb/>ſoll Uhrmacher ſein, der Tuchmacher Teppichdampfweber, der Tapezierer<lb/>
Möbelſchreiner, der Möbelſchreiner Anſtreicher — nur was der Glaſer<lb/>
hier ſein ſoll, konnt' ich noch nicht loskriegen. Aber daß er nichts iſt,<lb/>ſo viel weiß ich bereits. Auch ich tappe im Finſtern herum nach einem<lb/>
Zipfel meines Handwerks und kann ihn nirgends erwiſchen.</p><lb/><p>Suchen Sie ihn beim Bautiſchler, antwortete Benthal.</p><lb/><p>Aber wenn auch dem Bautiſchler Arbeit fehlt? fragte der phälziſche<lb/>
Schreiner.</p><lb/><p>So hat ſie der Zimmermann, war Benthal's Antwort.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[124/0142]
zehnerlei andern Branchen ſuchen muß, und umgekehrt mengſeln ſie
Handwerker zuſammen — es iſt toll! Ich möcht' hier in keiner Ba¬
taille bleſſirt werden: ein Yankee-Chirurg iſt im Stande und ſetzt mir
den Fußknöchel in's Schulterblatt.
Geht mir's anders? hub ein Glaſer an; aber Benthal unterbrach
ihn: Mit Erlaubniß, Herr Thalhofer iſt nicht zu Ende.
Der Weſtphale fuhr fort: Was meinen Sie nun, Herr Rector,
ſoll ich meinen letzten Penny in die Cigarrenmacher-Schule tragen?
Iſt es der letzte? fragte Benthal.
Der allerletzte; und wenn der deutſche Kaiſer ſein Pöſtchen ein¬
forderte —
Das ſind freilich keine Umſtände für einen Lehrcurſus, erwiederte
Benthal; mit Schulden anzufangen iſt überall verdrießlich, doppelt
in Auswandererslage, wo vielmehr ſtets ein paar Dollar Reiſegeld
übrig ſein ſollten für den Fall eines Unterkommens im Innern. Ich
will Ihnen dieſes ſagen: In Williamsburg weiß ich zwei deutſche
Doctoren, welche Pappſchachteln machen; ihr Abſatz iſt bereits ſo
gut, daß auch ein Dritter Arbeit fände. Fahren Sie einmal hinüber.
Der Tapezierer ſagte bedenklich: Aber, Herr Rector, werden ſich
die Doctoren einen ſimplen Handwerksmann auch gefallen laſſen?
Benthal ſchrieb ihm die Adreſſe auf und hielt den Einwand kaum
der Mühe werth, mit Gemurmel darauf zu antworten: Ich hoffe,
die Herren haben begriffen, daß ſie in Newyork ſind, und nicht in
Schilda; — worauf er ſogleich fortfuhr: Was wollten Sie ſagen,
Herr Loßbert?
Der Glaſer antwortete: Neues gar nichts, Herr Rector, gar
nichts. Ich bin eben dran, wie wir Deutſche alle. Der Goldarbeiter
ſoll Uhrmacher ſein, der Tuchmacher Teppichdampfweber, der Tapezierer
Möbelſchreiner, der Möbelſchreiner Anſtreicher — nur was der Glaſer
hier ſein ſoll, konnt' ich noch nicht loskriegen. Aber daß er nichts iſt,
ſo viel weiß ich bereits. Auch ich tappe im Finſtern herum nach einem
Zipfel meines Handwerks und kann ihn nirgends erwiſchen.
Suchen Sie ihn beim Bautiſchler, antwortete Benthal.
Aber wenn auch dem Bautiſchler Arbeit fehlt? fragte der phälziſche
Schreiner.
So hat ſie der Zimmermann, war Benthal's Antwort.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/142>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.