Schotte, Holländer, Deutscher, Franzose, -- jeder ist ihr Bruder, jeden dutzen sie in seiner Muttersprache und verderben ihn ohne eine Spur von Gewissen. Wer ihnen traut, hat immer den schlechtesten Stand hier, sein Gewerbe ist immer das elendeste, es sei was es sei. Bis auf die letzte Ader saugen sie ihm den Muth aus der Seele und füllen sie dafür mit Whisky-Begeisterung und Arac-Moral. Sie schleppen ihn von Schenke zu Schenke, halten ihn frei, vermitteln ihm Alles und Jedes, lassen ihm keinen selbständigen Schritt zu, nur durch ihre Brille darf der "Landsmann" die neue Welt sehen. Endlich haben sie ihn für jeden Preis, schleppen den "glücklich Placirten" in seine Sclaverei, und wenn es je möglich ist, einen Menschen lebendigen Leibs zu viertheilen, so ist ein solches Opfer geviertheilt. Ein Viertel bekommt der Zubringer, ein Viertel der Herbergswirth, ein Viertel der Arbeitgeber und nur das letzte Viertel seines Verdiensts er, der Arbeiter selbst. Davon mag er vegetiren bis ihm der letzte gesunde Tropfen ausgepreßt ist, bis er hingeht, Lump mit den Lumpen, und den neuen Landsmann verdirbt, wie er selbst verderbt wurde. Wahr¬ lich, vergebens jubelt der arme Auswanderer, der Pest und dem Ekel des Zwischendecks zu entfliehen: so wie er den Fuß an's Land setzt, verwandelt sich ihm das Schiffsungeziefer in Loafer's, Runner's und Rowdie's, und Fleisch und das Mark in den Knochen verschwindet unter den Freßzangen dieser Brut. Ich beschwöre Sie, meine Herren, würdigen Sie diese Hafen-Landsmannschaft Ihres Umganges nicht! Von dem Augenblicke an, als ich das Treiben dort kennen lernte, hielt ich es für meine heilige Pflicht, mein Glas Bier in Ihrer Mitte zu trinken, um das Wenige aber mindestens Wahre und Wohlgemeinte Ihnen mitzutheilen, was meine Zeit mir von hiesiger Ortskunde ein¬ zusammeln erlaubt.
Eine Stimme rief aus der Mitte der Uebrigen: Ist stets dankbar anerkannt worden, Herr Rector, und wir Alle wünschen, Sie mach¬ ten uns endlich die Freude, und ließen sich eine regelmäßige Grati¬ fication für Ihre Bemühungen gefallen. Es wäre nicht mehr als in der Ordnung.
Benthal antwortete hurtig: Ich bitte das ruhen zu lassen, ich habe es eben so oft gewünscht. Sie wissen, daß ich kein Verdienst daraus mache, im grünen Baum einzukehren und mich mit Ihnen zu
Schotte, Holländer, Deutſcher, Franzoſe, — jeder iſt ihr Bruder, jeden dutzen ſie in ſeiner Mutterſprache und verderben ihn ohne eine Spur von Gewiſſen. Wer ihnen traut, hat immer den ſchlechteſten Stand hier, ſein Gewerbe iſt immer das elendeſte, es ſei was es ſei. Bis auf die letzte Ader ſaugen ſie ihm den Muth aus der Seele und füllen ſie dafür mit Whisky-Begeiſterung und Arac-Moral. Sie ſchleppen ihn von Schenke zu Schenke, halten ihn frei, vermitteln ihm Alles und Jedes, laſſen ihm keinen ſelbſtändigen Schritt zu, nur durch ihre Brille darf der „Landsmann“ die neue Welt ſehen. Endlich haben ſie ihn für jeden Preis, ſchleppen den „glücklich Placirten“ in ſeine Sclaverei, und wenn es je möglich iſt, einen Menſchen lebendigen Leibs zu viertheilen, ſo iſt ein ſolches Opfer geviertheilt. Ein Viertel bekommt der Zubringer, ein Viertel der Herbergswirth, ein Viertel der Arbeitgeber und nur das letzte Viertel ſeines Verdienſts er, der Arbeiter ſelbſt. Davon mag er vegetiren bis ihm der letzte geſunde Tropfen ausgepreßt iſt, bis er hingeht, Lump mit den Lumpen, und den neuen Landsmann verdirbt, wie er ſelbſt verderbt wurde. Wahr¬ lich, vergebens jubelt der arme Auswanderer, der Peſt und dem Ekel des Zwiſchendecks zu entfliehen: ſo wie er den Fuß an's Land ſetzt, verwandelt ſich ihm das Schiffsungeziefer in Loafer's, Runner's und Rowdie's, und Fleiſch und das Mark in den Knochen verſchwindet unter den Freßzangen dieſer Brut. Ich beſchwöre Sie, meine Herren, würdigen Sie dieſe Hafen-Landsmannſchaft Ihres Umganges nicht! Von dem Augenblicke an, als ich das Treiben dort kennen lernte, hielt ich es für meine heilige Pflicht, mein Glas Bier in Ihrer Mitte zu trinken, um das Wenige aber mindeſtens Wahre und Wohlgemeinte Ihnen mitzutheilen, was meine Zeit mir von hieſiger Ortskunde ein¬ zuſammeln erlaubt.
Eine Stimme rief aus der Mitte der Uebrigen: Iſt ſtets dankbar anerkannt worden, Herr Rector, und wir Alle wünſchen, Sie mach¬ ten uns endlich die Freude, und ließen ſich eine regelmäßige Grati¬ fication für Ihre Bemühungen gefallen. Es wäre nicht mehr als in der Ordnung.
Benthal antwortete hurtig: Ich bitte das ruhen zu laſſen, ich habe es eben ſo oft gewünſcht. Sie wiſſen, daß ich kein Verdienſt daraus mache, im grünen Baum einzukehren und mich mit Ihnen zu
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Schotte, Holländer, Deutſcher, Franzoſe, — jeder iſt ihr Bruder, jeden
dutzen ſie in ſeiner Mutterſprache und verderben ihn ohne eine Spur
von Gewiſſen. Wer ihnen traut, hat immer den ſchlechteſten Stand
hier, ſein Gewerbe iſt immer das elendeſte, es ſei was es ſei. Bis
auf die letzte Ader ſaugen ſie ihm den Muth aus der Seele und
füllen ſie dafür mit Whisky-Begeiſterung und Arac-Moral. Sie
ſchleppen ihn von Schenke zu Schenke, halten ihn frei, vermitteln ihm
Alles und Jedes, laſſen ihm keinen ſelbſtändigen Schritt zu, nur durch
ihre Brille darf der „Landsmann“ die neue Welt ſehen. Endlich haben
ſie ihn für jeden Preis, ſchleppen den „glücklich Placirten“ in ſeine
Sclaverei, und wenn es je möglich iſt, einen Menſchen lebendigen
Leibs zu viertheilen, ſo iſt ein ſolches Opfer geviertheilt. Ein Viertel
bekommt der Zubringer, ein Viertel der Herbergswirth, ein Viertel
der Arbeitgeber und nur das letzte Viertel ſeines Verdienſts er, der
Arbeiter ſelbſt. Davon mag er vegetiren bis ihm der letzte geſunde
Tropfen ausgepreßt iſt, bis er hingeht, Lump mit den Lumpen, und
den neuen Landsmann verdirbt, wie er ſelbſt verderbt wurde. Wahr¬
lich, vergebens jubelt der arme Auswanderer, der Peſt und dem Ekel
des Zwiſchendecks zu entfliehen: ſo wie er den Fuß an's Land ſetzt,
verwandelt ſich ihm das Schiffsungeziefer in Loafer's, Runner's und
Rowdie's, und Fleiſch und das Mark in den Knochen verſchwindet
unter den Freßzangen dieſer Brut. Ich beſchwöre Sie, meine Herren,
würdigen Sie dieſe Hafen-Landsmannſchaft Ihres Umganges nicht!
Von dem Augenblicke an, als ich das Treiben dort kennen lernte,
hielt ich es für meine heilige Pflicht, mein Glas Bier in Ihrer Mitte
zu trinken, um das Wenige aber mindeſtens Wahre und Wohlgemeinte
Ihnen mitzutheilen, was meine Zeit mir von hieſiger Ortskunde ein¬
zuſammeln erlaubt.
Eine Stimme rief aus der Mitte der Uebrigen: Iſt ſtets dankbar
anerkannt worden, Herr Rector, und wir Alle wünſchen, Sie mach¬
ten uns endlich die Freude, und ließen ſich eine regelmäßige Grati¬
fication für Ihre Bemühungen gefallen. Es wäre nicht mehr als in
der Ordnung.
Benthal antwortete hurtig: Ich bitte das ruhen zu laſſen, ich
habe es eben ſo oft gewünſcht. Sie wiſſen, daß ich kein Verdienſt
daraus mache, im grünen Baum einzukehren und mich mit Ihnen zu
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/139>, abgerufen am 22.11.2024.
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