Und manches Metier kommt gar nicht an, setzte ein Hanauer Gold¬ arbeiter hinzu. Ich fragte um Arbeit herum. -- Sind Sie ein Uhr¬ macher? hieß es überall. Ich bitt' Einen: Goldarbeiter und Uhr¬ macher! Ob im Schmuckfache gar nicht gearbeitet wird? fragt' ich weiter. -- Wenig, das kommt von Paris und London. Vergebens verdolmetsche ich den Leuten, daß wir Hanauer es nach Paris und London schicken, -- wer glaubt es Einem? Und so arbeite ich jetzt auf Probe in einem Geschäft, -- um's Wasser! rief der Hanauer mit Zorn und Mißmuth.
So verhält es sich, sagte Benthal, nur Eines verschweigen Sie, meine Herren. Eine rasche Kenntniß des Englischen, eine rasche Um¬ wandlung in die Nationalformen des "sham" würde Sie als Ma¬ schinenbauer wie als Schmuckarbeiter ganz anders accreditiren. Sie müßten kein deutsches Wort mehr hören. Indeß rechte ich freilich nicht mit Ihrem vaterländischen Gemüthe, wenn es sich auch "beim Wasser" noch wohler befindet in -- Kleindeutschland!
Der Sprecher hielt sich einen Augenblick lang über seinen Papieren auf, um diese Worte gehörig nachwirken zu lassen. Das betroffene Schweigen der beiden Vorredner bewies auch, daß er diesen Zweck, momentan mindestens, erreichte.
Hierauf fuhr er fort: Für Sie, Herr Poll, habe ich die Nachricht, daß in einer Apotheke auf dem Bowery eine Stelle offen ist. Sie trägt freilich nur fünf Dollar monatlich bei freiem Board; aber wie Ihnen die Verhältnisse bekannt sind --
Der Angeredete -- ein munterer Lockenkopf in den letzten Faden eines studentischen Sammtrocks -- rief mit erschrockener Stimme: Bei freiem Board? wie schade! Pardon, Herr Rector magnificus, aber auf eine Condition mit Beköstigung muß ich verzichten. Ich habe keinen Magen für dieses nasse glitschige Brod, für dieses ewige Schweinefleisch, für diese trocknen, ausgekochten Braten, für diese Talg- und Thran-Meere von öligen Saucen, für diese schlechten Gemüse, für diese alten Hülsenfrüchte, für diese Fuder von Pfeffer, Salz und Gewürzen, die ein Aufputz sein sollen für Alles, aber blos Gaumen, Zunge und Zahnfleisch zerfressen, für dieses abscheuliche Tischgetränk von gewärmtem und gewässertem Brandy, für diese --
Es ist wahr, unterbrach ihn Benthal, man muß sich die hiesige
Und manches Metier kommt gar nicht an, ſetzte ein Hanauer Gold¬ arbeiter hinzu. Ich fragte um Arbeit herum. — Sind Sie ein Uhr¬ macher? hieß es überall. Ich bitt' Einen: Goldarbeiter und Uhr¬ macher! Ob im Schmuckfache gar nicht gearbeitet wird? fragt' ich weiter. — Wenig, das kommt von Paris und London. Vergebens verdolmetſche ich den Leuten, daß wir Hanauer es nach Paris und London ſchicken, — wer glaubt es Einem? Und ſo arbeite ich jetzt auf Probe in einem Geſchäft, — um's Waſſer! rief der Hanauer mit Zorn und Mißmuth.
So verhält es ſich, ſagte Benthal, nur Eines verſchweigen Sie, meine Herren. Eine raſche Kenntniß des Engliſchen, eine raſche Um¬ wandlung in die Nationalformen des „sham“ würde Sie als Ma¬ ſchinenbauer wie als Schmuckarbeiter ganz anders accreditiren. Sie müßten kein deutſches Wort mehr hören. Indeß rechte ich freilich nicht mit Ihrem vaterländiſchen Gemüthe, wenn es ſich auch „beim Waſſer“ noch wohler befindet in — Kleindeutſchland!
Der Sprecher hielt ſich einen Augenblick lang über ſeinen Papieren auf, um dieſe Worte gehörig nachwirken zu laſſen. Das betroffene Schweigen der beiden Vorredner bewies auch, daß er dieſen Zweck, momentan mindeſtens, erreichte.
Hierauf fuhr er fort: Für Sie, Herr Poll, habe ich die Nachricht, daß in einer Apotheke auf dem Bowery eine Stelle offen iſt. Sie trägt freilich nur fünf Dollar monatlich bei freiem Board; aber wie Ihnen die Verhältniſſe bekannt ſind —
Der Angeredete — ein munterer Lockenkopf in den letzten Faden eines ſtudentiſchen Sammtrocks — rief mit erſchrockener Stimme: Bei freiem Board? wie ſchade! Pardon, Herr Rector magnificus, aber auf eine Condition mit Beköſtigung muß ich verzichten. Ich habe keinen Magen für dieſes naſſe glitſchige Brod, für dieſes ewige Schweinefleiſch, für dieſe trocknen, ausgekochten Braten, für dieſe Talg- und Thran-Meere von öligen Saucen, für dieſe ſchlechten Gemüſe, für dieſe alten Hülſenfrüchte, für dieſe Fuder von Pfeffer, Salz und Gewürzen, die ein Aufputz ſein ſollen für Alles, aber blos Gaumen, Zunge und Zahnfleiſch zerfreſſen, für dieſes abſcheuliche Tiſchgetränk von gewärmtem und gewäſſertem Brandy, für dieſe —
Es iſt wahr, unterbrach ihn Benthal, man muß ſich die hieſige
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[114/0132]
Und manches Metier kommt gar nicht an, ſetzte ein Hanauer Gold¬
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macher? hieß es überall. Ich bitt' Einen: Goldarbeiter und Uhr¬
macher! Ob im Schmuckfache gar nicht gearbeitet wird? fragt' ich
weiter. — Wenig, das kommt von Paris und London. Vergebens
verdolmetſche ich den Leuten, daß wir Hanauer es nach Paris und
London ſchicken, — wer glaubt es Einem? Und ſo arbeite ich jetzt
auf Probe in einem Geſchäft, — um's Waſſer! rief der Hanauer
mit Zorn und Mißmuth.
So verhält es ſich, ſagte Benthal, nur Eines verſchweigen Sie,
meine Herren. Eine raſche Kenntniß des Engliſchen, eine raſche Um¬
wandlung in die Nationalformen des „sham“ würde Sie als Ma¬
ſchinenbauer wie als Schmuckarbeiter ganz anders accreditiren. Sie
müßten kein deutſches Wort mehr hören. Indeß rechte ich freilich nicht
mit Ihrem vaterländiſchen Gemüthe, wenn es ſich auch „beim Waſſer“
noch wohler befindet in — Kleindeutſchland!
Der Sprecher hielt ſich einen Augenblick lang über ſeinen Papieren
auf, um dieſe Worte gehörig nachwirken zu laſſen. Das betroffene
Schweigen der beiden Vorredner bewies auch, daß er dieſen Zweck,
momentan mindeſtens, erreichte.
Hierauf fuhr er fort: Für Sie, Herr Poll, habe ich die Nachricht,
daß in einer Apotheke auf dem Bowery eine Stelle offen iſt. Sie
trägt freilich nur fünf Dollar monatlich bei freiem Board; aber
wie Ihnen die Verhältniſſe bekannt ſind —
Der Angeredete — ein munterer Lockenkopf in den letzten Faden
eines ſtudentiſchen Sammtrocks — rief mit erſchrockener Stimme: Bei
freiem Board? wie ſchade! Pardon, Herr Rector magnificus, aber
auf eine Condition mit Beköſtigung muß ich verzichten. Ich habe
keinen Magen für dieſes naſſe glitſchige Brod, für dieſes ewige
Schweinefleiſch, für dieſe trocknen, ausgekochten Braten, für dieſe Talg-
und Thran-Meere von öligen Saucen, für dieſe ſchlechten Gemüſe,
für dieſe alten Hülſenfrüchte, für dieſe Fuder von Pfeffer, Salz und
Gewürzen, die ein Aufputz ſein ſollen für Alles, aber blos Gaumen,
Zunge und Zahnfleiſch zerfreſſen, für dieſes abſcheuliche Tiſchgetränk
von gewärmtem und gewäſſertem Brandy, für dieſe —
Es iſt wahr, unterbrach ihn Benthal, man muß ſich die hieſige
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/132>, abgerufen am 22.11.2024.
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