N001 insbesondere auf dem Gebiete der Gesellschaftswissenschaften#
N001 Ich würde sagen, daß seit der Mitte der dreißiger Jahre, zwanzig N002 Jahre hindurch, in der Sowjetunion Unfruchtbarkeit, Absterben, N003 Erstarrung kennzeichnend für die sowjetischen Gesellschafts- N004 wissenschaften wurden. Wohl gab es noch tüchtige Einzelleistun- N005 gen, aber sie "schlüpften durch" und blieben bestenfalls unbe- N006 straft. Propagandistische Schablone trat an die Stelle der Wis- N007 senschaft. Der Schaden ist unabsehbar, wenn man an die glanz- N008 volle Blüte der sowjetischen Gesellschaftswissenschaften in den N009 zwanziger und auch noch zu Beginn der dreißiger Jahre denkt, N010 wenn man den Einfluß etwa des Vortrags Hessens in London auf N011 die bürgerliche Wissenschaft überlegt und dann vergleicht mit N012 dem stumpfsinnigen Gewäsch oder anti-marxistischen Zeugs, das, N013 sagen wir, in dem Jahrfünft 1948 bis 1953 produziert wurde, wird N014 man den Schaden, der der Wissenschaft angetan wurde, erkennen. N015 Ganze Wissenschaftszweige, die sich in der kapitalistischen N016 Welt, natürlich ideologisch deformiert, stark entwickeln konn- N017 ten, waren in der Sowjetunion entweder zum Vegetieren verurteilt N018 oder wurden, wie die Soziologie, völlig abgetötet.
N001 Nicht so schlimm war die Lage in den kommunistischen Parteien N002 der kapitalistischen Länder. Zwischen der Situation bei ihnen N003 und der in der Sowjetunion lag die in den sozialistischen Ländern N004 Osteuropas, darunter in der DDH.
N001 Wenn ich versuche, mir Rechenschaft über meine eigenen Ar- N002 beiten unter diesen Umständen zu geben, dann kann ich nur sagen, N003 daß sie unter einem Glücksstern erster Größe standen. Natürlich N004 waren sie in der verschiedensten Weise vom Stalinismus sohädlich N005 beeinflußt, aber wenn ich an meine Hauptthematik, die Gesohichte N006 der Lage der Arbeiterklasse, denke, dann kann ich feststellsn,
N001 insbesondere auf dem Gebiete der Gesellschaftswissenschaften#
N001 Ich würde sagen, daß seit der Mitte der dreißiger Jahre, zwanzig N002 Jahre hindurch, in der Sowjetunion Unfruchtbarkeit, Absterben, N003 Erstarrung kennzeichnend für die sowjetischen Gesellschafts- N004 wissenschaften wurden. Wohl gab es noch tüchtige Einzelleistun- N005 gen, aber sie "schlüpften durch" und blieben bestenfalls unbe- N006 straft. Propagandistische Schablone trat an die Stelle der Wis- N007 senschaft. Der Schaden ist unabsehbar, wenn man an die glanz- N008 volle Blüte der sowjetischen Gesellschaftswissenschaften in den N009 zwanziger und auch noch zu Beginn der dreißiger Jahre denkt, N010 wenn man den Einfluß etwa des Vortrags Hessens in London auf N011 die bürgerliche Wissenschaft überlegt und dann vergleicht mit N012 dem stumpfsinnigen Gewäsch oder anti-marxistischen Zeugs, das, N013 sagen wir, in dem Jahrfünft 1948 bis 1953 produziert wurde, wird N014 man den Schaden, der der Wissenschaft angetan wurde, erkennen. N015 Ganze Wissenschaftszweige, die sich in der kapitalistischen N016 Welt, natürlich ideologisch deformiert, stark entwickeln konn- N017 ten, waren in der Sowjetunion entweder zum Vegetieren verurteilt N018 oder wurden, wie die Soziologie, völlig abgetötet.
N001 Nicht so schlimm war die Lage in den kommunistischen Parteien N002 der kapitalistischen Länder. Zwischen der Situation bei ihnen N003 und der in der Sowjetunion lag die in den sozialistischen Ländern N004 Osteuropas, darunter in der DDH.
N001 Wenn ich versuche, mir Rechenschaft über meine eigenen Ar- N002 beiten unter diesen Umständen zu geben, dann kann ich nur sagen, N003 daß sie unter einem Glücksstern erster Größe standen. Natürlich N004 waren sie in der verschiedensten Weise vom Stalinismus sohädlich N005 beeinflußt, aber wenn ich an meine Hauptthematik, die Gesohichte N006 der Lage der Arbeiterklasse, denke, dann kann ich feststellsn,
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Ich würde sagen, daß seit der Mitte der dreißiger Jahre, zwanzig N002
Jahre hindurch, in der Sowjetunion Unfruchtbarkeit, Absterben, N003
Erstarrung kennzeichnend für die sowjetischen Gesellschafts- N004
wissenschaften wurden. Wohl gab es noch tüchtige Einzelleistun- N005
gen, aber sie "schlüpften durch" und blieben bestenfalls unbe- N006
straft. Propagandistische Schablone trat an die Stelle der Wis- N007
senschaft. Der Schaden ist unabsehbar, wenn man an die glanz- N008
volle Blüte der sowjetischen Gesellschaftswissenschaften in den N009
zwanziger und auch noch zu Beginn der dreißiger Jahre denkt, N010
wenn man den Einfluß etwa des Vortrags Hessens in London auf N011
die bürgerliche Wissenschaft überlegt und dann vergleicht mit N012
dem stumpfsinnigen Gewäsch oder anti-marxistischen Zeugs, das, N013
sagen wir, in dem Jahrfünft 1948 bis 1953 produziert wurde, wird N014
man den Schaden, der der Wissenschaft angetan wurde, erkennen. N015
Ganze Wissenschaftszweige, die sich in der kapitalistischen N016
Welt, natürlich ideologisch deformiert, stark entwickeln konn- N017
ten, waren in der Sowjetunion entweder zum Vegetieren verurteilt N018
oder wurden, wie die Soziologie, völlig abgetötet.
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der kapitalistischen Länder. Zwischen der Situation bei ihnen N003
und der in der Sowjetunion lag die in den sozialistischen Ländern N004
Osteuropas, darunter in der DDH.
N001
Wenn ich versuche, mir Rechenschaft über meine eigenen Ar- N002
beiten unter diesen Umständen zu geben, dann kann ich nur sagen, N003
daß sie unter einem Glücksstern erster Größe standen. Natürlich N004
waren sie in der verschiedensten Weise vom Stalinismus sohädlich N005
beeinflußt, aber wenn ich an meine Hauptthematik, die Gesohichte N006
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Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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