Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sich gern um diese Zeit befand. Er war sehr ernst, aber eine sonderbare wehmüthige Ruhe war über sein ganzes Wesen ergossen. Werden Sie mir verzeihen, Fräulein, sagte er mit einer ihm ungewohnten Innigkeit, daß ich Sie heute meines Freundes beraube? Der Abend ist so schön und hell, und ich sehne mich einen Gang ins Freie mit dir zu machen, Woldemar; wir müssen vieles besprechen. Woldemar umarmte die Braut und folgte dem Freunde. Arm in Arm gingen sie aus dem Flecken den von dem zunehmenden Monde bestrahlten Weg an der Küste entlang; nur wenige Worte waren bisher gewechselt. Woldemar merkte dem Freunde etwas Ungewöhnliches an. Er hatte nur kurze und zerstreute Antworten erhalten. Endlich blieb Holger an einem von Felsen fast eingeschlossenen Orte stehen. -- Hast du mich noch lieb, Woldemar? hub er schüchtern an. Welche Frage! Meine Hand ist nicht rein, aber bei Gott! mein Herz ist es. Das ist rein wie Gold, die Hand hast du glänzend abgewaschen; wie kannst du fragen, ob ich dich lieb habe? Doch gewiß nicht so wie früher. Wir sind allmählich auseinandergekommen. Dein Mädchen hat mir dein Herz in etwas geraubt, -- ich gehöre dir ganz. Ach Holger! ich wollte, und besonders jetzt, daß sich gern um diese Zeit befand. Er war sehr ernst, aber eine sonderbare wehmüthige Ruhe war über sein ganzes Wesen ergossen. Werden Sie mir verzeihen, Fräulein, sagte er mit einer ihm ungewohnten Innigkeit, daß ich Sie heute meines Freundes beraube? Der Abend ist so schön und hell, und ich sehne mich einen Gang ins Freie mit dir zu machen, Woldemar; wir müssen vieles besprechen. Woldemar umarmte die Braut und folgte dem Freunde. Arm in Arm gingen sie aus dem Flecken den von dem zunehmenden Monde bestrahlten Weg an der Küste entlang; nur wenige Worte waren bisher gewechselt. Woldemar merkte dem Freunde etwas Ungewöhnliches an. Er hatte nur kurze und zerstreute Antworten erhalten. Endlich blieb Holger an einem von Felsen fast eingeschlossenen Orte stehen. — Hast du mich noch lieb, Woldemar? hub er schüchtern an. Welche Frage! Meine Hand ist nicht rein, aber bei Gott! mein Herz ist es. Das ist rein wie Gold, die Hand hast du glänzend abgewaschen; wie kannst du fragen, ob ich dich lieb habe? Doch gewiß nicht so wie früher. Wir sind allmählich auseinandergekommen. Dein Mädchen hat mir dein Herz in etwas geraubt, — ich gehöre dir ganz. Ach Holger! ich wollte, und besonders jetzt, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092"/> sich gern um diese Zeit befand. Er war sehr ernst, aber eine sonderbare wehmüthige Ruhe war über sein ganzes Wesen ergossen.</p><lb/> <p>Werden Sie mir verzeihen, Fräulein, sagte er mit einer ihm ungewohnten Innigkeit, daß ich Sie heute meines Freundes beraube? Der Abend ist so schön und hell, und ich sehne mich einen Gang ins Freie mit dir zu machen, Woldemar; wir müssen vieles besprechen.</p><lb/> <p>Woldemar umarmte die Braut und folgte dem Freunde. Arm in Arm gingen sie aus dem Flecken den von dem zunehmenden Monde bestrahlten Weg an der Küste entlang; nur wenige Worte waren bisher gewechselt. Woldemar merkte dem Freunde etwas Ungewöhnliches an. Er hatte nur kurze und zerstreute Antworten erhalten. Endlich blieb Holger an einem von Felsen fast eingeschlossenen Orte stehen. — Hast du mich noch lieb, Woldemar? hub er schüchtern an.</p><lb/> <p>Welche Frage!</p><lb/> <p>Meine Hand ist nicht rein, aber bei Gott! mein Herz ist es.</p><lb/> <p>Das ist rein wie Gold, die Hand hast du glänzend abgewaschen; wie kannst du fragen, ob ich dich lieb habe?</p><lb/> <p>Doch gewiß nicht so wie früher. Wir sind allmählich auseinandergekommen. Dein Mädchen hat mir dein Herz in etwas geraubt, — ich gehöre dir ganz.</p><lb/> <p>Ach Holger! ich wollte, und besonders jetzt, daß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
sich gern um diese Zeit befand. Er war sehr ernst, aber eine sonderbare wehmüthige Ruhe war über sein ganzes Wesen ergossen.
Werden Sie mir verzeihen, Fräulein, sagte er mit einer ihm ungewohnten Innigkeit, daß ich Sie heute meines Freundes beraube? Der Abend ist so schön und hell, und ich sehne mich einen Gang ins Freie mit dir zu machen, Woldemar; wir müssen vieles besprechen.
Woldemar umarmte die Braut und folgte dem Freunde. Arm in Arm gingen sie aus dem Flecken den von dem zunehmenden Monde bestrahlten Weg an der Küste entlang; nur wenige Worte waren bisher gewechselt. Woldemar merkte dem Freunde etwas Ungewöhnliches an. Er hatte nur kurze und zerstreute Antworten erhalten. Endlich blieb Holger an einem von Felsen fast eingeschlossenen Orte stehen. — Hast du mich noch lieb, Woldemar? hub er schüchtern an.
Welche Frage!
Meine Hand ist nicht rein, aber bei Gott! mein Herz ist es.
Das ist rein wie Gold, die Hand hast du glänzend abgewaschen; wie kannst du fragen, ob ich dich lieb habe?
Doch gewiß nicht so wie früher. Wir sind allmählich auseinandergekommen. Dein Mädchen hat mir dein Herz in etwas geraubt, — ich gehöre dir ganz.
Ach Holger! ich wollte, und besonders jetzt, daß
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/92>, abgerufen am 17.07.2024. |