Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wollte es so, sagte er zu sich selbst, als er während des Auslaufens aus dem Hafen still auf und nieder auf dem Verdecke ging. Ich bin nun Chef, freilich wäre ich es so lieber nicht, aber um die Ehre der Flagge bin ich unbesorgt. An der bestimmten Stelle überbrachte ein unscheinbares Fischerboot hochwichtige Ordre, deren Ausführung die höchste Besonnenheit, Geistesgegenwart und Kühnheit erheischte. Er gab dem Boote einen kurzen Bericht wegen John's Ausbleiben mit zurück, und, ein zweiter Tordenskiold, trat er kampflustig auf das Verdeck heraus. Die jungen Offiziere theilten seine rasche Begeisterung. Während einiger Wochen eilte er von Gefahr zu Gefahr und überwand, den Feind immer neckend, alle glücklich; durch seine Thätigkeit wurden viele wichtige Pläne des Feindes vereitelt; sein Untergang wurde diesem immer angelegener. Endlich wurde er durch Hülfe eines unvorhergesehenen Hinterhaltes von einer so entschiedenen Uebermacht umgeben, daß diese zu erwarten schien, er würde, ohne eine Kanone zu lösen, die Flagge streichen. Aber der Feind kannte Holger noch nicht. -- Nein! rief er; herabgeschossen mag sie werden, aber gestrichen nie; kein dänischer Seejunge wird lebend das heilige Tau durchschneiden, und todt vermag er es nicht. Nach einem Gefecht von vier Stunden, nachdem sein Schooner fast ganz durchlöchert und es ihm gelungen war, die Ruder zweier feindlicher Schiffe un- wollte es so, sagte er zu sich selbst, als er während des Auslaufens aus dem Hafen still auf und nieder auf dem Verdecke ging. Ich bin nun Chef, freilich wäre ich es so lieber nicht, aber um die Ehre der Flagge bin ich unbesorgt. An der bestimmten Stelle überbrachte ein unscheinbares Fischerboot hochwichtige Ordre, deren Ausführung die höchste Besonnenheit, Geistesgegenwart und Kühnheit erheischte. Er gab dem Boote einen kurzen Bericht wegen John's Ausbleiben mit zurück, und, ein zweiter Tordenskiold, trat er kampflustig auf das Verdeck heraus. Die jungen Offiziere theilten seine rasche Begeisterung. Während einiger Wochen eilte er von Gefahr zu Gefahr und überwand, den Feind immer neckend, alle glücklich; durch seine Thätigkeit wurden viele wichtige Pläne des Feindes vereitelt; sein Untergang wurde diesem immer angelegener. Endlich wurde er durch Hülfe eines unvorhergesehenen Hinterhaltes von einer so entschiedenen Uebermacht umgeben, daß diese zu erwarten schien, er würde, ohne eine Kanone zu lösen, die Flagge streichen. Aber der Feind kannte Holger noch nicht. — Nein! rief er; herabgeschossen mag sie werden, aber gestrichen nie; kein dänischer Seejunge wird lebend das heilige Tau durchschneiden, und todt vermag er es nicht. Nach einem Gefecht von vier Stunden, nachdem sein Schooner fast ganz durchlöchert und es ihm gelungen war, die Ruder zweier feindlicher Schiffe un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0086"/> wollte es so, sagte er zu sich selbst, als er während des Auslaufens aus dem Hafen still auf und nieder auf dem Verdecke ging. Ich bin nun Chef, freilich wäre ich es so lieber nicht, aber um die Ehre der Flagge bin ich unbesorgt.</p><lb/> <p>An der bestimmten Stelle überbrachte ein unscheinbares Fischerboot hochwichtige Ordre, deren Ausführung die höchste Besonnenheit, Geistesgegenwart und Kühnheit erheischte. Er gab dem Boote einen kurzen Bericht wegen John's Ausbleiben mit zurück, und, ein zweiter Tordenskiold, trat er kampflustig auf das Verdeck heraus. Die jungen Offiziere theilten seine rasche Begeisterung. Während einiger Wochen eilte er von Gefahr zu Gefahr und überwand, den Feind immer neckend, alle glücklich; durch seine Thätigkeit wurden viele wichtige Pläne des Feindes vereitelt; sein Untergang wurde diesem immer angelegener. Endlich wurde er durch Hülfe eines unvorhergesehenen Hinterhaltes von einer so entschiedenen Uebermacht umgeben, daß diese zu erwarten schien, er würde, ohne eine Kanone zu lösen, die Flagge streichen. Aber der Feind kannte Holger noch nicht. — Nein! rief er; herabgeschossen mag sie werden, aber gestrichen nie; kein dänischer Seejunge wird lebend das heilige Tau durchschneiden, und todt vermag er es nicht.</p><lb/> <p>Nach einem Gefecht von vier Stunden, nachdem sein Schooner fast ganz durchlöchert und es ihm gelungen war, die Ruder zweier feindlicher Schiffe un-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
wollte es so, sagte er zu sich selbst, als er während des Auslaufens aus dem Hafen still auf und nieder auf dem Verdecke ging. Ich bin nun Chef, freilich wäre ich es so lieber nicht, aber um die Ehre der Flagge bin ich unbesorgt.
An der bestimmten Stelle überbrachte ein unscheinbares Fischerboot hochwichtige Ordre, deren Ausführung die höchste Besonnenheit, Geistesgegenwart und Kühnheit erheischte. Er gab dem Boote einen kurzen Bericht wegen John's Ausbleiben mit zurück, und, ein zweiter Tordenskiold, trat er kampflustig auf das Verdeck heraus. Die jungen Offiziere theilten seine rasche Begeisterung. Während einiger Wochen eilte er von Gefahr zu Gefahr und überwand, den Feind immer neckend, alle glücklich; durch seine Thätigkeit wurden viele wichtige Pläne des Feindes vereitelt; sein Untergang wurde diesem immer angelegener. Endlich wurde er durch Hülfe eines unvorhergesehenen Hinterhaltes von einer so entschiedenen Uebermacht umgeben, daß diese zu erwarten schien, er würde, ohne eine Kanone zu lösen, die Flagge streichen. Aber der Feind kannte Holger noch nicht. — Nein! rief er; herabgeschossen mag sie werden, aber gestrichen nie; kein dänischer Seejunge wird lebend das heilige Tau durchschneiden, und todt vermag er es nicht.
Nach einem Gefecht von vier Stunden, nachdem sein Schooner fast ganz durchlöchert und es ihm gelungen war, die Ruder zweier feindlicher Schiffe un-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/86 |
Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/86>, abgerufen am 17.07.2024. |