Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Thaler, die ich ihm abgewonnen, nicht bezahlt, weil er entflohen -- Nein, da liegt er ja noch, fuhr er schwankend fort, und indem er noch einmal nach der Uniform ausholen wollte -- stürzte er zu Boden. Sie sind alle betrunken gewesen, der Lieutenant Former auch, ich habe selbst einen Stich; der Hitze im Zimmer wegen haben sie die engen Uniformröcke längst ausgezogen; morgen wird Niemand von uns wissen, was hier vorgegangen ist, sagte ein eingeborner schon bejahrter Lieutenant von der Garnison, zwar entschuldigend, doch nicht ohne einen hämischen Blick. Betrunken ist der Lieutenant Former gewiß nicht gewesen, rief Holger mit schneller Fassung, ohne auf den Vermittler zu achten. Er ist nüchtern die Paar Schritte nach seiner Wohnung hingeeilt, um den Wüthenden dort schnell zu befriedigen, ohne zu ahnen, was man sich hier erlaubt. Er wird zurückkehren und blutige Genugthuung fordern. Unter der höchsten Anstrengung, seine innere Wuth über die Unwürdigkeit des Gefährten zu dämpfen, nur darauf bedacht, wie er die Ehre seines Standes nur zuerst in den Augen der rohen Fremden behaupten könne, eilte er zu John's Wohnung. Er fand ihn heftig auf und nieder gehend, eine Pistole in der Hand, die er, so wie das Pulver, das aus dem Tische lag, unschlüssig betrachtete, bleich, ein Bild der wildesten Verzweiflung. Holger schlug die Arme in einander und stellte Thaler, die ich ihm abgewonnen, nicht bezahlt, weil er entflohen — Nein, da liegt er ja noch, fuhr er schwankend fort, und indem er noch einmal nach der Uniform ausholen wollte — stürzte er zu Boden. Sie sind alle betrunken gewesen, der Lieutenant Former auch, ich habe selbst einen Stich; der Hitze im Zimmer wegen haben sie die engen Uniformröcke längst ausgezogen; morgen wird Niemand von uns wissen, was hier vorgegangen ist, sagte ein eingeborner schon bejahrter Lieutenant von der Garnison, zwar entschuldigend, doch nicht ohne einen hämischen Blick. Betrunken ist der Lieutenant Former gewiß nicht gewesen, rief Holger mit schneller Fassung, ohne auf den Vermittler zu achten. Er ist nüchtern die Paar Schritte nach seiner Wohnung hingeeilt, um den Wüthenden dort schnell zu befriedigen, ohne zu ahnen, was man sich hier erlaubt. Er wird zurückkehren und blutige Genugthuung fordern. Unter der höchsten Anstrengung, seine innere Wuth über die Unwürdigkeit des Gefährten zu dämpfen, nur darauf bedacht, wie er die Ehre seines Standes nur zuerst in den Augen der rohen Fremden behaupten könne, eilte er zu John's Wohnung. Er fand ihn heftig auf und nieder gehend, eine Pistole in der Hand, die er, so wie das Pulver, das aus dem Tische lag, unschlüssig betrachtete, bleich, ein Bild der wildesten Verzweiflung. Holger schlug die Arme in einander und stellte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059"/> Thaler, die ich ihm abgewonnen, nicht bezahlt, weil er entflohen — Nein, da liegt er ja noch, fuhr er schwankend fort, und indem er noch einmal nach der Uniform ausholen wollte — stürzte er zu Boden.</p><lb/> <p>Sie sind alle betrunken gewesen, der Lieutenant Former auch, ich habe selbst einen Stich; der Hitze im Zimmer wegen haben sie die engen Uniformröcke längst ausgezogen; morgen wird Niemand von uns wissen, was hier vorgegangen ist, sagte ein eingeborner schon bejahrter Lieutenant von der Garnison, zwar entschuldigend, doch nicht ohne einen hämischen Blick.</p><lb/> <p>Betrunken ist der Lieutenant Former gewiß nicht gewesen, rief Holger mit schneller Fassung, ohne auf den Vermittler zu achten. Er ist nüchtern die Paar Schritte nach seiner Wohnung hingeeilt, um den Wüthenden dort schnell zu befriedigen, ohne zu ahnen, was man sich hier erlaubt. Er wird zurückkehren und blutige Genugthuung fordern.</p><lb/> <p>Unter der höchsten Anstrengung, seine innere Wuth über die Unwürdigkeit des Gefährten zu dämpfen, nur darauf bedacht, wie er die Ehre seines Standes nur zuerst in den Augen der rohen Fremden behaupten könne, eilte er zu John's Wohnung. Er fand ihn heftig auf und nieder gehend, eine Pistole in der Hand, die er, so wie das Pulver, das aus dem Tische lag, unschlüssig betrachtete, bleich, ein Bild der wildesten Verzweiflung.</p><lb/> <p>Holger schlug die Arme in einander und stellte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Thaler, die ich ihm abgewonnen, nicht bezahlt, weil er entflohen — Nein, da liegt er ja noch, fuhr er schwankend fort, und indem er noch einmal nach der Uniform ausholen wollte — stürzte er zu Boden.
Sie sind alle betrunken gewesen, der Lieutenant Former auch, ich habe selbst einen Stich; der Hitze im Zimmer wegen haben sie die engen Uniformröcke längst ausgezogen; morgen wird Niemand von uns wissen, was hier vorgegangen ist, sagte ein eingeborner schon bejahrter Lieutenant von der Garnison, zwar entschuldigend, doch nicht ohne einen hämischen Blick.
Betrunken ist der Lieutenant Former gewiß nicht gewesen, rief Holger mit schneller Fassung, ohne auf den Vermittler zu achten. Er ist nüchtern die Paar Schritte nach seiner Wohnung hingeeilt, um den Wüthenden dort schnell zu befriedigen, ohne zu ahnen, was man sich hier erlaubt. Er wird zurückkehren und blutige Genugthuung fordern.
Unter der höchsten Anstrengung, seine innere Wuth über die Unwürdigkeit des Gefährten zu dämpfen, nur darauf bedacht, wie er die Ehre seines Standes nur zuerst in den Augen der rohen Fremden behaupten könne, eilte er zu John's Wohnung. Er fand ihn heftig auf und nieder gehend, eine Pistole in der Hand, die er, so wie das Pulver, das aus dem Tische lag, unschlüssig betrachtete, bleich, ein Bild der wildesten Verzweiflung.
Holger schlug die Arme in einander und stellte
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/59>, abgerufen am 20.07.2024. |