Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Behalte und trage du diesen Ring, sagte er. Ich will ihn nicht mehr. Holger sah ihn verwundert an. Ja, ja, versetzte er, ich gedenke doch immer der Mutter; aber der Anblick dieses Ringes macht mich traurig. Er erregt unmännliche Gefühle in meiner Brust. Er war einst ein Geschenk der Treue; laß denn dies Kleinod, das sonst unheilbringend auf mich einwirkt, mir noch die Freude gewähren, es dem treuen Freund übergeben zu können zum Andenken einer Stunde, in der seine Freundschaft mich dunkeln schwarzen Gedanken entriß; mache mir die Freude! Was habe ich auch, das nicht schon dein, so wie du, was nicht mein wäre? Ich will es für deine Braut aufbewahren, erwiderte Holger, den Ring um den Hals bindend. Braut? versetzte Woldemar dumpf. Die Flagge ist meine Braut, und das schwarzdunkle Meer -- war es mir doch, als sähe ich es dort sich mit uns vermählen. Welche traurige Vorstellungen, da die Gefahr doch vorüber ist! Freue dich des Lebens, es ist doch schön! Die Annäherung mehrerer Gefährten endete dies Gespräch. Das Schiff war fast im Sinken an die Küste gebracht. Bei näherer Untersuchung fand sich, daß eine völlige Herstellung, an diesem entlegenen Orte besonders, unmöglich, oder mit Kosten verbunden sei, die dessen Werth überstiegen. In einer so verhängnißvollen Behalte und trage du diesen Ring, sagte er. Ich will ihn nicht mehr. Holger sah ihn verwundert an. Ja, ja, versetzte er, ich gedenke doch immer der Mutter; aber der Anblick dieses Ringes macht mich traurig. Er erregt unmännliche Gefühle in meiner Brust. Er war einst ein Geschenk der Treue; laß denn dies Kleinod, das sonst unheilbringend auf mich einwirkt, mir noch die Freude gewähren, es dem treuen Freund übergeben zu können zum Andenken einer Stunde, in der seine Freundschaft mich dunkeln schwarzen Gedanken entriß; mache mir die Freude! Was habe ich auch, das nicht schon dein, so wie du, was nicht mein wäre? Ich will es für deine Braut aufbewahren, erwiderte Holger, den Ring um den Hals bindend. Braut? versetzte Woldemar dumpf. Die Flagge ist meine Braut, und das schwarzdunkle Meer — war es mir doch, als sähe ich es dort sich mit uns vermählen. Welche traurige Vorstellungen, da die Gefahr doch vorüber ist! Freue dich des Lebens, es ist doch schön! Die Annäherung mehrerer Gefährten endete dies Gespräch. Das Schiff war fast im Sinken an die Küste gebracht. Bei näherer Untersuchung fand sich, daß eine völlige Herstellung, an diesem entlegenen Orte besonders, unmöglich, oder mit Kosten verbunden sei, die dessen Werth überstiegen. In einer so verhängnißvollen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0051"/> <p>Behalte und trage du diesen Ring, sagte er. Ich will ihn nicht mehr.</p><lb/> <p>Holger sah ihn verwundert an.</p><lb/> <p>Ja, ja, versetzte er, ich gedenke doch immer der Mutter; aber der Anblick dieses Ringes macht mich traurig. Er erregt unmännliche Gefühle in meiner Brust. Er war einst ein Geschenk der Treue; laß denn dies Kleinod, das sonst unheilbringend auf mich einwirkt, mir noch die Freude gewähren, es dem treuen Freund übergeben zu können zum Andenken einer Stunde, in der seine Freundschaft mich dunkeln schwarzen Gedanken entriß; mache mir die Freude! Was habe ich auch, das nicht schon dein, so wie du, was nicht mein wäre?</p><lb/> <p>Ich will es für deine Braut aufbewahren, erwiderte Holger, den Ring um den Hals bindend.</p><lb/> <p>Braut? versetzte Woldemar dumpf. Die Flagge ist meine Braut, und das schwarzdunkle Meer — war es mir doch, als sähe ich es dort sich mit uns vermählen.</p><lb/> <p>Welche traurige Vorstellungen, da die Gefahr doch vorüber ist! Freue dich des Lebens, es ist doch schön! Die Annäherung mehrerer Gefährten endete dies Gespräch.</p><lb/> <p>Das Schiff war fast im Sinken an die Küste gebracht. Bei näherer Untersuchung fand sich, daß eine völlige Herstellung, an diesem entlegenen Orte besonders, unmöglich, oder mit Kosten verbunden sei, die dessen Werth überstiegen. In einer so verhängnißvollen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
Behalte und trage du diesen Ring, sagte er. Ich will ihn nicht mehr.
Holger sah ihn verwundert an.
Ja, ja, versetzte er, ich gedenke doch immer der Mutter; aber der Anblick dieses Ringes macht mich traurig. Er erregt unmännliche Gefühle in meiner Brust. Er war einst ein Geschenk der Treue; laß denn dies Kleinod, das sonst unheilbringend auf mich einwirkt, mir noch die Freude gewähren, es dem treuen Freund übergeben zu können zum Andenken einer Stunde, in der seine Freundschaft mich dunkeln schwarzen Gedanken entriß; mache mir die Freude! Was habe ich auch, das nicht schon dein, so wie du, was nicht mein wäre?
Ich will es für deine Braut aufbewahren, erwiderte Holger, den Ring um den Hals bindend.
Braut? versetzte Woldemar dumpf. Die Flagge ist meine Braut, und das schwarzdunkle Meer — war es mir doch, als sähe ich es dort sich mit uns vermählen.
Welche traurige Vorstellungen, da die Gefahr doch vorüber ist! Freue dich des Lebens, es ist doch schön! Die Annäherung mehrerer Gefährten endete dies Gespräch.
Das Schiff war fast im Sinken an die Küste gebracht. Bei näherer Untersuchung fand sich, daß eine völlige Herstellung, an diesem entlegenen Orte besonders, unmöglich, oder mit Kosten verbunden sei, die dessen Werth überstiegen. In einer so verhängnißvollen
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/51>, abgerufen am 20.07.2024. |