Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dem Sohn, um ihn seines Standes würdig auszustatten -- ich sehe im Geiste, wie Alles zugegangen ist -- gewiß hat ein vertrauter Freund, der das Steckenpferd des Capitäns gekannt, ihm den kostbaren Stein durch die dritte oder vierte Hand anbieten lassen, er hat mit Freuden zugegriffen, und so bin ich nun in einem mich jetzt drückenden Ueberfluß zu dieser Entdeckung gekommen. Du kannst dir denken, mit welcher Empfindung mein Blick auf dem theuren Opfer der mütterlichen Liebe ruhete, wie schmerzlich süße Erinnerungen er in mir weckte; und wie eine Glanzkugel, die meine arme Nacht flüchtig erhellte, sollte das glückliche Ereigniß an mir vorübergehen, um mir diese nachher noch schwärzer zu machen? Der Chef schätzt nur den Stein; er ist der seine; er muß und soll ihn wiederhaben; aber was liegt ihm an dem heiligen Gold, das den zarten Finger meiner Mutter umschlossen, das sie so oft mit Liebe betrachtet, das ihre treuen Lippen oft mit süßer Freude, öfter mit bitteren Thränen geküßt? Kann ich ihm das lassen, jetzt da ich es kenne, da ich es an mein Herz gedrückt, da ich mit allen kindlichen Gefühlen meiner Seele mich darnach sehne, es der Obhut aufs Neue zu übergeben, die es nie hätte verlassen sollen, die es nur meinetwegen verloren? Siehst du, hier habe ich einen Ring, golden und schwer, schwerer noch als jener -- du hast so oft die Geschicklichkeit meiner Hände bewundert -- ich habe dazu gelacht, allein ich habe den Ring genau untersucht, das kleine Becken, das den Stein faßt, ist nur daran gelöthet; dem Sohn, um ihn seines Standes würdig auszustatten — ich sehe im Geiste, wie Alles zugegangen ist — gewiß hat ein vertrauter Freund, der das Steckenpferd des Capitäns gekannt, ihm den kostbaren Stein durch die dritte oder vierte Hand anbieten lassen, er hat mit Freuden zugegriffen, und so bin ich nun in einem mich jetzt drückenden Ueberfluß zu dieser Entdeckung gekommen. Du kannst dir denken, mit welcher Empfindung mein Blick auf dem theuren Opfer der mütterlichen Liebe ruhete, wie schmerzlich süße Erinnerungen er in mir weckte; und wie eine Glanzkugel, die meine arme Nacht flüchtig erhellte, sollte das glückliche Ereigniß an mir vorübergehen, um mir diese nachher noch schwärzer zu machen? Der Chef schätzt nur den Stein; er ist der seine; er muß und soll ihn wiederhaben; aber was liegt ihm an dem heiligen Gold, das den zarten Finger meiner Mutter umschlossen, das sie so oft mit Liebe betrachtet, das ihre treuen Lippen oft mit süßer Freude, öfter mit bitteren Thränen geküßt? Kann ich ihm das lassen, jetzt da ich es kenne, da ich es an mein Herz gedrückt, da ich mit allen kindlichen Gefühlen meiner Seele mich darnach sehne, es der Obhut aufs Neue zu übergeben, die es nie hätte verlassen sollen, die es nur meinetwegen verloren? Siehst du, hier habe ich einen Ring, golden und schwer, schwerer noch als jener — du hast so oft die Geschicklichkeit meiner Hände bewundert — ich habe dazu gelacht, allein ich habe den Ring genau untersucht, das kleine Becken, das den Stein faßt, ist nur daran gelöthet; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043"/> dem Sohn, um ihn seines Standes würdig auszustatten — ich sehe im Geiste, wie Alles zugegangen ist — gewiß hat ein vertrauter Freund, der das Steckenpferd des Capitäns gekannt, ihm den kostbaren Stein durch die dritte oder vierte Hand anbieten lassen, er hat mit Freuden zugegriffen, und so bin ich nun in einem mich jetzt drückenden Ueberfluß zu dieser Entdeckung gekommen. Du kannst dir denken, mit welcher Empfindung mein Blick auf dem theuren Opfer der mütterlichen Liebe ruhete, wie schmerzlich süße Erinnerungen er in mir weckte; und wie eine Glanzkugel, die meine arme Nacht flüchtig erhellte, sollte das glückliche Ereigniß an mir vorübergehen, um mir diese nachher noch schwärzer zu machen? Der Chef schätzt nur den Stein; er ist der seine; er muß und soll ihn wiederhaben; aber was liegt ihm an dem heiligen Gold, das den zarten Finger meiner Mutter umschlossen, das sie so oft mit Liebe betrachtet, das ihre treuen Lippen oft mit süßer Freude, öfter mit bitteren Thränen geküßt? Kann ich ihm das lassen, jetzt da ich es kenne, da ich es an mein Herz gedrückt, da ich mit allen kindlichen Gefühlen meiner Seele mich darnach sehne, es der Obhut aufs Neue zu übergeben, die es nie hätte verlassen sollen, die es nur meinetwegen verloren? Siehst du, hier habe ich einen Ring, golden und schwer, schwerer noch als jener — du hast so oft die Geschicklichkeit meiner Hände bewundert — ich habe dazu gelacht, allein ich habe den Ring genau untersucht, das kleine Becken, das den Stein faßt, ist nur daran gelöthet;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0043]
dem Sohn, um ihn seines Standes würdig auszustatten — ich sehe im Geiste, wie Alles zugegangen ist — gewiß hat ein vertrauter Freund, der das Steckenpferd des Capitäns gekannt, ihm den kostbaren Stein durch die dritte oder vierte Hand anbieten lassen, er hat mit Freuden zugegriffen, und so bin ich nun in einem mich jetzt drückenden Ueberfluß zu dieser Entdeckung gekommen. Du kannst dir denken, mit welcher Empfindung mein Blick auf dem theuren Opfer der mütterlichen Liebe ruhete, wie schmerzlich süße Erinnerungen er in mir weckte; und wie eine Glanzkugel, die meine arme Nacht flüchtig erhellte, sollte das glückliche Ereigniß an mir vorübergehen, um mir diese nachher noch schwärzer zu machen? Der Chef schätzt nur den Stein; er ist der seine; er muß und soll ihn wiederhaben; aber was liegt ihm an dem heiligen Gold, das den zarten Finger meiner Mutter umschlossen, das sie so oft mit Liebe betrachtet, das ihre treuen Lippen oft mit süßer Freude, öfter mit bitteren Thränen geküßt? Kann ich ihm das lassen, jetzt da ich es kenne, da ich es an mein Herz gedrückt, da ich mit allen kindlichen Gefühlen meiner Seele mich darnach sehne, es der Obhut aufs Neue zu übergeben, die es nie hätte verlassen sollen, die es nur meinetwegen verloren? Siehst du, hier habe ich einen Ring, golden und schwer, schwerer noch als jener — du hast so oft die Geschicklichkeit meiner Hände bewundert — ich habe dazu gelacht, allein ich habe den Ring genau untersucht, das kleine Becken, das den Stein faßt, ist nur daran gelöthet;
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/43>, abgerufen am 16.07.2024. |