Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

der Batterie erklärt, daß er diese Nacht nicht zurückkehre. Gegen Mitternacht drückte er Marie fest an seine Brust und wollte sich schweigend entfernen.

Armer Woldemar! sprach sie, ein schwerer Tag erwartet dich! Kannst du es auch ertragen, den Freund zum Grabe zu begleiten?

Ich muß! erwiderte er. Lebe wohl, Marie! ich gehe jetzt zu seiner Leiche, ich will der Letzte sein, der seine Ueberreste sieht.

Mit einem festen Händedruck, der ihr beinahe einen Schrei entriß, trennte er sich eilig von ihr und begab sich nach Holger's Wohnung, durch eine Hinterpforte, die vom Garten nach dem Strande führte, an dem ein kleines Boot befestigt lag.

Die Menge hatte sich schon längst verlaufen. Mads hatte bereits die Kerzen um den Sarg ausgelöscht. Es brannte nur noch eine am Haupte der Leiche. Er zog sich still zurück, als Woldemar hereintrat. Dieser betrachtete lange schweigend mit in einander geschlungenen Armen den Todten; dann sagte er leise in sich: Ja, das Pfand unserer Freundschaft, das ich in deine Brust begraben habe, zieht mich nach. Du hast doch wohl nicht gezweifelt, Holger? Ich sehe dich noch, wie du mir auf den Fersen folgtest; aber du gingst doch voran. -- Willst du mit mir deinem Lieutenant den letzten Liebesdienst erweisen? fragte er laut.

Ja, Herr Lieutenant, wenn es doch der letzte sein muß! Was befiehlt Er?

der Batterie erklärt, daß er diese Nacht nicht zurückkehre. Gegen Mitternacht drückte er Marie fest an seine Brust und wollte sich schweigend entfernen.

Armer Woldemar! sprach sie, ein schwerer Tag erwartet dich! Kannst du es auch ertragen, den Freund zum Grabe zu begleiten?

Ich muß! erwiderte er. Lebe wohl, Marie! ich gehe jetzt zu seiner Leiche, ich will der Letzte sein, der seine Ueberreste sieht.

Mit einem festen Händedruck, der ihr beinahe einen Schrei entriß, trennte er sich eilig von ihr und begab sich nach Holger's Wohnung, durch eine Hinterpforte, die vom Garten nach dem Strande führte, an dem ein kleines Boot befestigt lag.

Die Menge hatte sich schon längst verlaufen. Mads hatte bereits die Kerzen um den Sarg ausgelöscht. Es brannte nur noch eine am Haupte der Leiche. Er zog sich still zurück, als Woldemar hereintrat. Dieser betrachtete lange schweigend mit in einander geschlungenen Armen den Todten; dann sagte er leise in sich: Ja, das Pfand unserer Freundschaft, das ich in deine Brust begraben habe, zieht mich nach. Du hast doch wohl nicht gezweifelt, Holger? Ich sehe dich noch, wie du mir auf den Fersen folgtest; aber du gingst doch voran. — Willst du mit mir deinem Lieutenant den letzten Liebesdienst erweisen? fragte er laut.

Ja, Herr Lieutenant, wenn es doch der letzte sein muß! Was befiehlt Er?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101"/>
der Batterie erklärt, daß er diese Nacht nicht      zurückkehre. Gegen Mitternacht drückte er Marie fest an seine Brust und wollte sich schweigend      entfernen.</p><lb/>
        <p>Armer Woldemar! sprach sie, ein schwerer Tag erwartet dich! Kannst du es auch ertragen, den      Freund zum Grabe zu begleiten?</p><lb/>
        <p>Ich muß! erwiderte er. Lebe wohl, Marie! ich gehe jetzt zu seiner Leiche, ich will der Letzte      sein, der seine Ueberreste sieht.</p><lb/>
        <p>Mit einem festen Händedruck, der ihr beinahe einen Schrei entriß, trennte er sich eilig von      ihr und begab sich nach Holger's Wohnung, durch eine Hinterpforte, die vom Garten nach dem      Strande führte, an dem ein kleines Boot befestigt lag.</p><lb/>
        <p>Die Menge hatte sich schon längst verlaufen. Mads hatte bereits die Kerzen um den Sarg      ausgelöscht. Es brannte nur noch eine am Haupte der Leiche. Er zog sich still zurück, als      Woldemar hereintrat. Dieser betrachtete lange schweigend mit in einander geschlungenen Armen      den Todten; dann sagte er leise in sich: Ja, das Pfand unserer Freundschaft, das ich in deine      Brust begraben habe, zieht mich nach. Du hast doch wohl nicht gezweifelt, Holger? Ich sehe dich      noch, wie du mir auf den Fersen folgtest; aber du gingst doch voran. &#x2014; Willst du mit mir deinem      Lieutenant den letzten Liebesdienst erweisen? fragte er laut.</p><lb/>
        <p>Ja, Herr Lieutenant, wenn es doch der letzte sein muß! Was befiehlt Er?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0101] der Batterie erklärt, daß er diese Nacht nicht zurückkehre. Gegen Mitternacht drückte er Marie fest an seine Brust und wollte sich schweigend entfernen. Armer Woldemar! sprach sie, ein schwerer Tag erwartet dich! Kannst du es auch ertragen, den Freund zum Grabe zu begleiten? Ich muß! erwiderte er. Lebe wohl, Marie! ich gehe jetzt zu seiner Leiche, ich will der Letzte sein, der seine Ueberreste sieht. Mit einem festen Händedruck, der ihr beinahe einen Schrei entriß, trennte er sich eilig von ihr und begab sich nach Holger's Wohnung, durch eine Hinterpforte, die vom Garten nach dem Strande führte, an dem ein kleines Boot befestigt lag. Die Menge hatte sich schon längst verlaufen. Mads hatte bereits die Kerzen um den Sarg ausgelöscht. Es brannte nur noch eine am Haupte der Leiche. Er zog sich still zurück, als Woldemar hereintrat. Dieser betrachtete lange schweigend mit in einander geschlungenen Armen den Todten; dann sagte er leise in sich: Ja, das Pfand unserer Freundschaft, das ich in deine Brust begraben habe, zieht mich nach. Du hast doch wohl nicht gezweifelt, Holger? Ich sehe dich noch, wie du mir auf den Fersen folgtest; aber du gingst doch voran. — Willst du mit mir deinem Lieutenant den letzten Liebesdienst erweisen? fragte er laut. Ja, Herr Lieutenant, wenn es doch der letzte sein muß! Was befiehlt Er?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/101
Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/101>, abgerufen am 29.11.2024.