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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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ihre Umgebung, schwer unter ständigen Konflikten litten. Sehr
beachtenswert als Beweis, daß auch hervorragende Frauen
nicht ohne weiteres zwei Herren auf einmal dienen können,
ist ferner die Feststellung, daß viele der großen Schriftsteller-
innen ihre Hauptwerke erst in reiferen Jahren, also erst dann
geschrieben haben, wenn Erziehungs- und Mutterpflichten sie
nicht mehr wie in den ersten Jahren der Ehe beanspruchten.

Als unnormal erscheint demnach eine gleichzeitige Be-
lastung der von Hausfrauen- und Mutterpflichten beanspruchten
Frau mit zeitraubenden Pflichten außer dem Hause. Aber
leider zwingt in weiten Klassen des Volkes die Not die Frau
trotz Hausfrauenpflicht und Mutterschaft mitverdienend tätig
zu sein. Die verheiratete Fabrikarbeiterin, die außer dem
Hause arbeitende Waschfrau und Putzfrau ist eine immer
häufiger werdende Erscheinung.

Die Stellungnahme der Frauenbewegung zu der Frage
der verheirateten Fabrikarbeiterin, ergibt sich aus dem oben
Gesagten von selbst. Einige kurze Ausführungen seien mir
zur Beleuchtung dieses immer brennender werdenden Problems
vorauszuschicken gestattet.

Von 1882-95 haben die verheirateten Jndustriearbeiter-
innen zugenommen
von 69000 oder 12,7 %
auf 166000 oder 16,8 %.

Wir wissen alle, wie die Fabrikarbeit verderbenbringend
auf das Gedeihen der Kinder, zerrüttend auf das Familien-
leben einwirkt. "Mit glühenden Lettern ist in die Geschichte
der Jndustrie eingebrannt, daß in England in den 50er Jahren
zur Zeit einer mit wirtschaftlicher Krise verbundenen Hunger-
epidemie die Säuglingssterblichkeit stark abnahm; die arbeits-
losen Mütter waren ihren Kindern zurückgegeben, konnten sie

ihre Umgebung, schwer unter ständigen Konflikten litten. Sehr
beachtenswert als Beweis, daß auch hervorragende Frauen
nicht ohne weiteres zwei Herren auf einmal dienen können,
ist ferner die Feststellung, daß viele der großen Schriftsteller-
innen ihre Hauptwerke erst in reiferen Jahren, also erst dann
geschrieben haben, wenn Erziehungs- und Mutterpflichten sie
nicht mehr wie in den ersten Jahren der Ehe beanspruchten.

Als unnormal erscheint demnach eine gleichzeitige Be-
lastung der von Hausfrauen- und Mutterpflichten beanspruchten
Frau mit zeitraubenden Pflichten außer dem Hause. Aber
leider zwingt in weiten Klassen des Volkes die Not die Frau
trotz Hausfrauenpflicht und Mutterschaft mitverdienend tätig
zu sein. Die verheiratete Fabrikarbeiterin, die außer dem
Hause arbeitende Waschfrau und Putzfrau ist eine immer
häufiger werdende Erscheinung.

Die Stellungnahme der Frauenbewegung zu der Frage
der verheirateten Fabrikarbeiterin, ergibt sich aus dem oben
Gesagten von selbst. Einige kurze Ausführungen seien mir
zur Beleuchtung dieses immer brennender werdenden Problems
vorauszuschicken gestattet.

Von 1882–95 haben die verheirateten Jndustriearbeiter-
innen zugenommen
von 69000 oder 12,7 %
auf 166000 oder 16,8 %.

Wir wissen alle, wie die Fabrikarbeit verderbenbringend
auf das Gedeihen der Kinder, zerrüttend auf das Familien-
leben einwirkt. „Mit glühenden Lettern ist in die Geschichte
der Jndustrie eingebrannt, daß in England in den 50er Jahren
zur Zeit einer mit wirtschaftlicher Krise verbundenen Hunger-
epidemie die Säuglingssterblichkeit stark abnahm; die arbeits-
losen Mütter waren ihren Kindern zurückgegeben, konnten sie

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[216/0226] ihre Umgebung, schwer unter ständigen Konflikten litten. Sehr beachtenswert als Beweis, daß auch hervorragende Frauen nicht ohne weiteres zwei Herren auf einmal dienen können, ist ferner die Feststellung, daß viele der großen Schriftsteller- innen ihre Hauptwerke erst in reiferen Jahren, also erst dann geschrieben haben, wenn Erziehungs- und Mutterpflichten sie nicht mehr wie in den ersten Jahren der Ehe beanspruchten. Als unnormal erscheint demnach eine gleichzeitige Be- lastung der von Hausfrauen- und Mutterpflichten beanspruchten Frau mit zeitraubenden Pflichten außer dem Hause. Aber leider zwingt in weiten Klassen des Volkes die Not die Frau trotz Hausfrauenpflicht und Mutterschaft mitverdienend tätig zu sein. Die verheiratete Fabrikarbeiterin, die außer dem Hause arbeitende Waschfrau und Putzfrau ist eine immer häufiger werdende Erscheinung. Die Stellungnahme der Frauenbewegung zu der Frage der verheirateten Fabrikarbeiterin, ergibt sich aus dem oben Gesagten von selbst. Einige kurze Ausführungen seien mir zur Beleuchtung dieses immer brennender werdenden Problems vorauszuschicken gestattet. Von 1882–95 haben die verheirateten Jndustriearbeiter- innen zugenommen von 69000 oder 12,7 % auf 166000 oder 16,8 %. Wir wissen alle, wie die Fabrikarbeit verderbenbringend auf das Gedeihen der Kinder, zerrüttend auf das Familien- leben einwirkt. „Mit glühenden Lettern ist in die Geschichte der Jndustrie eingebrannt, daß in England in den 50er Jahren zur Zeit einer mit wirtschaftlicher Krise verbundenen Hunger- epidemie die Säuglingssterblichkeit stark abnahm; die arbeits- losen Mütter waren ihren Kindern zurückgegeben, konnten sie

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/226>, abgerufen am 28.04.2024.