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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Wie verhalten sich nun solchen Mißständen gegenüber
Staat und Gemeinden?

Für die Knaben - so sahen wir - wird gesorgt. Das
Gesetz sieht die Möglichkeit obligatorischer Fortbildungsan-
stalten für alle kaufmännisch und gewerblich tätigen Knaben
vor und die Gemeinden wetteifern, Handwerkerschulen, Fort-
bildungsschulen für Knaben zu gründen. Daß aber der Haus-
stand des Kaufmanns, des Handwerkers nicht gedeihen kann,
wenn ihre Frauen keine Ahnung von Hauswirtschaft haben,
vergißt man. Man vergißt die Not, in die eine Frau ohne
tüchtige Vorkenntnisse als berufstätige Frau gerät.

Man vergißt - oder übersieht es auch wohl absichtlich -,
daß die für ehrliche Arbeit nicht vorgebildeten Frauen zu Tau-
senden der Prostitution verfallen, dem einzigen Erwerbszweig,
für den es genügt, Weib zu sein. Zur elenden Lohndrückerin
muß die Frau werden, weil man ihr die Möglichkeit verschließt,
gleichwertig ausgebildet an des Mannes Seite zu treten. Die
Frau, die draußen Arbeit sucht, wählt selten frei, sie wird durch
die Not gezwungen. Sie muß arbeiten, erwerben. Anstatt sich
mit dieser Lage der Dinge abzufinden und Gerechtigkeit walten
zu lassen, gibt man der Frau schlechtere Vorbildung als dem
Manne, macht sie - mit der unumwunden ausgesprochenen
Absicht, den starken Mann dadurch vor ihr zu schützen - kon-
kurrenzunfähig. Um Geld für seineAusbildung zu verwen-
den, spart man an der ihren, versäumt es, sie selbst für die
Arbeitszweige tüchtig zu machen, die man so gern als ihre
eigentliche Domäne bezeichnet.

Staat und Gemeinde sehen die Not wohl. Aber sie ver-
schließen sich ihr - rühmliche Ausnahmen zugegeben - aus
Kurzsichtigkeit, wohl auch aus Männeregoismus. Vergeblich
petitionieren die Frauen um Aenderungen unserer das Fort-

Wie verhalten sich nun solchen Mißständen gegenüber
Staat und Gemeinden?

Für die Knaben – so sahen wir – wird gesorgt. Das
Gesetz sieht die Möglichkeit obligatorischer Fortbildungsan-
stalten für alle kaufmännisch und gewerblich tätigen Knaben
vor und die Gemeinden wetteifern, Handwerkerschulen, Fort-
bildungsschulen für Knaben zu gründen. Daß aber der Haus-
stand des Kaufmanns, des Handwerkers nicht gedeihen kann,
wenn ihre Frauen keine Ahnung von Hauswirtschaft haben,
vergißt man. Man vergißt die Not, in die eine Frau ohne
tüchtige Vorkenntnisse als berufstätige Frau gerät.

Man vergißt – oder übersieht es auch wohl absichtlich –,
daß die für ehrliche Arbeit nicht vorgebildeten Frauen zu Tau-
senden der Prostitution verfallen, dem einzigen Erwerbszweig,
für den es genügt, Weib zu sein. Zur elenden Lohndrückerin
muß die Frau werden, weil man ihr die Möglichkeit verschließt,
gleichwertig ausgebildet an des Mannes Seite zu treten. Die
Frau, die draußen Arbeit sucht, wählt selten frei, sie wird durch
die Not gezwungen. Sie muß arbeiten, erwerben. Anstatt sich
mit dieser Lage der Dinge abzufinden und Gerechtigkeit walten
zu lassen, gibt man der Frau schlechtere Vorbildung als dem
Manne, macht sie – mit der unumwunden ausgesprochenen
Absicht, den starken Mann dadurch vor ihr zu schützen – kon-
kurrenzunfähig. Um Geld für seineAusbildung zu verwen-
den, spart man an der ihren, versäumt es, sie selbst für die
Arbeitszweige tüchtig zu machen, die man so gern als ihre
eigentliche Domäne bezeichnet.

Staat und Gemeinde sehen die Not wohl. Aber sie ver-
schließen sich ihr – rühmliche Ausnahmen zugegeben – aus
Kurzsichtigkeit, wohl auch aus Männeregoismus. Vergeblich
petitionieren die Frauen um Aenderungen unserer das Fort-

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[11/0021] Wie verhalten sich nun solchen Mißständen gegenüber Staat und Gemeinden? Für die Knaben – so sahen wir – wird gesorgt. Das Gesetz sieht die Möglichkeit obligatorischer Fortbildungsan- stalten für alle kaufmännisch und gewerblich tätigen Knaben vor und die Gemeinden wetteifern, Handwerkerschulen, Fort- bildungsschulen für Knaben zu gründen. Daß aber der Haus- stand des Kaufmanns, des Handwerkers nicht gedeihen kann, wenn ihre Frauen keine Ahnung von Hauswirtschaft haben, vergißt man. Man vergißt die Not, in die eine Frau ohne tüchtige Vorkenntnisse als berufstätige Frau gerät. Man vergißt – oder übersieht es auch wohl absichtlich –, daß die für ehrliche Arbeit nicht vorgebildeten Frauen zu Tau- senden der Prostitution verfallen, dem einzigen Erwerbszweig, für den es genügt, Weib zu sein. Zur elenden Lohndrückerin muß die Frau werden, weil man ihr die Möglichkeit verschließt, gleichwertig ausgebildet an des Mannes Seite zu treten. Die Frau, die draußen Arbeit sucht, wählt selten frei, sie wird durch die Not gezwungen. Sie muß arbeiten, erwerben. Anstatt sich mit dieser Lage der Dinge abzufinden und Gerechtigkeit walten zu lassen, gibt man der Frau schlechtere Vorbildung als dem Manne, macht sie – mit der unumwunden ausgesprochenen Absicht, den starken Mann dadurch vor ihr zu schützen – kon- kurrenzunfähig. Um Geld für seineAusbildung zu verwen- den, spart man an der ihren, versäumt es, sie selbst für die Arbeitszweige tüchtig zu machen, die man so gern als ihre eigentliche Domäne bezeichnet. Staat und Gemeinde sehen die Not wohl. Aber sie ver- schließen sich ihr – rühmliche Ausnahmen zugegeben – aus Kurzsichtigkeit, wohl auch aus Männeregoismus. Vergeblich petitionieren die Frauen um Aenderungen unserer das Fort-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/21>, abgerufen am 24.11.2024.