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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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werden unsere Jugend nicht schützen. Das einzige Mittel bleibt
immer, die Jugend selbst widerstandsfähig zu
machen
, ihren Jdealismus, ihr natürliches, feines Empfinden
zu stärken, ihr, ich sagte das schon, ein an edlen Werten reiches
Leben selbst vorzuleben, gute, fesselnde Bücher stets für sie
bereit zu haben. Dann findet sie in sich selbst sichersten Maß-
stab. Sie wird, auch wenn sie Einblick erhält in die Nachtseiten
des Lebens, sich nicht beirren lassen, sondern immer fester und
zielbewußter dem Lichte zustreben.

Dabei aber, so scheint mir, kann gerade die Frau dem
Manne viel helfen. Denn - wie unsere Verhältnisse liegen -
ist das junge Mädchen unserer gebildeten Kreise dem jungen
Manne der gleichen Kreise gegenüber oft im Vorteil. Jhr
hat man reine, schöne Eindrücke zu vermitteln gesucht, vor
Gemeinem suchte man sie nach Möglichkeit zu schützen. Wer
aber fragte danach, wenn ein junger Mann hinausging ins
Leben, wo und wie er Versuchungen widerstand? Wer bot
ihm draußen die Hand? wer ging mit ihm? wer hielt den
Glauben in ihm fest, daß es nicht nur Frauen niederster Art,
die für Geld sich an jeden Mann wegzuwerfen bereit sind,
gibt, nicht nur Frauen, die in jedem jungen Manne einen Hei-
ratskandidaten wittern, sondern auch Frauen, die der Freund-
schaft, der Kameradschaft fähig, warmherzige, reinempfindende
Frauen - auch unter den jungen Mädchen unserer gebildeten
Kreise? Gemeinsam zu absolvierende Studien, ein gemeinsam
auszuübender Beruf, gemeinsam betriebener Sport führen heu-
tigentages viele junge Mädchen und Männer auch außerhalb
des Salons zusammen. Dadurch wird es den Frauen leichter
gemacht als früher, mit dem Manne kameradschaftlich zu ver-
kehren. Und wo sie das tun, tun sie sich selbst und dem Manne
etwas Gutes damit.

werden unsere Jugend nicht schützen. Das einzige Mittel bleibt
immer, die Jugend selbst widerstandsfähig zu
machen
, ihren Jdealismus, ihr natürliches, feines Empfinden
zu stärken, ihr, ich sagte das schon, ein an edlen Werten reiches
Leben selbst vorzuleben, gute, fesselnde Bücher stets für sie
bereit zu haben. Dann findet sie in sich selbst sichersten Maß-
stab. Sie wird, auch wenn sie Einblick erhält in die Nachtseiten
des Lebens, sich nicht beirren lassen, sondern immer fester und
zielbewußter dem Lichte zustreben.

Dabei aber, so scheint mir, kann gerade die Frau dem
Manne viel helfen. Denn – wie unsere Verhältnisse liegen –
ist das junge Mädchen unserer gebildeten Kreise dem jungen
Manne der gleichen Kreise gegenüber oft im Vorteil. Jhr
hat man reine, schöne Eindrücke zu vermitteln gesucht, vor
Gemeinem suchte man sie nach Möglichkeit zu schützen. Wer
aber fragte danach, wenn ein junger Mann hinausging ins
Leben, wo und wie er Versuchungen widerstand? Wer bot
ihm draußen die Hand? wer ging mit ihm? wer hielt den
Glauben in ihm fest, daß es nicht nur Frauen niederster Art,
die für Geld sich an jeden Mann wegzuwerfen bereit sind,
gibt, nicht nur Frauen, die in jedem jungen Manne einen Hei-
ratskandidaten wittern, sondern auch Frauen, die der Freund-
schaft, der Kameradschaft fähig, warmherzige, reinempfindende
Frauen – auch unter den jungen Mädchen unserer gebildeten
Kreise? Gemeinsam zu absolvierende Studien, ein gemeinsam
auszuübender Beruf, gemeinsam betriebener Sport führen heu-
tigentages viele junge Mädchen und Männer auch außerhalb
des Salons zusammen. Dadurch wird es den Frauen leichter
gemacht als früher, mit dem Manne kameradschaftlich zu ver-
kehren. Und wo sie das tun, tun sie sich selbst und dem Manne
etwas Gutes damit.

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[190/0200] werden unsere Jugend nicht schützen. Das einzige Mittel bleibt immer, die Jugend selbst widerstandsfähig zu machen, ihren Jdealismus, ihr natürliches, feines Empfinden zu stärken, ihr, ich sagte das schon, ein an edlen Werten reiches Leben selbst vorzuleben, gute, fesselnde Bücher stets für sie bereit zu haben. Dann findet sie in sich selbst sichersten Maß- stab. Sie wird, auch wenn sie Einblick erhält in die Nachtseiten des Lebens, sich nicht beirren lassen, sondern immer fester und zielbewußter dem Lichte zustreben. Dabei aber, so scheint mir, kann gerade die Frau dem Manne viel helfen. Denn – wie unsere Verhältnisse liegen – ist das junge Mädchen unserer gebildeten Kreise dem jungen Manne der gleichen Kreise gegenüber oft im Vorteil. Jhr hat man reine, schöne Eindrücke zu vermitteln gesucht, vor Gemeinem suchte man sie nach Möglichkeit zu schützen. Wer aber fragte danach, wenn ein junger Mann hinausging ins Leben, wo und wie er Versuchungen widerstand? Wer bot ihm draußen die Hand? wer ging mit ihm? wer hielt den Glauben in ihm fest, daß es nicht nur Frauen niederster Art, die für Geld sich an jeden Mann wegzuwerfen bereit sind, gibt, nicht nur Frauen, die in jedem jungen Manne einen Hei- ratskandidaten wittern, sondern auch Frauen, die der Freund- schaft, der Kameradschaft fähig, warmherzige, reinempfindende Frauen – auch unter den jungen Mädchen unserer gebildeten Kreise? Gemeinsam zu absolvierende Studien, ein gemeinsam auszuübender Beruf, gemeinsam betriebener Sport führen heu- tigentages viele junge Mädchen und Männer auch außerhalb des Salons zusammen. Dadurch wird es den Frauen leichter gemacht als früher, mit dem Manne kameradschaftlich zu ver- kehren. Und wo sie das tun, tun sie sich selbst und dem Manne etwas Gutes damit.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/200>, abgerufen am 03.05.2024.