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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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rein empfindende Frau, die sich selbst vergessende, aufopfe-
rungsfähige Mutter vorherrscht, die nichts Höheres kennt und
ersehnt als im Manne den Vater ihrer Kinder, den Helden
ihrer Seele, verehren und lieben zu dürfen.

Sie übersehen, daß es nur Einzelne, Vereinzelte sind unter
den Frauen die Frauenvorherrschaft für etwas Segensreicheres,
weil, wie sie meinen, Reineres, Gütigeres halten, als die Allein-
herrschaft des Mannes.

Die Mehrzahl der Frauen ersehnt Gemeinschaftsleben, Ge-
meinsamkeitsarbeit der Geschlechter. Freilich muß eine solche
auf anderem Grunde erbaut werden als die jetzt bestehenden
Durchschnittsverhältnisse zwischen Mann und Weib ihn uns
bieten können. Umwertung bisher gültiger Anschauungen heißt
es hier wie kaum irgendwo anders.

Wer das Leben kennt, dem wird es verständlich erscheinen,
daß es zur Zeit viele Frauen gibt, die hart werden, wenn sie
auf die jetzige Stellung von Mann und Weib zu sprechen kommen.
Viele, die persönlich nur beste Erfahrungen gemacht haben,
ja selbst solche, die bewußt in tiefster Seele das Glück haben
empfinden dürfen, das einzig Mann und Weib sich zu geben
vermögen, auch sie sehen eine Unsumme von Leid und Ent-
behren unter den Frauen rings um sich herum. Sie wissen, daß
es allzuhäufig der Mann ist, der solches Leid über die Frau
bringt. Ueber die einzelne Frau, aber auch über die Frauen als
Allgemeinheit genommen. Großes dankt der Mann dem Weibe,
seiner Mutter, seiner Schwester, der Gattin oder Geliebten.
Aber er wertet - als Masse genommen - die Frauen trotz-
dem gering. Wenn es ein Zeichen hochentwickelten Seelen-
lebens ist. Dank empfinden und Dankbarkeit zeigen zu können,
so steht der Mann der Mehrzahl seiner Vertreter nach noch
auf einer niederen Entwicklungsstufe. Denn sein Dank an

rein empfindende Frau, die sich selbst vergessende, aufopfe-
rungsfähige Mutter vorherrscht, die nichts Höheres kennt und
ersehnt als im Manne den Vater ihrer Kinder, den Helden
ihrer Seele, verehren und lieben zu dürfen.

Sie übersehen, daß es nur Einzelne, Vereinzelte sind unter
den Frauen die Frauenvorherrschaft für etwas Segensreicheres,
weil, wie sie meinen, Reineres, Gütigeres halten, als die Allein-
herrschaft des Mannes.

Die Mehrzahl der Frauen ersehnt Gemeinschaftsleben, Ge-
meinsamkeitsarbeit der Geschlechter. Freilich muß eine solche
auf anderem Grunde erbaut werden als die jetzt bestehenden
Durchschnittsverhältnisse zwischen Mann und Weib ihn uns
bieten können. Umwertung bisher gültiger Anschauungen heißt
es hier wie kaum irgendwo anders.

Wer das Leben kennt, dem wird es verständlich erscheinen,
daß es zur Zeit viele Frauen gibt, die hart werden, wenn sie
auf die jetzige Stellung von Mann und Weib zu sprechen kommen.
Viele, die persönlich nur beste Erfahrungen gemacht haben,
ja selbst solche, die bewußt in tiefster Seele das Glück haben
empfinden dürfen, das einzig Mann und Weib sich zu geben
vermögen, auch sie sehen eine Unsumme von Leid und Ent-
behren unter den Frauen rings um sich herum. Sie wissen, daß
es allzuhäufig der Mann ist, der solches Leid über die Frau
bringt. Ueber die einzelne Frau, aber auch über die Frauen als
Allgemeinheit genommen. Großes dankt der Mann dem Weibe,
seiner Mutter, seiner Schwester, der Gattin oder Geliebten.
Aber er wertet – als Masse genommen – die Frauen trotz-
dem gering. Wenn es ein Zeichen hochentwickelten Seelen-
lebens ist. Dank empfinden und Dankbarkeit zeigen zu können,
so steht der Mann der Mehrzahl seiner Vertreter nach noch
auf einer niederen Entwicklungsstufe. Denn sein Dank an

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[185/0195] rein empfindende Frau, die sich selbst vergessende, aufopfe- rungsfähige Mutter vorherrscht, die nichts Höheres kennt und ersehnt als im Manne den Vater ihrer Kinder, den Helden ihrer Seele, verehren und lieben zu dürfen. Sie übersehen, daß es nur Einzelne, Vereinzelte sind unter den Frauen die Frauenvorherrschaft für etwas Segensreicheres, weil, wie sie meinen, Reineres, Gütigeres halten, als die Allein- herrschaft des Mannes. Die Mehrzahl der Frauen ersehnt Gemeinschaftsleben, Ge- meinsamkeitsarbeit der Geschlechter. Freilich muß eine solche auf anderem Grunde erbaut werden als die jetzt bestehenden Durchschnittsverhältnisse zwischen Mann und Weib ihn uns bieten können. Umwertung bisher gültiger Anschauungen heißt es hier wie kaum irgendwo anders. Wer das Leben kennt, dem wird es verständlich erscheinen, daß es zur Zeit viele Frauen gibt, die hart werden, wenn sie auf die jetzige Stellung von Mann und Weib zu sprechen kommen. Viele, die persönlich nur beste Erfahrungen gemacht haben, ja selbst solche, die bewußt in tiefster Seele das Glück haben empfinden dürfen, das einzig Mann und Weib sich zu geben vermögen, auch sie sehen eine Unsumme von Leid und Ent- behren unter den Frauen rings um sich herum. Sie wissen, daß es allzuhäufig der Mann ist, der solches Leid über die Frau bringt. Ueber die einzelne Frau, aber auch über die Frauen als Allgemeinheit genommen. Großes dankt der Mann dem Weibe, seiner Mutter, seiner Schwester, der Gattin oder Geliebten. Aber er wertet – als Masse genommen – die Frauen trotz- dem gering. Wenn es ein Zeichen hochentwickelten Seelen- lebens ist. Dank empfinden und Dankbarkeit zeigen zu können, so steht der Mann der Mehrzahl seiner Vertreter nach noch auf einer niederen Entwicklungsstufe. Denn sein Dank an

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/195>, abgerufen am 02.05.2024.