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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Kakao, aber so schlecht ist es manchesmal, daß es nicht zum
Trinken ist. Abends kochen sie Gemüse und Kaffee oder was
von Mittag übrig bleibt; die Nahrung würde einen Mann
in 8 Tagen arbeitsunfähig machen."

Nach der letzten Berechnung (bei einem Jahreseinkommen
von 450 Mk.) bleiben also für Kleidung, Wäsche und
alle übrigen Lebensbedürfnisse 37 Mk. 25 Pf.
jährlich. Daß es unmöglich ist, mit diesem Betrag auszu-
kommen, wird niemand bestreiten wollen.

Außerdem muß bei derartigen Statistiken stets die "flaue"
Zeit in Anrechnung gebracht werden, der, besonders für die
Heimarbeit, so charakteristische und verhängnisvolle Wechsel
zwischen Hochsaison und stiller Zeit, in der nur 4-6 Stunden
täglich gearbeitet wird, wenn nicht gar völlige Arbeitslosig-
keit eintritt. Die Mehrzahl der Konfektionsbetriebe hat über-
haupt nur eine Produktionsdauer von 4-6 Monaten. Man
sollte daher auch weniger den Durchschnittswochenlohn, als
den Jahresverdienst in Anschlag bringen, und dieser beträgt,
nach dem statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin vom Jahre 1897

fürSchneiderinnen   457Mk.jährlich
"Wäscherinnen   486""
"Knopflochhandarbeiterinnen   354""
"Knopflochmaschinenarbeiterinnen   700""
"Hand-, Putz- und Hosenträger-Arbeiterinnen   354""

Dabei werden in Berlin nicht einmal die schlechtesten
Löhne gezahlt; die Erhebung des statistischen Amtes für das
ganze Deutsche Reich ergab nur ein Durchschnittsjahresein-
kommen von 322 Mark. Aus Danzig wird beispielsweise an-
gegeben, daß Näherinnen bei voller Beschäftigung 1 Mk. pro
Tag verdienen. Für Wohnung und Essen braucht sie aber
26 Mk. monatlich. Sonn- und Feiertage fallen aus, Zeiten

Kakao, aber so schlecht ist es manchesmal, daß es nicht zum
Trinken ist. Abends kochen sie Gemüse und Kaffee oder was
von Mittag übrig bleibt; die Nahrung würde einen Mann
in 8 Tagen arbeitsunfähig machen.“

Nach der letzten Berechnung (bei einem Jahreseinkommen
von 450 Mk.) bleiben also für Kleidung, Wäsche und
alle übrigen Lebensbedürfnisse 37 Mk. 25 Pf.
jährlich. Daß es unmöglich ist, mit diesem Betrag auszu-
kommen, wird niemand bestreiten wollen.

Außerdem muß bei derartigen Statistiken stets die „flaue“
Zeit in Anrechnung gebracht werden, der, besonders für die
Heimarbeit, so charakteristische und verhängnisvolle Wechsel
zwischen Hochsaison und stiller Zeit, in der nur 4–6 Stunden
täglich gearbeitet wird, wenn nicht gar völlige Arbeitslosig-
keit eintritt. Die Mehrzahl der Konfektionsbetriebe hat über-
haupt nur eine Produktionsdauer von 4–6 Monaten. Man
sollte daher auch weniger den Durchschnittswochenlohn, als
den Jahresverdienst in Anschlag bringen, und dieser beträgt,
nach dem statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin vom Jahre 1897

fürSchneiderinnen   457Mk.jährlich
Wäscherinnen   486
Knopflochhandarbeiterinnen   354
Knopflochmaschinenarbeiterinnen   700
Hand-, Putz- und Hosenträger-Arbeiterinnen   354

Dabei werden in Berlin nicht einmal die schlechtesten
Löhne gezahlt; die Erhebung des statistischen Amtes für das
ganze Deutsche Reich ergab nur ein Durchschnittsjahresein-
kommen von 322 Mark. Aus Danzig wird beispielsweise an-
gegeben, daß Näherinnen bei voller Beschäftigung 1 Mk. pro
Tag verdienen. Für Wohnung und Essen braucht sie aber
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[149/0159] Kakao, aber so schlecht ist es manchesmal, daß es nicht zum Trinken ist. Abends kochen sie Gemüse und Kaffee oder was von Mittag übrig bleibt; die Nahrung würde einen Mann in 8 Tagen arbeitsunfähig machen.“ Nach der letzten Berechnung (bei einem Jahreseinkommen von 450 Mk.) bleiben also für Kleidung, Wäsche und alle übrigen Lebensbedürfnisse 37 Mk. 25 Pf. jährlich. Daß es unmöglich ist, mit diesem Betrag auszu- kommen, wird niemand bestreiten wollen. Außerdem muß bei derartigen Statistiken stets die „flaue“ Zeit in Anrechnung gebracht werden, der, besonders für die Heimarbeit, so charakteristische und verhängnisvolle Wechsel zwischen Hochsaison und stiller Zeit, in der nur 4–6 Stunden täglich gearbeitet wird, wenn nicht gar völlige Arbeitslosig- keit eintritt. Die Mehrzahl der Konfektionsbetriebe hat über- haupt nur eine Produktionsdauer von 4–6 Monaten. Man sollte daher auch weniger den Durchschnittswochenlohn, als den Jahresverdienst in Anschlag bringen, und dieser beträgt, nach dem statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin vom Jahre 1897 für Schneiderinnen 457 Mk. jährlich 〃 Wäscherinnen 486 〃 〃 〃 Knopflochhandarbeiterinnen 354 〃 〃 〃 Knopflochmaschinenarbeiterinnen 700 〃 〃 〃 Hand-, Putz- und Hosenträger-Arbeiterinnen 354 〃 〃 Dabei werden in Berlin nicht einmal die schlechtesten Löhne gezahlt; die Erhebung des statistischen Amtes für das ganze Deutsche Reich ergab nur ein Durchschnittsjahresein- kommen von 322 Mark. Aus Danzig wird beispielsweise an- gegeben, daß Näherinnen bei voller Beschäftigung 1 Mk. pro Tag verdienen. Für Wohnung und Essen braucht sie aber 26 Mk. monatlich. Sonn- und Feiertage fallen aus, Zeiten

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/159>, abgerufen am 02.05.2024.