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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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schon allein dadurch, daß er es von staatswegen reglemen-
tiert? Ganz abgesehen davon, daß all diese Frauen niemals
so tief sinken, so gewissenlos und entartet werden könnten, wie
sie es der Mehrzahl nach sind, wenn der Mann nicht ihr
Helfershelfer, ihr Partner wäre bei ihrem sittenlosen, oft ge-
radezu gemeingefährlichen Treiben.

Prostitution muß sein, sie ist immer gewesen, so hört man
wohl sagen. So lange die Menschen nur Tiere sind, vielmehr
weit unter das Tier, das sich niemals um Sinn und Ver-
stand trinkt, herabsinken, mag das wahr sein. Aber ist
Prostitution ein wirklich notwendiges Uebel auch für solche,
die gelernt haben, Herr ihrer selbst zu sein? die den An-
spruch machen, eine höhere Stufe der Gesittung ersteigen zu
wollen?

Wären die Prostituierten nicht, so hört man wiederum
sagen, keine anständige Frau wäre noch sicher auf der Straße.
Die Prostitution schützt die ehrbare Frau, die Familie. - Aber
steht der Mann wirklich so niedrig, daß er wie ein wildes
Tier sich ungezügelt seiner Gier hingibt? Und solchen Män-
nern reichen nachher auch ehrbar sein wollende Frauen die
Hand zum sogenannten christlichen Ehebunde!

Die Prostitution ist Folge wirtschaftlicher Mißstände.
Schlechte Entlohnung der Frau, späte Heiratsmöglichkeit des
Mannes führen notwendigerweise zu ungeregeltem Leben,
zur Prostitution. So behaupten andere, die tiefer geblickt
haben.

Das ist ein Satz, den es zu prüfen gilt. Denn das Elend
unter den Frauen, ich habe darauf schon wiederholt hinge-
wiesen, ist tatsächlich oft ein großes. Zahlen sprechen die be-
redteste Sprache. Stellen wir Einnahmen, Ausgaben verschie-
dener Arbeiterinnen neben einander:

10*

schon allein dadurch, daß er es von staatswegen reglemen-
tiert? Ganz abgesehen davon, daß all diese Frauen niemals
so tief sinken, so gewissenlos und entartet werden könnten, wie
sie es der Mehrzahl nach sind, wenn der Mann nicht ihr
Helfershelfer, ihr Partner wäre bei ihrem sittenlosen, oft ge-
radezu gemeingefährlichen Treiben.

Prostitution muß sein, sie ist immer gewesen, so hört man
wohl sagen. So lange die Menschen nur Tiere sind, vielmehr
weit unter das Tier, das sich niemals um Sinn und Ver-
stand trinkt, herabsinken, mag das wahr sein. Aber ist
Prostitution ein wirklich notwendiges Uebel auch für solche,
die gelernt haben, Herr ihrer selbst zu sein? die den An-
spruch machen, eine höhere Stufe der Gesittung ersteigen zu
wollen?

Wären die Prostituierten nicht, so hört man wiederum
sagen, keine anständige Frau wäre noch sicher auf der Straße.
Die Prostitution schützt die ehrbare Frau, die Familie. – Aber
steht der Mann wirklich so niedrig, daß er wie ein wildes
Tier sich ungezügelt seiner Gier hingibt? Und solchen Män-
nern reichen nachher auch ehrbar sein wollende Frauen die
Hand zum sogenannten christlichen Ehebunde!

Die Prostitution ist Folge wirtschaftlicher Mißstände.
Schlechte Entlohnung der Frau, späte Heiratsmöglichkeit des
Mannes führen notwendigerweise zu ungeregeltem Leben,
zur Prostitution. So behaupten andere, die tiefer geblickt
haben.

Das ist ein Satz, den es zu prüfen gilt. Denn das Elend
unter den Frauen, ich habe darauf schon wiederholt hinge-
wiesen, ist tatsächlich oft ein großes. Zahlen sprechen die be-
redteste Sprache. Stellen wir Einnahmen, Ausgaben verschie-
dener Arbeiterinnen neben einander:

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[147/0157] schon allein dadurch, daß er es von staatswegen reglemen- tiert? Ganz abgesehen davon, daß all diese Frauen niemals so tief sinken, so gewissenlos und entartet werden könnten, wie sie es der Mehrzahl nach sind, wenn der Mann nicht ihr Helfershelfer, ihr Partner wäre bei ihrem sittenlosen, oft ge- radezu gemeingefährlichen Treiben. Prostitution muß sein, sie ist immer gewesen, so hört man wohl sagen. So lange die Menschen nur Tiere sind, vielmehr weit unter das Tier, das sich niemals um Sinn und Ver- stand trinkt, herabsinken, mag das wahr sein. Aber ist Prostitution ein wirklich notwendiges Uebel auch für solche, die gelernt haben, Herr ihrer selbst zu sein? die den An- spruch machen, eine höhere Stufe der Gesittung ersteigen zu wollen? Wären die Prostituierten nicht, so hört man wiederum sagen, keine anständige Frau wäre noch sicher auf der Straße. Die Prostitution schützt die ehrbare Frau, die Familie. – Aber steht der Mann wirklich so niedrig, daß er wie ein wildes Tier sich ungezügelt seiner Gier hingibt? Und solchen Män- nern reichen nachher auch ehrbar sein wollende Frauen die Hand zum sogenannten christlichen Ehebunde! Die Prostitution ist Folge wirtschaftlicher Mißstände. Schlechte Entlohnung der Frau, späte Heiratsmöglichkeit des Mannes führen notwendigerweise zu ungeregeltem Leben, zur Prostitution. So behaupten andere, die tiefer geblickt haben. Das ist ein Satz, den es zu prüfen gilt. Denn das Elend unter den Frauen, ich habe darauf schon wiederholt hinge- wiesen, ist tatsächlich oft ein großes. Zahlen sprechen die be- redteste Sprache. Stellen wir Einnahmen, Ausgaben verschie- dener Arbeiterinnen neben einander: 10*

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/157>, abgerufen am 02.05.2024.