Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Erde
selbst aber begeben sich nur aus einer Sclaverey in die an-
dere: denn so bald sie sich einen andern Fixsterne nähern,
so bemächtigt er sich derselbigen durch seine anziehende
Kraft, und nöthigt sie aufs neue um ihn herum zu lauffen,
da es denn gar leichte geschehen kann, daß sie sich wieder
in einer elliptischen Bahn bewegen müssen. Dieses hat
mich auf einen wunderlichen Einfall gebracht, welcher sich
dergestalt in mein Gemüthe eingeschlichen hat, daß ich ihn
nicht los werden kann, ob ich schon sehe, daß er sich nicht
erweisen läßt. Jch wolte denen Sonnen oder Fixsternen so
gerne eine Nahrung verschaffen, weil ich es nicht gerne
sehe, wenn sie einmal verbrennen solten; wie wäre es nun,
wenn wir ihnen die Cometen zu ihrer Speise verordne-
ten? die armen Fixsterne müssen doch etwas zu leben ha-
ben, und warum solten ihnen die Cometen nicht zur
Nahrung dienen können? Sie kommen ihnen sehr nahe,
und es ist eben nicht unmöglich, daß sie gar in sie hinein
fallen können. Jch finde diese Gewohnheit allenthalben in
der Welt so sehr eingeführt, daß es mich wundern solte,
wenn die Fixsterne die Mode nicht mitmachten. Die grös-
sern Thiere fressen die kleinern, ein grosser Baum raubt
den kleinen Pflanzen ihre Nahrung, und die mächtigern
Menschen unterdrücken die schwächern, ob uns gleich
die Sittenlehrer mit einer ernsthaften Mine sagen, daß
die Menschen in diesem Stücke den Fixsternen nicht ähn-
lich seyn solten, welche die Cometen ihres ungeheuren
Schwantzes ohngeachtet blos darum verschlucken, weil ihr
alzukleiner Körper der alzustarken anziehenden Kraft nicht
zu widerstehen vermögend ist.

§. 33.

Wenn man es nun vor gewis annehmen will, daß der
Comete des Jahres 1680. binnen 575. Jahren seinen Umlauf
verrichtet, und sieben solche Perioden desselben zurücke zeh-
let, so wird man finden, daß sie 4028. Jahre ausmachen,

und

Geſchichte der Erde
ſelbſt aber begeben ſich nur aus einer Sclaverey in die an-
dere: denn ſo bald ſie ſich einen andern Fixſterne naͤhern,
ſo bemaͤchtigt er ſich derſelbigen durch ſeine anziehende
Kraft, und noͤthigt ſie aufs neue um ihn herum zu lauffen,
da es denn gar leichte geſchehen kann, daß ſie ſich wieder
in einer elliptiſchen Bahn bewegen muͤſſen. Dieſes hat
mich auf einen wunderlichen Einfall gebracht, welcher ſich
dergeſtalt in mein Gemuͤthe eingeſchlichen hat, daß ich ihn
nicht los werden kann, ob ich ſchon ſehe, daß er ſich nicht
erweiſen laͤßt. Jch wolte denen Sonnen oder Fixſternen ſo
gerne eine Nahrung verſchaffen, weil ich es nicht gerne
ſehe, wenn ſie einmal verbrennen ſolten; wie waͤre es nun,
wenn wir ihnen die Cometen zu ihrer Speiſe verordne-
ten? die armen Fixſterne muͤſſen doch etwas zu leben ha-
ben, und warum ſolten ihnen die Cometen nicht zur
Nahrung dienen koͤnnen? Sie kommen ihnen ſehr nahe,
und es iſt eben nicht unmoͤglich, daß ſie gar in ſie hinein
fallen koͤnnen. Jch finde dieſe Gewohnheit allenthalben in
der Welt ſo ſehr eingefuͤhrt, daß es mich wundern ſolte,
wenn die Fixſterne die Mode nicht mitmachten. Die groͤſ-
ſern Thiere freſſen die kleinern, ein groſſer Baum raubt
den kleinen Pflanzen ihre Nahrung, und die maͤchtigern
Menſchen unterdruͤcken die ſchwaͤchern, ob uns gleich
die Sittenlehrer mit einer ernſthaften Mine ſagen, daß
die Menſchen in dieſem Stuͤcke den Fixſternen nicht aͤhn-
lich ſeyn ſolten, welche die Cometen ihres ungeheuren
Schwantzes ohngeachtet blos darum verſchlucken, weil ihr
alzukleiner Koͤrper der alzuſtarken anziehenden Kraft nicht
zu widerſtehen vermoͤgend iſt.

§. 33.

Wenn man es nun vor gewis annehmen will, daß der
Comete des Jahres 1680. binnen 575. Jahren ſeinen Umlauf
verrichtet, und ſieben ſolche Perioden deſſelben zuruͤcke zeh-
let, ſo wird man finden, daß ſie 4028. Jahre ausmachen,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="58"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Erde</fw><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t aber begeben &#x017F;ich nur aus einer Sclaverey in die an-<lb/>
dere: denn &#x017F;o bald &#x017F;ie &#x017F;ich einen andern Fix&#x017F;terne na&#x0364;hern,<lb/>
&#x017F;o bema&#x0364;chtigt er &#x017F;ich der&#x017F;elbigen durch &#x017F;eine anziehende<lb/>
Kraft, und no&#x0364;thigt &#x017F;ie aufs neue um ihn herum zu lauffen,<lb/>
da es denn gar leichte ge&#x017F;chehen kann, daß &#x017F;ie &#x017F;ich wieder<lb/>
in einer <hi rendition="#fr">ellipti&#x017F;chen</hi> Bahn bewegen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;es hat<lb/>
mich auf einen wunderlichen Einfall gebracht, welcher &#x017F;ich<lb/>
derge&#x017F;talt in mein Gemu&#x0364;the einge&#x017F;chlichen hat, daß ich ihn<lb/>
nicht los werden kann, ob ich &#x017F;chon &#x017F;ehe, daß er &#x017F;ich nicht<lb/>
erwei&#x017F;en la&#x0364;ßt. Jch wolte denen Sonnen oder Fix&#x017F;ternen &#x017F;o<lb/>
gerne eine Nahrung ver&#x017F;chaffen, weil ich es nicht gerne<lb/>
&#x017F;ehe, wenn &#x017F;ie einmal verbrennen &#x017F;olten; wie wa&#x0364;re es nun,<lb/>
wenn wir ihnen die <hi rendition="#fr">Cometen</hi> zu ihrer Spei&#x017F;e verordne-<lb/>
ten? die armen Fix&#x017F;terne mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en doch etwas zu leben ha-<lb/>
ben, und warum &#x017F;olten ihnen die <hi rendition="#fr">Cometen</hi> nicht zur<lb/>
Nahrung dienen ko&#x0364;nnen? Sie kommen ihnen &#x017F;ehr nahe,<lb/>
und es i&#x017F;t eben nicht unmo&#x0364;glich, daß &#x017F;ie gar in &#x017F;ie hinein<lb/>
fallen ko&#x0364;nnen. Jch finde die&#x017F;e Gewohnheit allenthalben in<lb/>
der Welt &#x017F;o &#x017F;ehr eingefu&#x0364;hrt, daß es mich wundern &#x017F;olte,<lb/>
wenn die Fix&#x017F;terne die Mode nicht mitmachten. Die gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern Thiere fre&#x017F;&#x017F;en die kleinern, ein gro&#x017F;&#x017F;er Baum raubt<lb/>
den kleinen Pflanzen ihre Nahrung, und die ma&#x0364;chtigern<lb/>
Men&#x017F;chen unterdru&#x0364;cken die &#x017F;chwa&#x0364;chern, ob uns gleich<lb/>
die Sittenlehrer mit einer ern&#x017F;thaften Mine &#x017F;agen, daß<lb/>
die Men&#x017F;chen in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke den Fix&#x017F;ternen nicht a&#x0364;hn-<lb/>
lich &#x017F;eyn &#x017F;olten, welche die <hi rendition="#fr">Cometen</hi> ihres ungeheuren<lb/>
Schwantzes ohngeachtet blos darum ver&#x017F;chlucken, weil ihr<lb/>
alzukleiner Ko&#x0364;rper der alzu&#x017F;tarken anziehenden Kraft nicht<lb/>
zu wider&#x017F;tehen vermo&#x0364;gend i&#x017F;t.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 33.</head><lb/>
        <p>Wenn man es nun vor gewis annehmen will, daß der<lb/><hi rendition="#fr">Comete</hi> des Jahres 1680. binnen 575. Jahren &#x017F;einen Umlauf<lb/>
verrichtet, und &#x017F;ieben &#x017F;olche Perioden de&#x017F;&#x017F;elben zuru&#x0364;cke zeh-<lb/>
let, &#x017F;o wird man finden, daß &#x017F;ie 4028. Jahre ausmachen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0072] Geſchichte der Erde ſelbſt aber begeben ſich nur aus einer Sclaverey in die an- dere: denn ſo bald ſie ſich einen andern Fixſterne naͤhern, ſo bemaͤchtigt er ſich derſelbigen durch ſeine anziehende Kraft, und noͤthigt ſie aufs neue um ihn herum zu lauffen, da es denn gar leichte geſchehen kann, daß ſie ſich wieder in einer elliptiſchen Bahn bewegen muͤſſen. Dieſes hat mich auf einen wunderlichen Einfall gebracht, welcher ſich dergeſtalt in mein Gemuͤthe eingeſchlichen hat, daß ich ihn nicht los werden kann, ob ich ſchon ſehe, daß er ſich nicht erweiſen laͤßt. Jch wolte denen Sonnen oder Fixſternen ſo gerne eine Nahrung verſchaffen, weil ich es nicht gerne ſehe, wenn ſie einmal verbrennen ſolten; wie waͤre es nun, wenn wir ihnen die Cometen zu ihrer Speiſe verordne- ten? die armen Fixſterne muͤſſen doch etwas zu leben ha- ben, und warum ſolten ihnen die Cometen nicht zur Nahrung dienen koͤnnen? Sie kommen ihnen ſehr nahe, und es iſt eben nicht unmoͤglich, daß ſie gar in ſie hinein fallen koͤnnen. Jch finde dieſe Gewohnheit allenthalben in der Welt ſo ſehr eingefuͤhrt, daß es mich wundern ſolte, wenn die Fixſterne die Mode nicht mitmachten. Die groͤſ- ſern Thiere freſſen die kleinern, ein groſſer Baum raubt den kleinen Pflanzen ihre Nahrung, und die maͤchtigern Menſchen unterdruͤcken die ſchwaͤchern, ob uns gleich die Sittenlehrer mit einer ernſthaften Mine ſagen, daß die Menſchen in dieſem Stuͤcke den Fixſternen nicht aͤhn- lich ſeyn ſolten, welche die Cometen ihres ungeheuren Schwantzes ohngeachtet blos darum verſchlucken, weil ihr alzukleiner Koͤrper der alzuſtarken anziehenden Kraft nicht zu widerſtehen vermoͤgend iſt. §. 33. Wenn man es nun vor gewis annehmen will, daß der Comete des Jahres 1680. binnen 575. Jahren ſeinen Umlauf verrichtet, und ſieben ſolche Perioden deſſelben zuruͤcke zeh- let, ſo wird man finden, daß ſie 4028. Jahre ausmachen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/72
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/72>, abgerufen am 24.11.2024.