Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Erde
das ganze menschliche Geschlecht, die Elemente samt
allen Geschöpffen, einen Theil desselben ausmachen, der-
gestalt, daß nur eine Substanz in der ganzen Welt sey,
die nur durch verschiedene Gestalten, Eigenschaften, und
innere Zusammenfügung zu besondern Dingen geworden,
wie das Wasser allemal wesentlich Wasser bleibe, od es
gleich die Gestalt des Schnees, Hagels, Eises und Re-
gens bekomme. Sie beschreiben dis ursprüngliche We-
sen, als eine reine, helle, zarte und unendliche Sub-
stanz,
die weder entstehen noch aufhören kan, nicht nur
an sich selbst vollkommen, sondern auch die Vollkommen-
heit aller andern Dinge ist, sich in beständiger Ruhe be-
findet, doch ohne Herz, Tugend, Verstand oder Gewalt,
indem die Haupteigenschaft ihres Wesens darinne besteht,
weder jemals zu würken, noch das geringste zu verstehen,
oder zu wollen.

§. 14.

Alle diese angeführten Meinungen von dem Ursprun-
ge der Welt haben zu unsern Zeiten wenig oder gar keine
Anhänger gefunden, desto grösser aber ist der Beyfall ge-
wesen, welchen sich drey neuere Weltweisen mit der Er-
zehlung der Erzeugungsgeschichte der Erde erworben ha-
ben. Dieses ist der berühmte Des Cartes in Frankreich,
und in Engelland Burnet und Whiston gewesen, ich
werde also das Vergnügen haben meinen Lesern die Ein-
fälle dieser grossen Weltweisen, nebst meinen Anmerkun-
gen mitzutheilen. Cartesius suchte mehr selbst eine wi-
tzige Vorstellung von der Schöpfung zu erfinden, als
die von Mose ertheilte Beschreibung zu erklären. Wir
müssen uns mit ihm einen grossen Klumpen von diaman-
tener Härte einbilden, welchen GOtt durch seine Allmacht
zerschmettert und in Stücken geschlagen, zugleich aber
auch eine Bewegung hineingebracht, wodurch es denn ge-
schehen, daß sich die Theilgen dieser Materie heftig an-

ein-

Geſchichte der Erde
das ganze menſchliche Geſchlecht, die Elemente ſamt
allen Geſchoͤpffen, einen Theil deſſelben ausmachen, der-
geſtalt, daß nur eine Subſtanz in der ganzen Welt ſey,
die nur durch verſchiedene Geſtalten, Eigenſchaften, und
innere Zuſammenfuͤgung zu beſondern Dingen geworden,
wie das Waſſer allemal weſentlich Waſſer bleibe, od es
gleich die Geſtalt des Schnees, Hagels, Eiſes und Re-
gens bekomme. Sie beſchreiben dis urſpruͤngliche We-
ſen, als eine reine, helle, zarte und unendliche Sub-
ſtanz,
die weder entſtehen noch aufhoͤren kan, nicht nur
an ſich ſelbſt vollkommen, ſondern auch die Vollkommen-
heit aller andern Dinge iſt, ſich in beſtaͤndiger Ruhe be-
findet, doch ohne Herz, Tugend, Verſtand oder Gewalt,
indem die Haupteigenſchaft ihres Weſens darinne beſteht,
weder jemals zu wuͤrken, noch das geringſte zu verſtehen,
oder zu wollen.

§. 14.

Alle dieſe angefuͤhrten Meinungen von dem Urſprun-
ge der Welt haben zu unſern Zeiten wenig oder gar keine
Anhaͤnger gefunden, deſto groͤſſer aber iſt der Beyfall ge-
weſen, welchen ſich drey neuere Weltweiſen mit der Er-
zehlung der Erzeugungsgeſchichte der Erde erworben ha-
ben. Dieſes iſt der beruͤhmte Des Cartes in Frankreich,
und in Engelland Burnet und Whiſton geweſen, ich
werde alſo das Vergnuͤgen haben meinen Leſern die Ein-
faͤlle dieſer groſſen Weltweiſen, nebſt meinen Anmerkun-
gen mitzutheilen. Carteſius ſuchte mehr ſelbſt eine wi-
tzige Vorſtellung von der Schoͤpfung zu erfinden, als
die von Moſe ertheilte Beſchreibung zu erklaͤren. Wir
muͤſſen uns mit ihm einen groſſen Klumpen von diaman-
tener Haͤrte einbilden, welchen GOtt durch ſeine Allmacht
zerſchmettert und in Stuͤcken geſchlagen, zugleich aber
auch eine Bewegung hineingebracht, wodurch es denn ge-
ſchehen, daß ſich die Theilgen dieſer Materie heftig an-

ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="28"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Erde</fw><lb/>
das ganze men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht, die <hi rendition="#fr">Elemente</hi> &#x017F;amt<lb/>
allen Ge&#x017F;cho&#x0364;pffen, einen Theil de&#x017F;&#x017F;elben ausmachen, der-<lb/>
ge&#x017F;talt, daß nur eine <hi rendition="#fr">Sub&#x017F;tanz</hi> in der ganzen Welt &#x017F;ey,<lb/>
die nur durch ver&#x017F;chiedene Ge&#x017F;talten, Eigen&#x017F;chaften, und<lb/>
innere Zu&#x017F;ammenfu&#x0364;gung zu be&#x017F;ondern Dingen geworden,<lb/>
wie das Wa&#x017F;&#x017F;er allemal we&#x017F;entlich Wa&#x017F;&#x017F;er bleibe, od es<lb/>
gleich die Ge&#x017F;talt des Schnees, Hagels, Ei&#x017F;es und Re-<lb/>
gens bekomme. Sie be&#x017F;chreiben dis ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche We-<lb/>
&#x017F;en, als eine reine, helle, zarte und unendliche <hi rendition="#fr">Sub-<lb/>
&#x017F;tanz,</hi> die weder ent&#x017F;tehen noch aufho&#x0364;ren kan, nicht nur<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t vollkommen, &#x017F;ondern auch die Vollkommen-<lb/>
heit aller andern Dinge i&#x017F;t, &#x017F;ich in be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Ruhe be-<lb/>
findet, doch ohne Herz, Tugend, Ver&#x017F;tand oder Gewalt,<lb/>
indem die Haupteigen&#x017F;chaft ihres We&#x017F;ens darinne be&#x017F;teht,<lb/>
weder jemals zu wu&#x0364;rken, noch das gering&#x017F;te zu ver&#x017F;tehen,<lb/>
oder zu wollen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 14.</head><lb/>
        <p>Alle die&#x017F;e angefu&#x0364;hrten Meinungen von dem Ur&#x017F;prun-<lb/>
ge der Welt haben zu un&#x017F;ern Zeiten wenig oder gar keine<lb/>
Anha&#x0364;nger gefunden, de&#x017F;to gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er aber i&#x017F;t der Beyfall ge-<lb/>
we&#x017F;en, welchen &#x017F;ich drey neuere Weltwei&#x017F;en mit der Er-<lb/>
zehlung der Erzeugungsge&#x017F;chichte der Erde erworben ha-<lb/>
ben. Die&#x017F;es i&#x017F;t der beru&#x0364;hmte <hi rendition="#fr">Des Cartes</hi> in Frankreich,<lb/>
und in Engelland <hi rendition="#fr">Burnet</hi> und <hi rendition="#fr">Whi&#x017F;ton</hi> gewe&#x017F;en, ich<lb/>
werde al&#x017F;o das Vergnu&#x0364;gen haben meinen Le&#x017F;ern die Ein-<lb/>
fa&#x0364;lle die&#x017F;er gro&#x017F;&#x017F;en Weltwei&#x017F;en, neb&#x017F;t meinen Anmerkun-<lb/>
gen mitzutheilen. <hi rendition="#fr">Carte&#x017F;ius</hi> &#x017F;uchte mehr &#x017F;elb&#x017F;t eine wi-<lb/>
tzige Vor&#x017F;tellung von der Scho&#x0364;pfung zu erfinden, als<lb/>
die von Mo&#x017F;e ertheilte Be&#x017F;chreibung zu erkla&#x0364;ren. Wir<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en uns mit ihm einen gro&#x017F;&#x017F;en Klumpen von diaman-<lb/>
tener Ha&#x0364;rte einbilden, welchen GOtt durch &#x017F;eine Allmacht<lb/>
zer&#x017F;chmettert und in Stu&#x0364;cken ge&#x017F;chlagen, zugleich aber<lb/>
auch eine Bewegung hineingebracht, wodurch es denn ge-<lb/>
&#x017F;chehen, daß &#x017F;ich die Theilgen die&#x017F;er Materie heftig an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0036] Geſchichte der Erde das ganze menſchliche Geſchlecht, die Elemente ſamt allen Geſchoͤpffen, einen Theil deſſelben ausmachen, der- geſtalt, daß nur eine Subſtanz in der ganzen Welt ſey, die nur durch verſchiedene Geſtalten, Eigenſchaften, und innere Zuſammenfuͤgung zu beſondern Dingen geworden, wie das Waſſer allemal weſentlich Waſſer bleibe, od es gleich die Geſtalt des Schnees, Hagels, Eiſes und Re- gens bekomme. Sie beſchreiben dis urſpruͤngliche We- ſen, als eine reine, helle, zarte und unendliche Sub- ſtanz, die weder entſtehen noch aufhoͤren kan, nicht nur an ſich ſelbſt vollkommen, ſondern auch die Vollkommen- heit aller andern Dinge iſt, ſich in beſtaͤndiger Ruhe be- findet, doch ohne Herz, Tugend, Verſtand oder Gewalt, indem die Haupteigenſchaft ihres Weſens darinne beſteht, weder jemals zu wuͤrken, noch das geringſte zu verſtehen, oder zu wollen. §. 14. Alle dieſe angefuͤhrten Meinungen von dem Urſprun- ge der Welt haben zu unſern Zeiten wenig oder gar keine Anhaͤnger gefunden, deſto groͤſſer aber iſt der Beyfall ge- weſen, welchen ſich drey neuere Weltweiſen mit der Er- zehlung der Erzeugungsgeſchichte der Erde erworben ha- ben. Dieſes iſt der beruͤhmte Des Cartes in Frankreich, und in Engelland Burnet und Whiſton geweſen, ich werde alſo das Vergnuͤgen haben meinen Leſern die Ein- faͤlle dieſer groſſen Weltweiſen, nebſt meinen Anmerkun- gen mitzutheilen. Carteſius ſuchte mehr ſelbſt eine wi- tzige Vorſtellung von der Schoͤpfung zu erfinden, als die von Moſe ertheilte Beſchreibung zu erklaͤren. Wir muͤſſen uns mit ihm einen groſſen Klumpen von diaman- tener Haͤrte einbilden, welchen GOtt durch ſeine Allmacht zerſchmettert und in Stuͤcken geſchlagen, zugleich aber auch eine Bewegung hineingebracht, wodurch es denn ge- ſchehen, daß ſich die Theilgen dieſer Materie heftig an- ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/36
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/36>, abgerufen am 25.11.2024.