Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

in den allerältesten Zeiten.
erinnert sich nicht gehört zu haben, daß es jemals Arme-
nische
Mönche oder Carmeliter auf diesen Berge gege-
ben: indem alle Klöster unten in der Ebene liegen. Ich
glaube auch nicht, daß diese Gegend an irgend einen an-
dern Orte zur Bewohnung bequem sey, weil der ganze
Boden des Ararats lose oder mit Schnee bedeckt ist; ja
es scheinet so gar, als ob sich dieser Berg beständig zer-
stöhre. Von dem Gipfel einer grossen Tiefe, dem Dorf
Arkulu, auf der Strasse von Erivan gegen über, wo
wir herkamen, fallen unaufhörlich grosse Stücke von ei-
nem schwärzlichten harten Steine herab, die einen entsetz-
lichen Schall verursachen. Man findet auf denselben kei-
ne lebendigen Geschöpfe, als unten am Fuße und gegen die
Mitte des Berges. In der erstern Gegend halten sich
arme Hirten mit reudigem Vieh auf, und findet man da-
selbst ein und anderes Rebhun. Die andere Gegend wird
von Krähen und Tiegern bewohnt, welche bey uns vor-
beygegangen nicht ohne verursachte Furcht. Der ganze
übrige Berg, das ist die andere Hälfte desselben, ist seit
der Zeit, da sich die Arche daselbst niedergelassen, mit
Schnee bedeckt gewesen, und dieser Schnee ist meist das
halbe Jahr hindurch mit Wolken bedecket. Das aller-
beschwerlichste und hinderlichste bey diesem Berge ist, daß
der geschmoltzene Schnee durch häufige Wellen in die
Tiefe läuft, denen man nicht beykommen kan, und deren
Wasser so trübe ist, als irgend das Wasser einer Landfluth
bey dem heftigsten Sturm. Alle diese Quellen machen
den Strom aus, der bey Akurlu schiesset, und niemals
helle wird. Sie trinken das Wasser trübe das ganze Jahr
hindurch. Wir fanden dasselbe aber angenehmer als den
besten Wein. Es ist allezeit eiskalt, und hat gar keinen
modrigen Geschmack. Der Bestürzung ohngeachtet,
worin uns diese schreckliche Einöde setzte, bemüheten wir
uns doch das vorgegebene Kloster zu finden, und spüreten
nach, ob nicht in den Hölen einige Einsiedler möchten

ange-
F 5

in den alleraͤlteſten Zeiten.
erinnert ſich nicht gehoͤrt zu haben, daß es jemals Arme-
niſche
Moͤnche oder Carmeliter auf dieſen Berge gege-
ben: indem alle Kloͤſter unten in der Ebene liegen. Ich
glaube auch nicht, daß dieſe Gegend an irgend einen an-
dern Orte zur Bewohnung bequem ſey, weil der ganze
Boden des Ararats loſe oder mit Schnee bedeckt iſt; ja
es ſcheinet ſo gar, als ob ſich dieſer Berg beſtaͤndig zer-
ſtoͤhre. Von dem Gipfel einer groſſen Tiefe, dem Dorf
Arkulu, auf der Straſſe von Erivan gegen uͤber, wo
wir herkamen, fallen unaufhoͤrlich groſſe Stuͤcke von ei-
nem ſchwaͤrzlichten harten Steine herab, die einen entſetz-
lichen Schall verurſachen. Man findet auf denſelben kei-
ne lebendigen Geſchoͤpfe, als unten am Fuße und gegen die
Mitte des Berges. In der erſtern Gegend halten ſich
arme Hirten mit reudigem Vieh auf, und findet man da-
ſelbſt ein und anderes Rebhun. Die andere Gegend wird
von Kraͤhen und Tiegern bewohnt, welche bey uns vor-
beygegangen nicht ohne verurſachte Furcht. Der ganze
uͤbrige Berg, das iſt die andere Haͤlfte deſſelben, iſt ſeit
der Zeit, da ſich die Arche daſelbſt niedergelaſſen, mit
Schnee bedeckt geweſen, und dieſer Schnee iſt meiſt das
halbe Jahr hindurch mit Wolken bedecket. Das aller-
beſchwerlichſte und hinderlichſte bey dieſem Berge iſt, daß
der geſchmoltzene Schnee durch haͤufige Wellen in die
Tiefe laͤuft, denen man nicht beykommen kan, und deren
Waſſer ſo truͤbe iſt, als irgend das Waſſer einer Landfluth
bey dem heftigſten Sturm. Alle dieſe Quellen machen
den Strom aus, der bey Akurlu ſchieſſet, und niemals
helle wird. Sie trinken das Waſſer truͤbe das ganze Jahr
hindurch. Wir fanden daſſelbe aber angenehmer als den
beſten Wein. Es iſt allezeit eiskalt, und hat gar keinen
modrigen Geſchmack. Der Beſtuͤrzung ohngeachtet,
worin uns dieſe ſchreckliche Einoͤde ſetzte, bemuͤheten wir
uns doch das vorgegebene Kloſter zu finden, und ſpuͤreten
nach, ob nicht in den Hoͤlen einige Einſiedler moͤchten

ange-
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="89"/><fw place="top" type="header">in den allera&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten.</fw><lb/>
erinnert &#x017F;ich nicht geho&#x0364;rt zu haben, daß es jemals <hi rendition="#fr">Arme-<lb/>
ni&#x017F;che</hi> Mo&#x0364;nche oder <hi rendition="#fr">Carmeliter</hi> auf die&#x017F;en Berge gege-<lb/>
ben: indem alle Klo&#x0364;&#x017F;ter unten in der Ebene liegen. Ich<lb/>
glaube auch nicht, daß die&#x017F;e Gegend an irgend einen an-<lb/>
dern Orte zur Bewohnung bequem &#x017F;ey, weil der ganze<lb/>
Boden des <hi rendition="#fr">Ararats</hi> lo&#x017F;e oder mit Schnee bedeckt i&#x017F;t; ja<lb/>
es &#x017F;cheinet &#x017F;o gar, als ob &#x017F;ich die&#x017F;er Berg be&#x017F;ta&#x0364;ndig zer-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;hre. Von dem Gipfel einer gro&#x017F;&#x017F;en Tiefe, dem Dorf<lb/><hi rendition="#fr">Arkulu,</hi> auf der Stra&#x017F;&#x017F;e von <hi rendition="#fr">Erivan</hi> gegen u&#x0364;ber, wo<lb/>
wir herkamen, fallen unaufho&#x0364;rlich gro&#x017F;&#x017F;e Stu&#x0364;cke von ei-<lb/>
nem &#x017F;chwa&#x0364;rzlichten harten Steine herab, die einen ent&#x017F;etz-<lb/>
lichen Schall verur&#x017F;achen. Man findet auf den&#x017F;elben kei-<lb/>
ne lebendigen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, als unten am Fuße und gegen die<lb/>
Mitte des Berges. In der er&#x017F;tern Gegend halten &#x017F;ich<lb/>
arme Hirten mit reudigem Vieh auf, und findet man da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ein und anderes Rebhun. Die andere Gegend wird<lb/>
von Kra&#x0364;hen und Tiegern bewohnt, welche bey uns vor-<lb/>
beygegangen nicht ohne verur&#x017F;achte Furcht. Der ganze<lb/>
u&#x0364;brige Berg, das i&#x017F;t die andere Ha&#x0364;lfte de&#x017F;&#x017F;elben, i&#x017F;t &#x017F;eit<lb/>
der Zeit, da &#x017F;ich die Arche da&#x017F;elb&#x017F;t niedergela&#x017F;&#x017F;en, mit<lb/>
Schnee bedeckt gewe&#x017F;en, und die&#x017F;er Schnee i&#x017F;t mei&#x017F;t das<lb/>
halbe Jahr hindurch mit Wolken bedecket. Das aller-<lb/>
be&#x017F;chwerlich&#x017F;te und hinderlich&#x017F;te bey die&#x017F;em Berge i&#x017F;t, daß<lb/>
der ge&#x017F;chmoltzene Schnee durch ha&#x0364;ufige Wellen in die<lb/>
Tiefe la&#x0364;uft, denen man nicht beykommen kan, und deren<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;o tru&#x0364;be i&#x017F;t, als irgend das Wa&#x017F;&#x017F;er einer Landfluth<lb/>
bey dem heftig&#x017F;ten Sturm. Alle die&#x017F;e Quellen machen<lb/>
den Strom aus, der bey <hi rendition="#fr">Akurlu</hi> &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;et, und niemals<lb/>
helle wird. Sie trinken das Wa&#x017F;&#x017F;er tru&#x0364;be das ganze Jahr<lb/>
hindurch. Wir fanden da&#x017F;&#x017F;elbe aber angenehmer als den<lb/>
be&#x017F;ten Wein. Es i&#x017F;t allezeit eiskalt, und hat gar keinen<lb/>
modrigen Ge&#x017F;chmack. Der Be&#x017F;tu&#x0364;rzung ohngeachtet,<lb/>
worin uns die&#x017F;e &#x017F;chreckliche Eino&#x0364;de &#x017F;etzte, bemu&#x0364;heten wir<lb/>
uns doch das vorgegebene Klo&#x017F;ter zu finden, und &#x017F;pu&#x0364;reten<lb/>
nach, ob nicht in den Ho&#x0364;len einige Ein&#x017F;iedler mo&#x0364;chten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ange-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0103] in den alleraͤlteſten Zeiten. erinnert ſich nicht gehoͤrt zu haben, daß es jemals Arme- niſche Moͤnche oder Carmeliter auf dieſen Berge gege- ben: indem alle Kloͤſter unten in der Ebene liegen. Ich glaube auch nicht, daß dieſe Gegend an irgend einen an- dern Orte zur Bewohnung bequem ſey, weil der ganze Boden des Ararats loſe oder mit Schnee bedeckt iſt; ja es ſcheinet ſo gar, als ob ſich dieſer Berg beſtaͤndig zer- ſtoͤhre. Von dem Gipfel einer groſſen Tiefe, dem Dorf Arkulu, auf der Straſſe von Erivan gegen uͤber, wo wir herkamen, fallen unaufhoͤrlich groſſe Stuͤcke von ei- nem ſchwaͤrzlichten harten Steine herab, die einen entſetz- lichen Schall verurſachen. Man findet auf denſelben kei- ne lebendigen Geſchoͤpfe, als unten am Fuße und gegen die Mitte des Berges. In der erſtern Gegend halten ſich arme Hirten mit reudigem Vieh auf, und findet man da- ſelbſt ein und anderes Rebhun. Die andere Gegend wird von Kraͤhen und Tiegern bewohnt, welche bey uns vor- beygegangen nicht ohne verurſachte Furcht. Der ganze uͤbrige Berg, das iſt die andere Haͤlfte deſſelben, iſt ſeit der Zeit, da ſich die Arche daſelbſt niedergelaſſen, mit Schnee bedeckt geweſen, und dieſer Schnee iſt meiſt das halbe Jahr hindurch mit Wolken bedecket. Das aller- beſchwerlichſte und hinderlichſte bey dieſem Berge iſt, daß der geſchmoltzene Schnee durch haͤufige Wellen in die Tiefe laͤuft, denen man nicht beykommen kan, und deren Waſſer ſo truͤbe iſt, als irgend das Waſſer einer Landfluth bey dem heftigſten Sturm. Alle dieſe Quellen machen den Strom aus, der bey Akurlu ſchieſſet, und niemals helle wird. Sie trinken das Waſſer truͤbe das ganze Jahr hindurch. Wir fanden daſſelbe aber angenehmer als den beſten Wein. Es iſt allezeit eiskalt, und hat gar keinen modrigen Geſchmack. Der Beſtuͤrzung ohngeachtet, worin uns dieſe ſchreckliche Einoͤde ſetzte, bemuͤheten wir uns doch das vorgegebene Kloſter zu finden, und ſpuͤreten nach, ob nicht in den Hoͤlen einige Einſiedler moͤchten ange- F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/103
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/103>, abgerufen am 22.11.2024.