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Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.

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Gestaltung zu, das kann noch niemand übersehen; auch das Frauen-
wahlrecht ist ganz abhängig von dem was kommen wird. Es ist zu
beachten, daß das jetzige Stimmrecht zunächst nur für die konstitu-
ierende Nationalversammlung des Deutschen Reiches und die ent-
sprechenden Versammlungen der Bundesstaaten gilt. Jn deren Be-
ratungen soll die neue deutsche Verfassung gegeben werden, zu deren
Bereich auch Feststellung der Art und Weise des künftig geltenden Wahl-
rechts gehört. Es ist aber kaum anzunehmen, daß der einmal ein-
geführte Gedanke der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter
wieder verschwinden wird, so daß, wie es auch kommen mag, die Frau
ihre Stellung neben dem Mann im Staatsleben erhalten wird.

Es ist klar, daß nunmehr das Frauenstimmrecht sich auch außer-
halb der Politik überall geltend machen wird, wo Männer und
Frauen gemeinsam einer Organisation angehören. Das Gemeinde-
wahlrecht
ist hier an erster Stelle zu nennen, das vereinzelt und
in beschränktem Maße den deutschen Frauen schon zugänglich war.
Da die Kriegsarbeit überall in Deutschland die Frauen in die Rat-
häuser als Helferinnen eingeführt hat, so werden sie sich als voll-
berechtigte Bürgerinnen in der Gemeindearbeit zunächst auch am
sichersten fühlen. Ferner ist die Durchführung des kirchlichen
Frauenwahlrechtes
zu vermuten, denn nach der beabsichtigten
Trennung von Staat und Kirche wird die letztere noch mehr als
bisher auf die Anteilnahme und Mitarbeit ihrer Gemeinde sich stützen
müssen. Und endlich muß noch in Bezug auf das Frauenstimmrecht
auf das soziale Versicherungswesen, auf die Berufsorganisationen
aller Art, sowie auf die sonstigen, zum Wohl des Ganzen dienenden
öffentlichen und privaten Einrichtungen hingewiesen werden. Welch
eine Fülle von Verantwortung wird damit dem weiblichen Geschlecht
zugewiesen.

Wenn nun aber jetzt in den Frauen der Mahnruf zur Aus-
übung ihrer staatsbürgerlichen Pflicht Widerhall gefunden und den
Willen zur Tat wach gerufen hat, so tauchen bei ihnen zugleich eine
ganze Reihe von Fragen auf: "Was habe ich denn nun zu tun?
Wie wähle ich? Wen wähle ich? Zu welcher Körperschaft wähle ich?
Welcher Partei soll ich mich anschließen? So bedauerlich es ist, daß
ein großer Teil der Frauen den politischen Fragen unseres Reiches
bisher unwissend und gleichgültig gegenüberstand und darum von
dem jetzigen Zusammenbruch alles Bestehenden noch viel mehr über-
rascht worden ist als die Männer im allgemeinen, so ist diese Un-
wissenheit doch erklärlich und bis zu einem gewissen Grad entschuld-
bar. Denn das weibliche Geschlecht war in Deutschland mit Bezug
auf politische Tätigkeit irgend welcher Art in einen Zauberkreis ge-
bannt, aus dem einen Ausweg zu finden unter der alten Regierungs-
form unmöglich schien. Und da der Frau die Anteilnahme am staat-
lichen Leben versagt war, wurde es ihr auch sehr erschwert, eigene
Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln, vor allem fehlte der äußere
Antrieb, der in die Augen springende praktische Zweck zur Anteil-
nahme an der Politik. Das ist nun mit einem Schlage anders ge-

Gestaltung zu, das kann noch niemand übersehen; auch das Frauen-
wahlrecht ist ganz abhängig von dem was kommen wird. Es ist zu
beachten, daß das jetzige Stimmrecht zunächst nur für die konstitu-
ierende Nationalversammlung des Deutschen Reiches und die ent-
sprechenden Versammlungen der Bundesstaaten gilt. Jn deren Be-
ratungen soll die neue deutsche Verfassung gegeben werden, zu deren
Bereich auch Feststellung der Art und Weise des künftig geltenden Wahl-
rechts gehört. Es ist aber kaum anzunehmen, daß der einmal ein-
geführte Gedanke der politischen Gleichberechtigung der Geschlechter
wieder verschwinden wird, so daß, wie es auch kommen mag, die Frau
ihre Stellung neben dem Mann im Staatsleben erhalten wird.

Es ist klar, daß nunmehr das Frauenstimmrecht sich auch außer-
halb der Politik überall geltend machen wird, wo Männer und
Frauen gemeinsam einer Organisation angehören. Das Gemeinde-
wahlrecht
ist hier an erster Stelle zu nennen, das vereinzelt und
in beschränktem Maße den deutschen Frauen schon zugänglich war.
Da die Kriegsarbeit überall in Deutschland die Frauen in die Rat-
häuser als Helferinnen eingeführt hat, so werden sie sich als voll-
berechtigte Bürgerinnen in der Gemeindearbeit zunächst auch am
sichersten fühlen. Ferner ist die Durchführung des kirchlichen
Frauenwahlrechtes
zu vermuten, denn nach der beabsichtigten
Trennung von Staat und Kirche wird die letztere noch mehr als
bisher auf die Anteilnahme und Mitarbeit ihrer Gemeinde sich stützen
müssen. Und endlich muß noch in Bezug auf das Frauenstimmrecht
auf das soziale Versicherungswesen, auf die Berufsorganisationen
aller Art, sowie auf die sonstigen, zum Wohl des Ganzen dienenden
öffentlichen und privaten Einrichtungen hingewiesen werden. Welch
eine Fülle von Verantwortung wird damit dem weiblichen Geschlecht
zugewiesen.

Wenn nun aber jetzt in den Frauen der Mahnruf zur Aus-
übung ihrer staatsbürgerlichen Pflicht Widerhall gefunden und den
Willen zur Tat wach gerufen hat, so tauchen bei ihnen zugleich eine
ganze Reihe von Fragen auf: „Was habe ich denn nun zu tun?
Wie wähle ich? Wen wähle ich? Zu welcher Körperschaft wähle ich?
Welcher Partei soll ich mich anschließen? So bedauerlich es ist, daß
ein großer Teil der Frauen den politischen Fragen unseres Reiches
bisher unwissend und gleichgültig gegenüberstand und darum von
dem jetzigen Zusammenbruch alles Bestehenden noch viel mehr über-
rascht worden ist als die Männer im allgemeinen, so ist diese Un-
wissenheit doch erklärlich und bis zu einem gewissen Grad entschuld-
bar. Denn das weibliche Geschlecht war in Deutschland mit Bezug
auf politische Tätigkeit irgend welcher Art in einen Zauberkreis ge-
bannt, aus dem einen Ausweg zu finden unter der alten Regierungs-
form unmöglich schien. Und da der Frau die Anteilnahme am staat-
lichen Leben versagt war, wurde es ihr auch sehr erschwert, eigene
Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln, vor allem fehlte der äußere
Antrieb, der in die Augen springende praktische Zweck zur Anteil-
nahme an der Politik. Das ist nun mit einem Schlage anders ge-

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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-11-24T15:36:09Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/7>, abgerufen am 24.11.2024.