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Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.

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deren Vertreter nach außender Mann war. Nach innen zu
sicherten Sitte und Gewohnheit der Frau ein vielfach recht umfang-
reiches Herrschaftsrecht, wie es noch heute die Bäuerin in manchen
Gegenden hat. Aber wir wissen ja alle, daß die wirtschaftliche
Entwicklung der letzten 100 Jahre einen großen Teil der Frauen,
auch der verheirateten, aus dem gesicherten Hort der Familie heraus-
gerissen, und in das außerhäusliche Erwerbsleben hineingestellt hat,
sodaß sie direkte Mitarbeiterinnen der öffentlichen Volkswirtschaft
wurden. Es ist in erster Linie diese Tatsache, das Einrücken der
weiblichen Millionenscharen in das Erwerbsleben, was zur politischen
Betätigung der Frau führen muß. Darum ist auch die Berufs-
organisation das erste Stück politischer Erziehung für die Frauen
gewesen. Ganz naturgemäß, denn die dem wirtschaftlichen Kampf
ums Dasein Ausgesetzte empfand am eigenen Leibe die starke Ab-
hängigkeit ihres Lebens mit seinem Wohl und Wehe von den staat-
lichen Maßnahmen. Es wäre ein unhaltbarer Zustand, wenn die
für Frauen geltenden Gesetze auch in alle Zukunft nur von Männern
geschrieben und gehandhabt würden, die tatsächlich nicht imstande
sind, alle Jnteressen des weiblichen Geschlechts zu erfassen. Das
ist kein Vorwurf gegen den Mann, sondern besagt nur, daß Mann
und Frau etwas von Natur verschiedenes sind. Beweis dafür sind
eine Fülle von dringenden Wünschen der Frauen, die immer wieder
in den Tiefen des männlichen Papierkorbes verschwanden.

Als die Frauen vor etlichen Jahrzehnten anfingen, nach einer
eigenen Freiheit und Selbständigkeit zu streben, galt es manchen
von ihnen als wünschenswertes Ziel, alles so zu tun und zu können
wie der Mann. Sie merkten dabei nicht, daß sie auf diese Weise
wesentliches von ihrem Besten einbüßen würden, daß sie dagegen
sich und der Menschheit am erfolgreichsten dienen könnten in der
vollen Ausgestaltung und Betätigung ihrer weiblichen Veranlagung.
Heute ist es uns klar, daß Mann und Frau wie zwei Kreise sind, die
sich zwar teilweise aber nicht vollständig decken, daß sie ein gemeinsames
Bereich des allgemein Menschlichen haben und dazu jedes sein be-
sonderes Gebiet von männlicher bezw. weiblicher Eigenart. Für die
gewerbliche Arbeit hat man ihre Verschiedenheit so ausgedrückt: "Die
starke Hand und der geschickte Finger." Diese Erkenntnis wird auch
in der Politik eine wichtige Rolle spielen, denn Mann und Frau
werden in manchen Fragen einheitlich denken, andere aber von
verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten.

Der Pionierstaat für das Frauenstimmrecht ist Wyoming in
Nordamerika gewesen, der schon 1869 dasselbe einführte. Später
sind die Vereinigten Staaten nach und nach zu dem Prinzip über-
gegangen, sowie auch Australien. Jn Europa haben Finnland,
Norwegen und Dänemark innerhalb der letzten 12 Jahre den Frauen
das Stimmrecht gegeben. Jn Norwegen wählten bei ihrem ersten
Wahlgang 1909 90 v. H. aller stimmberechtigten Staatsbürgerinnen.
Jn allen diesen Ländern hat sich ein guter Einfluß der Frauen auf
die staatlichen Maßnahmen im Sinne ihrer Wünsche für das eigene

deren Vertreter nach außender Mann war. Nach innen zu
sicherten Sitte und Gewohnheit der Frau ein vielfach recht umfang-
reiches Herrschaftsrecht, wie es noch heute die Bäuerin in manchen
Gegenden hat. Aber wir wissen ja alle, daß die wirtschaftliche
Entwicklung der letzten 100 Jahre einen großen Teil der Frauen,
auch der verheirateten, aus dem gesicherten Hort der Familie heraus-
gerissen, und in das außerhäusliche Erwerbsleben hineingestellt hat,
sodaß sie direkte Mitarbeiterinnen der öffentlichen Volkswirtschaft
wurden. Es ist in erster Linie diese Tatsache, das Einrücken der
weiblichen Millionenscharen in das Erwerbsleben, was zur politischen
Betätigung der Frau führen muß. Darum ist auch die Berufs-
organisation das erste Stück politischer Erziehung für die Frauen
gewesen. Ganz naturgemäß, denn die dem wirtschaftlichen Kampf
ums Dasein Ausgesetzte empfand am eigenen Leibe die starke Ab-
hängigkeit ihres Lebens mit seinem Wohl und Wehe von den staat-
lichen Maßnahmen. Es wäre ein unhaltbarer Zustand, wenn die
für Frauen geltenden Gesetze auch in alle Zukunft nur von Männern
geschrieben und gehandhabt würden, die tatsächlich nicht imstande
sind, alle Jnteressen des weiblichen Geschlechts zu erfassen. Das
ist kein Vorwurf gegen den Mann, sondern besagt nur, daß Mann
und Frau etwas von Natur verschiedenes sind. Beweis dafür sind
eine Fülle von dringenden Wünschen der Frauen, die immer wieder
in den Tiefen des männlichen Papierkorbes verschwanden.

Als die Frauen vor etlichen Jahrzehnten anfingen, nach einer
eigenen Freiheit und Selbständigkeit zu streben, galt es manchen
von ihnen als wünschenswertes Ziel, alles so zu tun und zu können
wie der Mann. Sie merkten dabei nicht, daß sie auf diese Weise
wesentliches von ihrem Besten einbüßen würden, daß sie dagegen
sich und der Menschheit am erfolgreichsten dienen könnten in der
vollen Ausgestaltung und Betätigung ihrer weiblichen Veranlagung.
Heute ist es uns klar, daß Mann und Frau wie zwei Kreise sind, die
sich zwar teilweise aber nicht vollständig decken, daß sie ein gemeinsames
Bereich des allgemein Menschlichen haben und dazu jedes sein be-
sonderes Gebiet von männlicher bezw. weiblicher Eigenart. Für die
gewerbliche Arbeit hat man ihre Verschiedenheit so ausgedrückt: „Die
starke Hand und der geschickte Finger.“ Diese Erkenntnis wird auch
in der Politik eine wichtige Rolle spielen, denn Mann und Frau
werden in manchen Fragen einheitlich denken, andere aber von
verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachten.

Der Pionierstaat für das Frauenstimmrecht ist Wyoming in
Nordamerika gewesen, der schon 1869 dasselbe einführte. Später
sind die Vereinigten Staaten nach und nach zu dem Prinzip über-
gegangen, sowie auch Australien. Jn Europa haben Finnland,
Norwegen und Dänemark innerhalb der letzten 12 Jahre den Frauen
das Stimmrecht gegeben. Jn Norwegen wählten bei ihrem ersten
Wahlgang 1909 90 v. H. aller stimmberechtigten Staatsbürgerinnen.
Jn allen diesen Ländern hat sich ein guter Einfluß der Frauen auf
die staatlichen Maßnahmen im Sinne ihrer Wünsche für das eigene

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-24T15:36:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-11-24T15:36:09Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/5>, abgerufen am 24.11.2024.