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Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.

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Parteien an, denn nur auf diese Weise könnt ihr politisch wirken.
Nun aber kommt die außerordentlich schwerwiegende Frage für die
Frauen, im Rahmen welcher Partei sollen wir nun wählen, welcher
Partei sollen wir uns anschließen? Diese Frage ist um so schwieriger,
weil die deutsche Revolution vom 9. November auch für das Partei-
wesen einen Umsturz herbeigeführt hat, aus dem erst allmählich sich
etwas neues herausgestaltet. Die meisten Parteiprogramme sind
null und nichtig geworden, die bürgerlichen Parteien haben alle ihre
Namen geändert, sind teilweise auseinandergefallen und haben sich
in einer anderen Gruppierung zusammengeschlossen. Diese Schrift,
die wie gesagt für keine Partei Werbearbeit besorgen will, kann sich
nur darauf beschränken, die neue Parteiordnung anzuführen. Die am
stärksten rechts stehende Partei, die ehemaligen Konservativen, denen
sich noch einige kleinere Gruppen ähnlicher Richtung angeschlossen
haben, nennen sich jetzt: Deutsch-nationale Volkspartei. Das frühere
Zentrum, also die katholisch-politische Partei, heißt jetzt: Christlich
Demokratische Volkspartei. Die Nationalliberalen und die Fortschrittliche
Volkspartei, die den rechten und linken Flügel des Liberalismus
bildeten, haben sich nunmehr, nach Überbrückung einer anfänglichen
bedauernswerten Uneinigkeit, zur Deutschen Demokratischen Partei zu-
sammengeschlossen. Und endlich ist die Partei der Linken, die
Sozialdemokratie, in drei Gruppen getrennt. Die gemäßigte, d. h.
die Mehrheitssozialisten (so genannt, weil sie zu der Reichstagsmehr-
heit gehörten, die im Juli 1917 die Friedensresolution beschloß)
sammeln sich um Ebert und Scheidemann. Die in ihren sozialistischen
Forderungen sehr viel schärfer auftretenden Unabhängigen Sozial-
demokraten werden von Haase und Ledebour geführt. Die aus der
Novemberrevolution hervorgegangene Regierung setzt sich aus Ver-
tretern dieser beiden Gruppen zusammen. Endlich die radikalste der
Linksparteien, die Spartakusgruppe, die bei uns den Bolschewismus
und die absolute Herrschaft ihrer Überzeugung ohne Anteilnahme
der übrigen Parteien an der Regierung, also die Diktatur einer
einzelnen Klasse
vertritt, schart sich um Liebknecht und Rosa
Luxemburg. Vom Standpunkt der Frau sei zu diesen verschiedenen
Parteien nur das eine gesagt, daß sie als der körperlich schwächere
Teil der Menschheit dort am sichersten und besten aufgehoben ist, wo
Ordnung, Sitte und Gerechtigkeit regiert, daß sie aber auf alle Fälle
da unterliegen muß, wo eine einseitige Gewaltherrschaft die Oberhand
hat, weil sie der Gewalt gegenüber keine Waffe besitzt.

An dieser Stelle soll noch eine erklärende Bemerkung ein-
geschoben werden, um einer häufig vorkommenden Verwechslung der
Parteinamen entgegenzutreten. Jn den verschiedenen Bezeichnungen
kommt mehrmals das Wort "demokratisch" in Verbindung mit anderen
Begriffen vor, oder auch das Wort "Volkspartei". Das ist im Grunde
ein und dasselbe, denn demos ist das griechische Wort für Volk und
bedeutet die Gesamtheit der in einem Staat zusammengeschlossenen
Menschheitsgruppe. Also jede Partei, die für die Anteilnahme des
ganzen Volkes und nicht nur für diejenige einzelner Volksklassen an

Parteien an, denn nur auf diese Weise könnt ihr politisch wirken.
Nun aber kommt die außerordentlich schwerwiegende Frage für die
Frauen, im Rahmen welcher Partei sollen wir nun wählen, welcher
Partei sollen wir uns anschließen? Diese Frage ist um so schwieriger,
weil die deutsche Revolution vom 9. November auch für das Partei-
wesen einen Umsturz herbeigeführt hat, aus dem erst allmählich sich
etwas neues herausgestaltet. Die meisten Parteiprogramme sind
null und nichtig geworden, die bürgerlichen Parteien haben alle ihre
Namen geändert, sind teilweise auseinandergefallen und haben sich
in einer anderen Gruppierung zusammengeschlossen. Diese Schrift,
die wie gesagt für keine Partei Werbearbeit besorgen will, kann sich
nur darauf beschränken, die neue Parteiordnung anzuführen. Die am
stärksten rechts stehende Partei, die ehemaligen Konservativen, denen
sich noch einige kleinere Gruppen ähnlicher Richtung angeschlossen
haben, nennen sich jetzt: Deutsch-nationale Volkspartei. Das frühere
Zentrum, also die katholisch-politische Partei, heißt jetzt: Christlich
Demokratische Volkspartei. Die Nationalliberalen und die Fortschrittliche
Volkspartei, die den rechten und linken Flügel des Liberalismus
bildeten, haben sich nunmehr, nach Überbrückung einer anfänglichen
bedauernswerten Uneinigkeit, zur Deutschen Demokratischen Partei zu-
sammengeschlossen. Und endlich ist die Partei der Linken, die
Sozialdemokratie, in drei Gruppen getrennt. Die gemäßigte, d. h.
die Mehrheitssozialisten (so genannt, weil sie zu der Reichstagsmehr-
heit gehörten, die im Juli 1917 die Friedensresolution beschloß)
sammeln sich um Ebert und Scheidemann. Die in ihren sozialistischen
Forderungen sehr viel schärfer auftretenden Unabhängigen Sozial-
demokraten werden von Haase und Ledebour geführt. Die aus der
Novemberrevolution hervorgegangene Regierung setzt sich aus Ver-
tretern dieser beiden Gruppen zusammen. Endlich die radikalste der
Linksparteien, die Spartakusgruppe, die bei uns den Bolschewismus
und die absolute Herrschaft ihrer Überzeugung ohne Anteilnahme
der übrigen Parteien an der Regierung, also die Diktatur einer
einzelnen Klasse
vertritt, schart sich um Liebknecht und Rosa
Luxemburg. Vom Standpunkt der Frau sei zu diesen verschiedenen
Parteien nur das eine gesagt, daß sie als der körperlich schwächere
Teil der Menschheit dort am sichersten und besten aufgehoben ist, wo
Ordnung, Sitte und Gerechtigkeit regiert, daß sie aber auf alle Fälle
da unterliegen muß, wo eine einseitige Gewaltherrschaft die Oberhand
hat, weil sie der Gewalt gegenüber keine Waffe besitzt.

An dieser Stelle soll noch eine erklärende Bemerkung ein-
geschoben werden, um einer häufig vorkommenden Verwechslung der
Parteinamen entgegenzutreten. Jn den verschiedenen Bezeichnungen
kommt mehrmals das Wort „demokratisch“ in Verbindung mit anderen
Begriffen vor, oder auch das Wort „Volkspartei“. Das ist im Grunde
ein und dasselbe, denn demos ist das griechische Wort für Volk und
bedeutet die Gesamtheit der in einem Staat zusammengeschlossenen
Menschheitsgruppe. Also jede Partei, die für die Anteilnahme des
ganzen Volkes und nicht nur für diejenige einzelner Volksklassen an

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[11/0011] Parteien an, denn nur auf diese Weise könnt ihr politisch wirken. Nun aber kommt die außerordentlich schwerwiegende Frage für die Frauen, im Rahmen welcher Partei sollen wir nun wählen, welcher Partei sollen wir uns anschließen? Diese Frage ist um so schwieriger, weil die deutsche Revolution vom 9. November auch für das Partei- wesen einen Umsturz herbeigeführt hat, aus dem erst allmählich sich etwas neues herausgestaltet. Die meisten Parteiprogramme sind null und nichtig geworden, die bürgerlichen Parteien haben alle ihre Namen geändert, sind teilweise auseinandergefallen und haben sich in einer anderen Gruppierung zusammengeschlossen. Diese Schrift, die wie gesagt für keine Partei Werbearbeit besorgen will, kann sich nur darauf beschränken, die neue Parteiordnung anzuführen. Die am stärksten rechts stehende Partei, die ehemaligen Konservativen, denen sich noch einige kleinere Gruppen ähnlicher Richtung angeschlossen haben, nennen sich jetzt: Deutsch-nationale Volkspartei. Das frühere Zentrum, also die katholisch-politische Partei, heißt jetzt: Christlich Demokratische Volkspartei. Die Nationalliberalen und die Fortschrittliche Volkspartei, die den rechten und linken Flügel des Liberalismus bildeten, haben sich nunmehr, nach Überbrückung einer anfänglichen bedauernswerten Uneinigkeit, zur Deutschen Demokratischen Partei zu- sammengeschlossen. Und endlich ist die Partei der Linken, die Sozialdemokratie, in drei Gruppen getrennt. Die gemäßigte, d. h. die Mehrheitssozialisten (so genannt, weil sie zu der Reichstagsmehr- heit gehörten, die im Juli 1917 die Friedensresolution beschloß) sammeln sich um Ebert und Scheidemann. Die in ihren sozialistischen Forderungen sehr viel schärfer auftretenden Unabhängigen Sozial- demokraten werden von Haase und Ledebour geführt. Die aus der Novemberrevolution hervorgegangene Regierung setzt sich aus Ver- tretern dieser beiden Gruppen zusammen. Endlich die radikalste der Linksparteien, die Spartakusgruppe, die bei uns den Bolschewismus und die absolute Herrschaft ihrer Überzeugung ohne Anteilnahme der übrigen Parteien an der Regierung, also die Diktatur einer einzelnen Klasse vertritt, schart sich um Liebknecht und Rosa Luxemburg. Vom Standpunkt der Frau sei zu diesen verschiedenen Parteien nur das eine gesagt, daß sie als der körperlich schwächere Teil der Menschheit dort am sichersten und besten aufgehoben ist, wo Ordnung, Sitte und Gerechtigkeit regiert, daß sie aber auf alle Fälle da unterliegen muß, wo eine einseitige Gewaltherrschaft die Oberhand hat, weil sie der Gewalt gegenüber keine Waffe besitzt. An dieser Stelle soll noch eine erklärende Bemerkung ein- geschoben werden, um einer häufig vorkommenden Verwechslung der Parteinamen entgegenzutreten. Jn den verschiedenen Bezeichnungen kommt mehrmals das Wort „demokratisch“ in Verbindung mit anderen Begriffen vor, oder auch das Wort „Volkspartei“. Das ist im Grunde ein und dasselbe, denn demos ist das griechische Wort für Volk und bedeutet die Gesamtheit der in einem Staat zusammengeschlossenen Menschheitsgruppe. Also jede Partei, die für die Anteilnahme des ganzen Volkes und nicht nur für diejenige einzelner Volksklassen an  

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-24T15:36:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-11-24T15:36:09Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/11>, abgerufen am 24.11.2024.