Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.sich auf die Kosten solcher Thoren macht, allezeit ein billiges Misvergnügen mit ein- schleicht. Man murret unter der heimli- chen Freude über den Schandfleck, welchen ein Muffel und ein Tempelstolz der ganzen menschlichen Natur anhängen. Der Stolz, der scheinheilige Betrug, und die schändliche Unwissenheit an ihnen, als an Lehrern des unbändigen Pöbels, sind um so viel strafbarer, weil sie mehr Unglück in dem Staate anrichten, als die groben Ver- brechen, welche mit dem Tode der Verbre- cher ausgerottet werden. Wahrmund. Bald nöthigen sie mich, den Aus- spruch zu thun, daß sie für ein Frauenzim- mer viel zu scharfsinnig sind. Doch, nein, ich bin anietzt nicht nur vollkommen mit mir selbst zufrieden, da ich sehe, daß mei- ne wenige Lehrstunden sie so frey und rich- tig dencken gelehret, sondern ich kan es auch der Natur nicht genug verdanken, daß sie nicht alle Schönheiten nur für die Augen erschaffen hat. Es ist sonst ein allgemei- ner Fehler der Schönen, daß sie ziemlich scharfsichtig die kleinsten Versehen der Mannspersonen einsehen, beurtheilen, und belachen, die grösten Fehler der Geistlichen aber mit einem ehrerbietigen Stillschweigen übergehen. Als ich mich neulich meiner Angelegenheiten wegen in B*** aufhalten muste, hatte ich eines Tages die Ehre in ei- ner vornehmen Gesellschaft zu seyn. Nach vielen C 5
ſich auf die Koſten ſolcher Thoren macht, allezeit ein billiges Misvergnuͤgen mit ein- ſchleicht. Man murret unter der heimli- chen Freude uͤber den Schandfleck, welchen ein Muffel und ein Tempelſtolz der ganzen menſchlichen Natur anhaͤngen. Der Stolz, der ſcheinheilige Betrug, und die ſchaͤndliche Unwiſſenheit an ihnen, als an Lehrern des unbaͤndigen Poͤbels, ſind um ſo viel ſtrafbarer, weil ſie mehr Ungluͤck in dem Staate anrichten, als die groben Ver- brechen, welche mit dem Tode der Verbre- cher ausgerottet werden. Wahrmund. Bald noͤthigen ſie mich, den Aus- ſpruch zu thun, daß ſie fuͤr ein Frauenzim- mer viel zu ſcharfſinnig ſind. Doch, nein, ich bin anietzt nicht nur vollkommen mit mir ſelbſt zufrieden, da ich ſehe, daß mei- ne wenige Lehrſtunden ſie ſo frey und rich- tig dencken gelehret, ſondern ich kan es auch der Natur nicht genug verdanken, daß ſie nicht alle Schoͤnheiten nur fuͤr die Augen erſchaffen hat. Es iſt ſonſt ein allgemei- ner Fehler der Schoͤnen, daß ſie ziemlich ſcharfſichtig die kleinſten Verſehen der Mannsperſonen einſehen, beurtheilen, und belachen, die groͤſten Fehler der Geiſtlichen aber mit einem ehrerbietigen Stillſchweigen uͤbergehen. Als ich mich neulich meiner Angelegenheiten wegen in B*** aufhalten muſte, hatte ich eines Tages die Ehre in ei- ner vornehmen Geſellſchaft zu ſeyn. Nach vielen C 5
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chen Freude uͤber den Schandfleck, welchen
ein Muffel und ein Tempelſtolz der ganzen
menſchlichen Natur anhaͤngen. Der
Stolz, der ſcheinheilige Betrug, und die
ſchaͤndliche Unwiſſenheit an ihnen, als an
Lehrern des unbaͤndigen Poͤbels, ſind um
ſo viel ſtrafbarer, weil ſie mehr Ungluͤck in
dem Staate anrichten, als die groben Ver-
brechen, welche mit dem Tode der Verbre-
cher ausgerottet werden.
Wahrmund. Bald noͤthigen ſie mich, den Aus-
ſpruch zu thun, daß ſie fuͤr ein Frauenzim-
mer viel zu ſcharfſinnig ſind. Doch, nein,
ich bin anietzt nicht nur vollkommen mit
mir ſelbſt zufrieden, da ich ſehe, daß mei-
ne wenige Lehrſtunden ſie ſo frey und rich-
tig dencken gelehret, ſondern ich kan es auch
der Natur nicht genug verdanken, daß ſie
nicht alle Schoͤnheiten nur fuͤr die Augen
erſchaffen hat. Es iſt ſonſt ein allgemei-
ner Fehler der Schoͤnen, daß ſie ziemlich
ſcharfſichtig die kleinſten Verſehen der
Mannsperſonen einſehen, beurtheilen, und
belachen, die groͤſten Fehler der Geiſtlichen
aber mit einem ehrerbietigen Stillſchweigen
uͤbergehen. Als ich mich neulich meiner
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muſte, hatte ich eines Tages die Ehre in ei-
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