Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.nen, ohne es selbst zu wissen. Sie halten diese heimliche Liebe für nichts anders, als für einen ihnen vom Himmel eingegebenen Trieb, dem Herrn Tartüffe Gutes zu thun. Dieser Trieb wird sodann so rasend, daß sie alles, was sie ihren Männern heimlich entwenden können, dem Herrn Tartüffe ins Haus bringen. Muffel. Darüber geräth aber der Bürger zu- weilen, ohne zu wissen wie es zugeht, in die empfindlichste Armuth? Tempelst. Was ist daran gelegen? wenn der Geistliche nur reich dadurch wird. Muffel. Das ist endlich wahr, dafür hilft der Priester den Bürger auch in den Himmel. Aber stehen die Herrn Stadtprediger auch in solchem Ansehen, als wir bey dem Bauer? Tempelst. Warum zweifeln sie daran? der Vornehme läßt sich öfters ärger betrügen als der Bauer. Herr Tartüffe nannte mir eine gewisse junge Gräfin, einen Geheimen Rath, und eine der reichsten Bürgerfrauen in der Stadt, welche den Augenblick an ihrer Seligkeit verzweifeln würden, wann sie eine von seinen Predigten versäumten. Der Gräfin hat er neulich das tausendjäh- rige Reich abgeschildert, und zugleich die Vorzüge beschrieben, welche darin das un- verheyrathete Frauenzimmer vor dem an- dern haben würde. Hiedurch hat er eine Heyrath eines vornehmen Kriegesbedienten hintertrieben, weil die Gräfin mehr als an- dre C 3
nen, ohne es ſelbſt zu wiſſen. Sie halten dieſe heimliche Liebe fuͤr nichts anders, als fuͤr einen ihnen vom Himmel eingegebenen Trieb, dem Herrn Tartuͤffe Gutes zu thun. Dieſer Trieb wird ſodann ſo raſend, daß ſie alles, was ſie ihren Maͤnnern heimlich entwenden koͤnnen, dem Herrn Tartuͤffe ins Haus bringen. Muffel. Daruͤber geraͤth aber der Buͤrger zu- weilen, ohne zu wiſſen wie es zugeht, in die empfindlichſte Armuth? Tempelſt. Was iſt daran gelegen? wenn der Geiſtliche nur reich dadurch wird. Muffel. Das iſt endlich wahr, dafuͤr hilft der Prieſter den Buͤrger auch in den Himmel. Aber ſtehen die Herrn Stadtprediger auch in ſolchem Anſehen, als wir bey dem Bauer? Tempelſt. Warum zweifeln ſie daran? der Vornehme laͤßt ſich oͤfters aͤrger betruͤgen als der Bauer. Herr Tartuͤffe nannte mir eine gewiſſe junge Graͤfin, einen Geheimen Rath, und eine der reichſten Buͤrgerfrauen in der Stadt, welche den Augenblick an ihrer Seligkeit verzweifeln wuͤrden, wann ſie eine von ſeinen Predigten verſaͤumten. Der Graͤfin hat er neulich das tauſendjaͤh- rige Reich abgeſchildert, und zugleich die Vorzuͤge beſchrieben, welche darin das un- verheyrathete Frauenzimmer vor dem an- dern haben wuͤrde. Hiedurch hat er eine Heyrath eines vornehmen Kriegesbedienten hintertrieben, weil die Graͤfin mehr als an- dre C 3
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fuͤr einen ihnen vom Himmel eingegebenen
Trieb, dem Herrn Tartuͤffe Gutes zu thun.
Dieſer Trieb wird ſodann ſo raſend, daß
ſie alles, was ſie ihren Maͤnnern heimlich
entwenden koͤnnen, dem Herrn Tartuͤffe
ins Haus bringen.
Muffel. Daruͤber geraͤth aber der Buͤrger zu-
weilen, ohne zu wiſſen wie es zugeht, in die
empfindlichſte Armuth?
Tempelſt. Was iſt daran gelegen? wenn der
Geiſtliche nur reich dadurch wird.
Muffel. Das iſt endlich wahr, dafuͤr hilft der
Prieſter den Buͤrger auch in den Himmel.
Aber ſtehen die Herrn Stadtprediger auch
in ſolchem Anſehen, als wir bey dem Bauer?
Tempelſt. Warum zweifeln ſie daran? der
Vornehme laͤßt ſich oͤfters aͤrger betruͤgen
als der Bauer. Herr Tartuͤffe nannte mir
eine gewiſſe junge Graͤfin, einen Geheimen
Rath, und eine der reichſten Buͤrgerfrauen
in der Stadt, welche den Augenblick an
ihrer Seligkeit verzweifeln wuͤrden, wann
ſie eine von ſeinen Predigten verſaͤumten.
Der Graͤfin hat er neulich das tauſendjaͤh-
rige Reich abgeſchildert, und zugleich die
Vorzuͤge beſchrieben, welche darin das un-
verheyrathete Frauenzimmer vor dem an-
dern haben wuͤrde. Hiedurch hat er eine
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hintertrieben, weil die Graͤfin mehr als an-
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