Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.Heilswahrheit. Nach der ersten Absolutorialprüfung hörten die Rektoratsermahnungen gänzlich auf. Im Geschichtsunterrichte hatte ich allgemeine Geschichte der alten Zeit zu lehren. Ich liess hier nichts memorieren als einige sorgfältig von mir ausgearbeitete Tabellen mit Zahlen, Namen und Tatsachen, erzählte dazu frei und anschaulich und liess die Schüler im Lehrbuche und anderen Geschichtswerken die betreffenden Abschnitte nachlesen und so gut sie konnten wiedergeben. Repetiert wurde durch Zurückgreifen auf Vorereignisse und durch Vergleiche mit ähnlichen oder anders gearteten Vorgängen. Diese Methode schlug gut an, erregte das Interesse der Schüler und erzielte sichere Kenntnisse. Manche Schüler dankten mir später besonders für den Geschichtsunterricht. Im hebräischen Sprachunterricht begab es sich, dass auch solche, die nicht Theologie zu studieren beabsichtigten, sich in grösserer Zahl dazu meldeten. Ich richtete deshalb 3 Abtheilungen ein statt der vorgeschriebenen 2 Abtheilungen. Die gefordertesten Schüler nahm ich hinterher auf mein Zimmer zu leichter, kursorischer Lektüre. Meine Professur war ziemlich überraschend an mich gekommen, so forderte die Vorbereitung für die verschiedenen Fächer und Abtheilungen viel Arbeit und auch Mühe. Eine sehr unangenehme Überraschung eröffnete mir im Laufe des 1. Schuljahres der Rektor durch die Mitttheilung, dass mein Gehalt abgemindert sei. Er hatte mir beim Antritt der Stelle eine Gehaltserhöhung in ziemlich sichere Aussicht gestellt. Da ich 20 Wochenstunden zu ertheilen hatte und dafür 800 Gulden (= 1371 Mark) bezog, so war eine Aufbesserung wohl am Platze. Nun kam eine Ministerialverfügung, durch welche die Bezüge fast aller Lehrer der Anstalt aufgebessert wurden, mein Gehalt aber 750 Gulden betragen sollte. Bei näherer Prüfung ergab sich, dass für den hebr. Sprachunterricht nichts ausgeworfen war. Daraufhin erklärte ich dem entsetzten Rektor, dass ich demnach kein Hebräisch mehr unterrichten und baldigst die Anstalt verlassen werde. Der Erfolg war, Heilswahrheit. Nach der ersten Absolutorialprüfung hörten die Rektoratsermahnungen gänzlich auf. Im Geschichtsunterrichte hatte ich allgemeine Geschichte der alten Zeit zu lehren. Ich liess hier nichts memorieren als einige sorgfältig von mir ausgearbeitete Tabellen mit Zahlen, Namen und Tatsachen, erzählte dazu frei und anschaulich und liess die Schüler im Lehrbuche und anderen Geschichtswerken die betreffenden Abschnitte nachlesen und so gut sie konnten wiedergeben. Repetiert wurde durch Zurückgreifen auf Vorereignisse und durch Vergleiche mit ähnlichen oder anders gearteten Vorgängen. Diese Methode schlug gut an, erregte das Interesse der Schüler und erzielte sichere Kenntnisse. Manche Schüler dankten mir später besonders für den Geschichtsunterricht. Im hebräischen Sprachunterricht begab es sich, dass auch solche, die nicht Theologie zu studieren beabsichtigten, sich in grösserer Zahl dazu meldeten. Ich richtete deshalb 3 Abtheilungen ein statt der vorgeschriebenen 2 Abtheilungen. Die gefordertesten Schüler nahm ich hinterher auf mein Zimmer zu leichter, kursorischer Lektüre. Meine Professur war ziemlich überraschend an mich gekommen, so forderte die Vorbereitung für die verschiedenen Fächer und Abtheilungen viel Arbeit und auch Mühe. Eine sehr unangenehme Überraschung eröffnete mir im Laufe des 1. Schuljahres der Rektor durch die Mitttheilung, dass mein Gehalt abgemindert sei. Er hatte mir beim Antritt der Stelle eine Gehaltserhöhung in ziemlich sichere Aussicht gestellt. Da ich 20 Wochenstunden zu ertheilen hatte und dafür 800 Gulden (= 1371 Mark) bezog, so war eine Aufbesserung wohl am Platze. Nun kam eine Ministerialverfügung, durch welche die Bezüge fast aller Lehrer der Anstalt aufgebessert wurden, mein Gehalt aber 750 Gulden betragen sollte. Bei näherer Prüfung ergab sich, dass für den hebr. Sprachunterricht nichts ausgeworfen war. Daraufhin erklärte ich dem entsetzten Rektor, dass ich demnach kein Hebräisch mehr unterrichten und baldigst die Anstalt verlassen werde. Der Erfolg war, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="63"/> Heilswahrheit. Nach der ersten Absolutorialprüfung hörten die Rektoratsermahnungen gänzlich auf.</p> <p>Im Geschichtsunterrichte hatte ich allgemeine Geschichte der alten Zeit zu lehren. Ich liess hier nichts memorieren als einige sorgfältig von mir ausgearbeitete Tabellen mit Zahlen, Namen und Tatsachen, erzählte dazu frei und anschaulich und liess die Schüler im Lehrbuche und anderen Geschichtswerken die betreffenden Abschnitte nachlesen und so gut sie konnten wiedergeben. Repetiert wurde durch Zurückgreifen auf Vorereignisse und durch Vergleiche mit ähnlichen oder anders gearteten Vorgängen. Diese Methode schlug gut an, erregte das Interesse der Schüler und erzielte sichere Kenntnisse. Manche Schüler dankten mir später besonders für den Geschichtsunterricht.</p> <p>Im hebräischen Sprachunterricht begab es sich, dass auch solche, die nicht Theologie zu studieren beabsichtigten, sich in grösserer Zahl dazu meldeten. Ich richtete deshalb 3 Abtheilungen ein statt der vorgeschriebenen 2 Abtheilungen. Die gefordertesten Schüler nahm ich hinterher auf mein Zimmer zu leichter, kursorischer Lektüre.</p> <p>Meine Professur war ziemlich überraschend an mich gekommen, so forderte die Vorbereitung für die verschiedenen Fächer und Abtheilungen viel Arbeit und auch Mühe.</p> <p>Eine sehr unangenehme Überraschung eröffnete mir im Laufe des 1. Schuljahres der Rektor durch die Mitttheilung, dass mein Gehalt abgemindert sei. Er hatte mir beim Antritt der Stelle eine Gehaltserhöhung in ziemlich sichere Aussicht gestellt. Da ich 20 Wochenstunden zu ertheilen hatte und dafür 800 Gulden (= 1371 Mark) bezog, so war eine Aufbesserung wohl am Platze. Nun kam eine Ministerialverfügung, durch welche die Bezüge fast aller Lehrer der Anstalt aufgebessert wurden, mein Gehalt aber 750 Gulden betragen sollte. Bei näherer Prüfung ergab sich, dass für den hebr. Sprachunterricht nichts ausgeworfen war. Daraufhin erklärte ich dem entsetzten Rektor, dass ich demnach kein Hebräisch mehr unterrichten und baldigst die Anstalt verlassen werde. Der Erfolg war, </p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0063]
Heilswahrheit. Nach der ersten Absolutorialprüfung hörten die Rektoratsermahnungen gänzlich auf.
Im Geschichtsunterrichte hatte ich allgemeine Geschichte der alten Zeit zu lehren. Ich liess hier nichts memorieren als einige sorgfältig von mir ausgearbeitete Tabellen mit Zahlen, Namen und Tatsachen, erzählte dazu frei und anschaulich und liess die Schüler im Lehrbuche und anderen Geschichtswerken die betreffenden Abschnitte nachlesen und so gut sie konnten wiedergeben. Repetiert wurde durch Zurückgreifen auf Vorereignisse und durch Vergleiche mit ähnlichen oder anders gearteten Vorgängen. Diese Methode schlug gut an, erregte das Interesse der Schüler und erzielte sichere Kenntnisse. Manche Schüler dankten mir später besonders für den Geschichtsunterricht.
Im hebräischen Sprachunterricht begab es sich, dass auch solche, die nicht Theologie zu studieren beabsichtigten, sich in grösserer Zahl dazu meldeten. Ich richtete deshalb 3 Abtheilungen ein statt der vorgeschriebenen 2 Abtheilungen. Die gefordertesten Schüler nahm ich hinterher auf mein Zimmer zu leichter, kursorischer Lektüre.
Meine Professur war ziemlich überraschend an mich gekommen, so forderte die Vorbereitung für die verschiedenen Fächer und Abtheilungen viel Arbeit und auch Mühe.
Eine sehr unangenehme Überraschung eröffnete mir im Laufe des 1. Schuljahres der Rektor durch die Mitttheilung, dass mein Gehalt abgemindert sei. Er hatte mir beim Antritt der Stelle eine Gehaltserhöhung in ziemlich sichere Aussicht gestellt. Da ich 20 Wochenstunden zu ertheilen hatte und dafür 800 Gulden (= 1371 Mark) bezog, so war eine Aufbesserung wohl am Platze. Nun kam eine Ministerialverfügung, durch welche die Bezüge fast aller Lehrer der Anstalt aufgebessert wurden, mein Gehalt aber 750 Gulden betragen sollte. Bei näherer Prüfung ergab sich, dass für den hebr. Sprachunterricht nichts ausgeworfen war. Daraufhin erklärte ich dem entsetzten Rektor, dass ich demnach kein Hebräisch mehr unterrichten und baldigst die Anstalt verlassen werde. Der Erfolg war,
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Zitationshilfe: | Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/63>, abgerufen am 16.02.2025. |