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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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in den "Falken", der unsere Reisekasse so übel mitnahm, dass wir nach Bezahlung der Neckarfahrt bis Heidelberg per Dampfboot zusammen keinen Gulden mehr hatten und statt an materiellen Genüssen an der Schönheit des Neckarthales uns labten. In Heidelberg stiegen wir besorgt ans Land. Was nun? Uhren versetzen? Legitimationskarte und Ehrenwort verpfänden? Im Gasthof auf schnell von zu Hause verschriebenes Geld warten? Einen Freund anzupumpen versuchen? Da steht schon der Freund nichtsahnend und sieht der Landung des Dampfbootes zu. Unter seinen Flügeln genossen wir 3 Tage Heidelberg, aber kärglich war der Reisepfennig, den er darbieten konnte. Noch 2 mal musste ich zwischen Heidelberg und Zweibrücken pumpen und dazu mir und dem Vater die Freude des Wiedersehens mit Bitten um schleunige Tilgung meiner Anleihen zu vergällen. Aber schön wars doch!

In meinen 2 letzten Semestern suchte ich die noch vorhandenen Lücken theol. Wissenschaft mit wirklich grossem und anstrengendem Fleisse zu büssen. Jeden Morgen begann ich die Arbeit zwischen 4 und 5 Uhr und setzte sie bis nach 7 Uhr Abends fort. Die Alttestamentliche Professur war endlich besetzt mit Franz Delitsch, dessen Persönlichkeit und Vortrag mich sehr anzogen. Die praktischen Disziplinen lehrte Höfling, der mir im kathechetischen Seminar den Rath gab, doch Kinder in irgend etwas zu unterrichten, da ich mit Kindern nicht umzugehen wisse. Bei Thomasius repetierte ich Dogmatik; Engelhard, der nicht mehr las, sammelte einige Kommilitonen zu einem unentgeltlichen Privatissimum. Bei Schmidtlein wollte ich Kirchenrecht hören, bekam aber bei den meisten Materien nur zu hören: Vergleichen Sie darüber Dobeneck pag. x , oder Richter §so und so viel.

Im August 1851 endete meine Universitätszeit. Dass ich sie ganz in Erlangen zubringen musste, war mir kein Schade. Ich hatte eine gute theologische Stellung gewonnen und das ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde.

Eine grosse Freude war es für mich, als ich kurz vor dem Schlusse des letzten Semesters am schwarzen Brette die Ankündigung

in den ”Falken“, der unsere Reisekasse so übel mitnahm, dass wir nach Bezahlung der Neckarfahrt bis Heidelberg per Dampfboot zusammen keinen Gulden mehr hatten und statt an materiellen Genüssen an der Schönheit des Neckarthales uns labten. In Heidelberg stiegen wir besorgt ans Land. Was nun? Uhren versetzen? Legitimationskarte und Ehrenwort verpfänden? Im Gasthof auf schnell von zu Hause verschriebenes Geld warten? Einen Freund anzupumpen versuchen? Da steht schon der Freund nichtsahnend und sieht der Landung des Dampfbootes zu. Unter seinen Flügeln genossen wir 3 Tage Heidelberg, aber kärglich war der Reisepfennig, den er darbieten konnte. Noch 2 mal musste ich zwischen Heidelberg und Zweibrücken pumpen und dazu mir und dem Vater die Freude des Wiedersehens mit Bitten um schleunige Tilgung meiner Anleihen zu vergällen. Aber schön wars doch!

In meinen 2 letzten Semestern suchte ich die noch vorhandenen Lücken theol. Wissenschaft mit wirklich grossem und anstrengendem Fleisse zu büssen. Jeden Morgen begann ich die Arbeit zwischen 4 und 5 Uhr und setzte sie bis nach 7 Uhr Abends fort. Die Alttestamentliche Professur war endlich besetzt mit Franz Delitsch, dessen Persönlichkeit und Vortrag mich sehr anzogen. Die praktischen Disziplinen lehrte Höfling, der mir im kathechetischen Seminar den Rath gab, doch Kinder in irgend etwas zu unterrichten, da ich mit Kindern nicht umzugehen wisse. Bei Thomasius repetierte ich Dogmatik; Engelhard, der nicht mehr las, sammelte einige Kommilitonen zu einem unentgeltlichen Privatissimum. Bei Schmidtlein wollte ich Kirchenrecht hören, bekam aber bei den meisten Materien nur zu hören: Vergleichen Sie darüber Dobeneck pag. x , oder Richter §so und so viel.

Im August 1851 endete meine Universitätszeit. Dass ich sie ganz in Erlangen zubringen musste, war mir kein Schade. Ich hatte eine gute theologische Stellung gewonnen und das ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde.

Eine grosse Freude war es für mich, als ich kurz vor dem Schlusse des letzten Semesters am schwarzen Brette die Ankündigung

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[37/0037] in den ”Falken“, der unsere Reisekasse so übel mitnahm, dass wir nach Bezahlung der Neckarfahrt bis Heidelberg per Dampfboot zusammen keinen Gulden mehr hatten und statt an materiellen Genüssen an der Schönheit des Neckarthales uns labten. In Heidelberg stiegen wir besorgt ans Land. Was nun? Uhren versetzen? Legitimationskarte und Ehrenwort verpfänden? Im Gasthof auf schnell von zu Hause verschriebenes Geld warten? Einen Freund anzupumpen versuchen? Da steht schon der Freund nichtsahnend und sieht der Landung des Dampfbootes zu. Unter seinen Flügeln genossen wir 3 Tage Heidelberg, aber kärglich war der Reisepfennig, den er darbieten konnte. Noch 2 mal musste ich zwischen Heidelberg und Zweibrücken pumpen und dazu mir und dem Vater die Freude des Wiedersehens mit Bitten um schleunige Tilgung meiner Anleihen zu vergällen. Aber schön wars doch! In meinen 2 letzten Semestern suchte ich die noch vorhandenen Lücken theol. Wissenschaft mit wirklich grossem und anstrengendem Fleisse zu büssen. Jeden Morgen begann ich die Arbeit zwischen 4 und 5 Uhr und setzte sie bis nach 7 Uhr Abends fort. Die Alttestamentliche Professur war endlich besetzt mit Franz Delitsch, dessen Persönlichkeit und Vortrag mich sehr anzogen. Die praktischen Disziplinen lehrte Höfling, der mir im kathechetischen Seminar den Rath gab, doch Kinder in irgend etwas zu unterrichten, da ich mit Kindern nicht umzugehen wisse. Bei Thomasius repetierte ich Dogmatik; Engelhard, der nicht mehr las, sammelte einige Kommilitonen zu einem unentgeltlichen Privatissimum. Bei Schmidtlein wollte ich Kirchenrecht hören, bekam aber bei den meisten Materien nur zu hören: Vergleichen Sie darüber Dobeneck pag. x , oder Richter §so und so viel. Im August 1851 endete meine Universitätszeit. Dass ich sie ganz in Erlangen zubringen musste, war mir kein Schade. Ich hatte eine gute theologische Stellung gewonnen und das ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde. Eine grosse Freude war es für mich, als ich kurz vor dem Schlusse des letzten Semesters am schwarzen Brette die Ankündigung

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/37>, abgerufen am 27.04.2024.