Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.Im Herbste 1847 machte ich das Gymnasialabsolutorium, schleuderte die Schulmappe wortwörtlich in eine Stubenecke und griff nach einer langen Pfeife, welche Bruder Karl mir stiftete in Erinnerung einer Tischermahnung des Vaters, die ich erhielt, als einer, der entlarvt wurde, sich mit Rauchversuchen abzugeben. "Vor dem Absolutorium kommt keine Pfeife in Dein Zimmer!" so lautete der Schluss von Vaters Rede. Als ich ihm nach dem Absolutorium mit der Pfeife entgegentrat, sagte er wohlgelaunt: "Nun meinetwegen, aber ein Schornstein auf dem Hause wäre genug gewesen." Die Mutter braute mir und dem Doppelquartett einen Abendpunsch, nach dessen Aufsaugung wir auszogen, um unsere respektiven Flammen durch nächtliche Gesangständchen zu stören. Am folgenden Abend erschien das gesamte Lehrerkollegium bei unserer Abschiedsfeier und tröstete sich mit uns darüber, dass wir voneinander schieden. So schloss meine Schulzeit mit einem schönen Akkord. Wie ein Idyll verlief sie mir im Schutz des Elternhauses unter mir zusagender Beschäftigung und im Kreise meist lieber Kameraden. Politische Stürme, soziale Wirren und religiöse Streitigkeiten bewegten den Strom der Zeit und meinen darauf hingleitenden Kahn nicht. Schulsachen und Liebhabereien bildeten den Unterhaltungsstoff unter den Klassenkameraden. Dem Studentenleben vorgreifende Schulverbindungen gab es nicht. In der Oberklasse wurden hie und da unter stillen Premissen des Lehrerkollegiums kurze Kneipabende mit wenig Bierverbrauch gehalten. Unanständigkeiten fanden keinen Beifall. Leider führte weder der Unterricht, noch die Anregung der Professoren gehörig zu der deutschen Litteratur. Auch im Elternhause wurde sie vernachlässigt. Hier lag ein Fehler in meinem Jugendgange. Ich kam später nie dazu, Versäumtes nachzuholen. Im Herbste 1847 machte ich das Gymnasialabsolutorium, schleuderte die Schulmappe wortwörtlich in eine Stubenecke und griff nach einer langen Pfeife, welche Bruder Karl mir stiftete in Erinnerung einer Tischermahnung des Vaters, die ich erhielt, als einer, der entlarvt wurde, sich mit Rauchversuchen abzugeben. ”Vor dem Absolutorium kommt keine Pfeife in Dein Zimmer!“ so lautete der Schluss von Vaters Rede. Als ich ihm nach dem Absolutorium mit der Pfeife entgegentrat, sagte er wohlgelaunt: ”Nun meinetwegen, aber ein Schornstein auf dem Hause wäre genug gewesen.“ Die Mutter braute mir und dem Doppelquartett einen Abendpunsch, nach dessen Aufsaugung wir auszogen, um unsere respektiven Flammen durch nächtliche Gesangständchen zu stören. Am folgenden Abend erschien das gesamte Lehrerkollegium bei unserer Abschiedsfeier und tröstete sich mit uns darüber, dass wir voneinander schieden. So schloss meine Schulzeit mit einem schönen Akkord. Wie ein Idyll verlief sie mir im Schutz des Elternhauses unter mir zusagender Beschäftigung und im Kreise meist lieber Kameraden. Politische Stürme, soziale Wirren und religiöse Streitigkeiten bewegten den Strom der Zeit und meinen darauf hingleitenden Kahn nicht. Schulsachen und Liebhabereien bildeten den Unterhaltungsstoff unter den Klassenkameraden. Dem Studentenleben vorgreifende Schulverbindungen gab es nicht. In der Oberklasse wurden hie und da unter stillen Premissen des Lehrerkollegiums kurze Kneipabende mit wenig Bierverbrauch gehalten. Unanständigkeiten fanden keinen Beifall. Leider führte weder der Unterricht, noch die Anregung der Professoren gehörig zu der deutschen Litteratur. Auch im Elternhause wurde sie vernachlässigt. Hier lag ein Fehler in meinem Jugendgange. Ich kam später nie dazu, Versäumtes nachzuholen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="26"/> Im Herbste 1847 machte ich das Gymnasialabsolutorium, schleuderte die Schulmappe wortwörtlich in eine Stubenecke und griff nach einer langen Pfeife, welche Bruder Karl mir stiftete in Erinnerung einer Tischermahnung des Vaters, die ich erhielt, als einer, der entlarvt wurde, sich mit Rauchversuchen abzugeben. ”Vor dem Absolutorium kommt keine Pfeife in Dein Zimmer!“ so lautete der Schluss von Vaters Rede. Als ich ihm nach dem Absolutorium mit der Pfeife entgegentrat, sagte er wohlgelaunt: ”Nun meinetwegen, aber <hi rendition="#u">ein</hi> Schornstein auf dem Hause wäre genug gewesen.“ Die Mutter braute mir und dem Doppelquartett einen Abendpunsch, nach dessen Aufsaugung wir auszogen, um unsere respektiven Flammen durch nächtliche Gesangständchen zu stören. Am folgenden Abend erschien das gesamte Lehrerkollegium bei unserer Abschiedsfeier und tröstete sich mit uns darüber, dass wir voneinander schieden.</p> <p>So schloss meine Schulzeit mit einem schönen Akkord. Wie ein Idyll verlief sie mir im Schutz des Elternhauses unter mir zusagender Beschäftigung und im Kreise meist lieber Kameraden. Politische Stürme, soziale Wirren und religiöse Streitigkeiten bewegten den Strom der Zeit und meinen darauf hingleitenden Kahn nicht. Schulsachen und Liebhabereien bildeten den Unterhaltungsstoff unter den Klassenkameraden. Dem Studentenleben vorgreifende Schulverbindungen gab es nicht. In der Oberklasse wurden hie und da unter stillen Premissen des Lehrerkollegiums kurze Kneipabende mit wenig Bierverbrauch gehalten. Unanständigkeiten fanden keinen Beifall. Leider führte weder der Unterricht, noch die Anregung der Professoren gehörig zu der deutschen Litteratur. Auch im Elternhause wurde sie vernachlässigt. Hier lag ein Fehler in meinem Jugendgange. Ich kam später nie dazu, Versäumtes nachzuholen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0026]
Im Herbste 1847 machte ich das Gymnasialabsolutorium, schleuderte die Schulmappe wortwörtlich in eine Stubenecke und griff nach einer langen Pfeife, welche Bruder Karl mir stiftete in Erinnerung einer Tischermahnung des Vaters, die ich erhielt, als einer, der entlarvt wurde, sich mit Rauchversuchen abzugeben. ”Vor dem Absolutorium kommt keine Pfeife in Dein Zimmer!“ so lautete der Schluss von Vaters Rede. Als ich ihm nach dem Absolutorium mit der Pfeife entgegentrat, sagte er wohlgelaunt: ”Nun meinetwegen, aber ein Schornstein auf dem Hause wäre genug gewesen.“ Die Mutter braute mir und dem Doppelquartett einen Abendpunsch, nach dessen Aufsaugung wir auszogen, um unsere respektiven Flammen durch nächtliche Gesangständchen zu stören. Am folgenden Abend erschien das gesamte Lehrerkollegium bei unserer Abschiedsfeier und tröstete sich mit uns darüber, dass wir voneinander schieden.
So schloss meine Schulzeit mit einem schönen Akkord. Wie ein Idyll verlief sie mir im Schutz des Elternhauses unter mir zusagender Beschäftigung und im Kreise meist lieber Kameraden. Politische Stürme, soziale Wirren und religiöse Streitigkeiten bewegten den Strom der Zeit und meinen darauf hingleitenden Kahn nicht. Schulsachen und Liebhabereien bildeten den Unterhaltungsstoff unter den Klassenkameraden. Dem Studentenleben vorgreifende Schulverbindungen gab es nicht. In der Oberklasse wurden hie und da unter stillen Premissen des Lehrerkollegiums kurze Kneipabende mit wenig Bierverbrauch gehalten. Unanständigkeiten fanden keinen Beifall. Leider führte weder der Unterricht, noch die Anregung der Professoren gehörig zu der deutschen Litteratur. Auch im Elternhause wurde sie vernachlässigt. Hier lag ein Fehler in meinem Jugendgange. Ich kam später nie dazu, Versäumtes nachzuholen.
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