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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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In der Absolutorialprüfung erlangten 6 die Note I, darunter auch ich, 12 die Note II, 3 die Note III. Wir waren alle überzeugt, dass wir 2 Jahre früher, frisch aus Prof. Butters Hand weg, noch besser abgeschnitten hätten. Der von mir auf die Gymnasialfächer aufgewendete Fleiss war mässig. Aber proprio motu las ich in den Herbstferien Homer, insbesondere die Batrachomyomachie, und vor dem Eintritte in die Oberklasse besserte ich meine Mängel in Geometrie und Algebra aus, sodass ich als guter Mathematiker das Gymnasium verliess.

Viel Eifer und Fleiss verwendete ich während meiner Gymnasialzeit auf Nebenbeschäftigungen und Steckenpferde. Da war vor allem das Klavierspiel, in welchem ich schon frühe Unterricht erhielt. Leider war keiner meiner Lehrer selbst Klavierspieler, so dass mein Unterricht in Bezug auf Technik nicht sachverständig war. Ich übte aber fleissig und brachte es zu einiger Fertigkeit, fand auch Geschmack an klassischer Musik. Erst in der Oberklasse nahm sich meiner Fräul. Marie von Esebeck, später verehelichte von Loe an. Sie hatte in einem Schülerkonzerte mein Spiel gehört und nahm sich desselben an, übte mit mir schwierigere Sachen, spielte auch mit mir 4händig auf einem und auf 2 Instrumenten und brachte etwas Schliff in mein Spiel. Sie und ihre Mutter nahm sich auch meiner Singstimme an. Ich hatte nämlich einen vom Contra D bis zum eingestrichenen F reichenden, starken, klangvollen Bass. Bevor sich die Stimme brach hatte ich einen richtigen Knabenalt und weil ich sicher traf und taktfest war wurde ich Chorführer des Knabenalts bei der Vorbereitung eines grossen pfälzischen Musikfestes, in welchem Felix Mendelssohn Bartholdis Paulus und Walpurgisnacht aufgeführt wurde. Vor dem Musikfeste brach meine Stimme, aber da ich die Säule des Knabenaltes war, musste ich dennoch mitsingen. Mendelssohn dirigierte selbst. In der Hauptprobe blieb er neben mir stehen, und horchte erstaunt auf meine Leistung, sprach dann mit dem Chorleiter, indem er auf mich deutete, schüttelte den Kopf, lachte und liess mich weiter mitsingen, wofür ich sehr dankbar war. Denn ich hatte meinen

In der Absolutorialprüfung erlangten 6 die Note I, darunter auch ich, 12 die Note II, 3 die Note III. Wir waren alle überzeugt, dass wir 2 Jahre früher, frisch aus Prof. Butters Hand weg, noch besser abgeschnitten hätten. Der von mir auf die Gymnasialfächer aufgewendete Fleiss war mässig. Aber proprio motu las ich in den Herbstferien Homer, insbesondere die Batrachomyomachie, und vor dem Eintritte in die Oberklasse besserte ich meine Mängel in Geometrie und Algebra aus, sodass ich als guter Mathematiker das Gymnasium verliess.

Viel Eifer und Fleiss verwendete ich während meiner Gymnasialzeit auf Nebenbeschäftigungen und Steckenpferde. Da war vor allem das Klavierspiel, in welchem ich schon frühe Unterricht erhielt. Leider war keiner meiner Lehrer selbst Klavierspieler, so dass mein Unterricht in Bezug auf Technik nicht sachverständig war. Ich übte aber fleissig und brachte es zu einiger Fertigkeit, fand auch Geschmack an klassischer Musik. Erst in der Oberklasse nahm sich meiner Fräul. Marie von Esebeck, später verehelichte von Loe an. Sie hatte in einem Schülerkonzerte mein Spiel gehört und nahm sich desselben an, übte mit mir schwierigere Sachen, spielte auch mit mir 4händig auf einem und auf 2 Instrumenten und brachte etwas Schliff in mein Spiel. Sie und ihre Mutter nahm sich auch meiner Singstimme an. Ich hatte nämlich einen vom Contra D bis zum eingestrichenen F reichenden, starken, klangvollen Bass. Bevor sich die Stimme brach hatte ich einen richtigen Knabenalt und weil ich sicher traf und taktfest war wurde ich Chorführer des Knabenalts bei der Vorbereitung eines grossen pfälzischen Musikfestes, in welchem Felix Mendelssohn Bartholdis Paulus und Walpurgisnacht aufgeführt wurde. Vor dem Musikfeste brach meine Stimme, aber da ich die Säule des Knabenaltes war, musste ich dennoch mitsingen. Mendelssohn dirigierte selbst. In der Hauptprobe blieb er neben mir stehen, und horchte erstaunt auf meine Leistung, sprach dann mit dem Chorleiter, indem er auf mich deutete, schüttelte den Kopf, lachte und liess mich weiter mitsingen, wofür ich sehr dankbar war. Denn ich hatte meinen

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In der Absolutorialprüfung erlangten 6 die Note I, darunter auch ich, 12 die Note II, 3 die Note III. Wir waren alle überzeugt, dass wir 2 Jahre früher, frisch aus Prof. Butters Hand weg, noch besser abgeschnitten hätten. Der von mir auf die Gymnasialfächer aufgewendete Fleiss war mässig. Aber proprio motu las ich in den Herbstferien Homer, insbesondere die Batrachomyomachie, und vor dem Eintritte in die Oberklasse besserte ich meine Mängel in Geometrie und Algebra aus, sodass ich als guter Mathematiker das Gymnasium verliess.</p>
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[23/0023] In der Absolutorialprüfung erlangten 6 die Note I, darunter auch ich, 12 die Note II, 3 die Note III. Wir waren alle überzeugt, dass wir 2 Jahre früher, frisch aus Prof. Butters Hand weg, noch besser abgeschnitten hätten. Der von mir auf die Gymnasialfächer aufgewendete Fleiss war mässig. Aber proprio motu las ich in den Herbstferien Homer, insbesondere die Batrachomyomachie, und vor dem Eintritte in die Oberklasse besserte ich meine Mängel in Geometrie und Algebra aus, sodass ich als guter Mathematiker das Gymnasium verliess. Viel Eifer und Fleiss verwendete ich während meiner Gymnasialzeit auf Nebenbeschäftigungen und Steckenpferde. Da war vor allem das Klavierspiel, in welchem ich schon frühe Unterricht erhielt. Leider war keiner meiner Lehrer selbst Klavierspieler, so dass mein Unterricht in Bezug auf Technik nicht sachverständig war. Ich übte aber fleissig und brachte es zu einiger Fertigkeit, fand auch Geschmack an klassischer Musik. Erst in der Oberklasse nahm sich meiner Fräul. Marie von Esebeck, später verehelichte von Loe an. Sie hatte in einem Schülerkonzerte mein Spiel gehört und nahm sich desselben an, übte mit mir schwierigere Sachen, spielte auch mit mir 4händig auf einem und auf 2 Instrumenten und brachte etwas Schliff in mein Spiel. Sie und ihre Mutter nahm sich auch meiner Singstimme an. Ich hatte nämlich einen vom Contra D bis zum eingestrichenen F reichenden, starken, klangvollen Bass. Bevor sich die Stimme brach hatte ich einen richtigen Knabenalt und weil ich sicher traf und taktfest war wurde ich Chorführer des Knabenalts bei der Vorbereitung eines grossen pfälzischen Musikfestes, in welchem Felix Mendelssohn Bartholdis Paulus und Walpurgisnacht aufgeführt wurde. Vor dem Musikfeste brach meine Stimme, aber da ich die Säule des Knabenaltes war, musste ich dennoch mitsingen. Mendelssohn dirigierte selbst. In der Hauptprobe blieb er neben mir stehen, und horchte erstaunt auf meine Leistung, sprach dann mit dem Chorleiter, indem er auf mich deutete, schüttelte den Kopf, lachte und liess mich weiter mitsingen, wofür ich sehr dankbar war. Denn ich hatte meinen

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/23>, abgerufen am 18.04.2024.