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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Vier Wochen lang schwieg der Großvater, dann aber
gab es eines Abends einen bösen Auftritt. Der Greis strengte
seine Lunge derartig an, daß man seine Stimme auf der
Straße vernehmen konnte. Er wüthete förmlich. Der Stock,
der mit seiner Krücke stets am Lehnstuhle hing, fuhr mit der
Spitze so rasch und nachdrücklich gegen die Diele, daß er einen
förmlichen Wirbel schlug.

Das sei nicht mehr auszuhalten! Was denn auf die
Dauer daraus werden solle, wenn ein Mensch in so jungen
Jahren in's Bummeln gerathe und den ganzen Abend über
bis tief in die Nacht hinein in den Kneipen sich herum¬
drücke? Man wisse nicht einmal, in was für einer
Gesellschaft! Das würde nicht der erste verlorene
Sohn sein, der seinen Eltern eines Tages schrecklichen Kum¬
mer bereite. Ob man vielleicht glaube, daß ein derartiges
Leben einem Körper dienlich sei? Ein Wetter müsse drein¬
schlagen, wenn da nicht eine Aenderung geschaffen werde.
Wenn so ein Bengel nicht gutwillig gehorchen wolle, dann
müsse man den Rohrstock nehmen und ihn mit einigen wohl¬
gemeinten Hieben auf die Pflicht des Gehorsams aufmerksam
machen ... Sein letztes Wort in dieser Angelegenheit sei
das: entweder sorge man dafür, daß Franzens Lebensweise sich
ändere, oder er, der Großvater, verlasse noch auf seine alten
Tage das Haus.

Nach jedem Satze war der Stock gegen den Boden ge¬
saust, als sollten die Worte einzeln festgenagelt werden.

Timpe und sein Weib zitterten vor Schreck und wurden
blaß. In einer derartigen Verfassung hatten sie den Alten
noch niemals gesehen. Mit halb geöffnetem Munde starrten
sie zu ihm hinüber. Ein lebendes Bild des Jammers bot sich

Vier Wochen lang ſchwieg der Großvater, dann aber
gab es eines Abends einen böſen Auftritt. Der Greis ſtrengte
ſeine Lunge derartig an, daß man ſeine Stimme auf der
Straße vernehmen konnte. Er wüthete förmlich. Der Stock,
der mit ſeiner Krücke ſtets am Lehnſtuhle hing, fuhr mit der
Spitze ſo raſch und nachdrücklich gegen die Diele, daß er einen
förmlichen Wirbel ſchlug.

Das ſei nicht mehr auszuhalten! Was denn auf die
Dauer daraus werden ſolle, wenn ein Menſch in ſo jungen
Jahren in's Bummeln gerathe und den ganzen Abend über
bis tief in die Nacht hinein in den Kneipen ſich herum¬
drücke? Man wiſſe nicht einmal, in was für einer
Geſellſchaft! Das würde nicht der erſte verlorene
Sohn ſein, der ſeinen Eltern eines Tages ſchrecklichen Kum¬
mer bereite. Ob man vielleicht glaube, daß ein derartiges
Leben einem Körper dienlich ſei? Ein Wetter müſſe drein¬
ſchlagen, wenn da nicht eine Aenderung geſchaffen werde.
Wenn ſo ein Bengel nicht gutwillig gehorchen wolle, dann
müſſe man den Rohrſtock nehmen und ihn mit einigen wohl¬
gemeinten Hieben auf die Pflicht des Gehorſams aufmerkſam
machen ... Sein letztes Wort in dieſer Angelegenheit ſei
das: entweder ſorge man dafür, daß Franzens Lebensweiſe ſich
ändere, oder er, der Großvater, verlaſſe noch auf ſeine alten
Tage das Haus.

Nach jedem Satze war der Stock gegen den Boden ge¬
ſauſt, als ſollten die Worte einzeln feſtgenagelt werden.

Timpe und ſein Weib zitterten vor Schreck und wurden
blaß. In einer derartigen Verfaſſung hatten ſie den Alten
noch niemals geſehen. Mit halb geöffnetem Munde ſtarrten
ſie zu ihm hinüber. Ein lebendes Bild des Jammers bot ſich

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[77/0089] Vier Wochen lang ſchwieg der Großvater, dann aber gab es eines Abends einen böſen Auftritt. Der Greis ſtrengte ſeine Lunge derartig an, daß man ſeine Stimme auf der Straße vernehmen konnte. Er wüthete förmlich. Der Stock, der mit ſeiner Krücke ſtets am Lehnſtuhle hing, fuhr mit der Spitze ſo raſch und nachdrücklich gegen die Diele, daß er einen förmlichen Wirbel ſchlug. Das ſei nicht mehr auszuhalten! Was denn auf die Dauer daraus werden ſolle, wenn ein Menſch in ſo jungen Jahren in's Bummeln gerathe und den ganzen Abend über bis tief in die Nacht hinein in den Kneipen ſich herum¬ drücke? Man wiſſe nicht einmal, in was für einer Geſellſchaft! Das würde nicht der erſte verlorene Sohn ſein, der ſeinen Eltern eines Tages ſchrecklichen Kum¬ mer bereite. Ob man vielleicht glaube, daß ein derartiges Leben einem Körper dienlich ſei? Ein Wetter müſſe drein¬ ſchlagen, wenn da nicht eine Aenderung geſchaffen werde. Wenn ſo ein Bengel nicht gutwillig gehorchen wolle, dann müſſe man den Rohrſtock nehmen und ihn mit einigen wohl¬ gemeinten Hieben auf die Pflicht des Gehorſams aufmerkſam machen ... Sein letztes Wort in dieſer Angelegenheit ſei das: entweder ſorge man dafür, daß Franzens Lebensweiſe ſich ändere, oder er, der Großvater, verlaſſe noch auf ſeine alten Tage das Haus. Nach jedem Satze war der Stock gegen den Boden ge¬ ſauſt, als ſollten die Worte einzeln feſtgenagelt werden. Timpe und ſein Weib zitterten vor Schreck und wurden blaß. In einer derartigen Verfaſſung hatten ſie den Alten noch niemals geſehen. Mit halb geöffnetem Munde ſtarrten ſie zu ihm hinüber. Ein lebendes Bild des Jammers bot ſich

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/89>, abgerufen am 22.11.2024.