passe sich nicht, mit Arbeitern kameradschaftlich zu verkehren, meinte er zu seinem Vater; denn es ärgerte ihn, nicht so respektirt zu werden, wie er es wünschte. Nur Thomas Beyer gegenüber pflegte er bescheiden aufzutreten, denn er hatte es nicht vergessen, wie dieser ihm einst, als er noch Schuljunge war, für eine arge Unverschämtheit eine Ohrfeige versetzt hatte, die noch lange Zeit hindurch eine Genugthuung für den Großvater bildete. Es hatte damals zwischen dem Meister und seinem ältesten Gesellen eine heftige Szene ge¬ geben, in welcher aber schließlich der Gerechtigkeitssinn Jo¬ hannes Timpe's zu Gunsten seines Gehilfen siegte. Erblickten die Gesellen den angehenden Kaufmann, beobachteten sie die geckenhaften Manieren, die er sich angeeignet hatte, so wurde er zur Zielscheibe geheimer Spöttereien, die seine Ohren nicht angenehm berührt hätten, wenn er sie vernommen haben würde.
"An dem Zierfuchs hat sich der Meister eine Ruthe für seine alten Tage gezogen", pflegte Thomas Beyer zu sagen und wiederholte es auch heute.
"Det stimmt", fiel Fritz Wiesel ein. "Er müßte sich einmal vierzehn Tage lang an der "Bank" die Beine aus¬ treten, vielleicht würde er dann etwas zahmer werden."
"Das hilft alles nichts", meinte der kleine Sachse. "Er muß vier Wochen lang im Schaufenster eines Friseurs stehen, oder zu Castan ins Panoptikum kommen. Da gäbe es etwas zum Lachen."
Oftmals wurden die Bemerkungen so laut ge¬ than, daß Franz Timpe etwas von ihnen auffing. Er schäumte dann vor Wuth, schwieg jedoch, weil er fürchtete, sich noch lächerlicher zu machen; oder er schlug den
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paſſe ſich nicht, mit Arbeitern kameradſchaftlich zu verkehren, meinte er zu ſeinem Vater; denn es ärgerte ihn, nicht ſo reſpektirt zu werden, wie er es wünſchte. Nur Thomas Beyer gegenüber pflegte er beſcheiden aufzutreten, denn er hatte es nicht vergeſſen, wie dieſer ihm einſt, als er noch Schuljunge war, für eine arge Unverſchämtheit eine Ohrfeige verſetzt hatte, die noch lange Zeit hindurch eine Genugthuung für den Großvater bildete. Es hatte damals zwiſchen dem Meiſter und ſeinem älteſten Geſellen eine heftige Szene ge¬ geben, in welcher aber ſchließlich der Gerechtigkeitsſinn Jo¬ hannes Timpe's zu Gunſten ſeines Gehilfen ſiegte. Erblickten die Geſellen den angehenden Kaufmann, beobachteten ſie die geckenhaften Manieren, die er ſich angeeignet hatte, ſo wurde er zur Zielſcheibe geheimer Spöttereien, die ſeine Ohren nicht angenehm berührt hätten, wenn er ſie vernommen haben würde.
„An dem Zierfuchs hat ſich der Meiſter eine Ruthe für ſeine alten Tage gezogen“, pflegte Thomas Beyer zu ſagen und wiederholte es auch heute.
„Det ſtimmt“, fiel Fritz Wieſel ein. „Er müßte ſich einmal vierzehn Tage lang an der „Bank“ die Beine aus¬ treten, vielleicht würde er dann etwas zahmer werden.“
„Das hilft alles nichts“, meinte der kleine Sachſe. „Er muß vier Wochen lang im Schaufenſter eines Friſeurs ſtehen, oder zu Caſtan ins Panoptikum kommen. Da gäbe es etwas zum Lachen.“
Oftmals wurden die Bemerkungen ſo laut ge¬ than, daß Franz Timpe etwas von ihnen auffing. Er ſchäumte dann vor Wuth, ſchwieg jedoch, weil er fürchtete, ſich noch lächerlicher zu machen; oder er ſchlug den
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paſſe ſich nicht, mit Arbeitern kameradſchaftlich zu verkehren,
meinte er zu ſeinem Vater; denn es ärgerte ihn, nicht ſo
reſpektirt zu werden, wie er es wünſchte. Nur Thomas
Beyer gegenüber pflegte er beſcheiden aufzutreten, denn er
hatte es nicht vergeſſen, wie dieſer ihm einſt, als er noch
Schuljunge war, für eine arge Unverſchämtheit eine Ohrfeige
verſetzt hatte, die noch lange Zeit hindurch eine Genugthuung
für den Großvater bildete. Es hatte damals zwiſchen dem
Meiſter und ſeinem älteſten Geſellen eine heftige Szene ge¬
geben, in welcher aber ſchließlich der Gerechtigkeitsſinn Jo¬
hannes Timpe's zu Gunſten ſeines Gehilfen ſiegte. Erblickten
die Geſellen den angehenden Kaufmann, beobachteten ſie die
geckenhaften Manieren, die er ſich angeeignet hatte, ſo wurde
er zur Zielſcheibe geheimer Spöttereien, die ſeine Ohren nicht
angenehm berührt hätten, wenn er ſie vernommen haben
würde.
„An dem Zierfuchs hat ſich der Meiſter eine Ruthe für
ſeine alten Tage gezogen“, pflegte Thomas Beyer zu ſagen
und wiederholte es auch heute.
„Det ſtimmt“, fiel Fritz Wieſel ein. „Er müßte ſich
einmal vierzehn Tage lang an der „Bank“ die Beine aus¬
treten, vielleicht würde er dann etwas zahmer werden.“
„Das hilft alles nichts“, meinte der kleine Sachſe. „Er
muß vier Wochen lang im Schaufenſter eines Friſeurs ſtehen,
oder zu Caſtan ins Panoptikum kommen. Da gäbe es
etwas zum Lachen.“
Oftmals wurden die Bemerkungen ſo laut ge¬
than, daß Franz Timpe etwas von ihnen auffing.
Er ſchäumte dann vor Wuth, ſchwieg jedoch, weil er
fürchtete, ſich noch lächerlicher zu machen; oder er ſchlug den
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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/47>, abgerufen am 29.07.2024.
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