Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.sammlung gekommen sei? Schließlich wurde ihm nichts "Herr Lieutenant, ich habe mich hinreißen lassen .... Wie er nach Hause kam, wußte er eigentlich nicht; als Seit diesem Tage bot das Haus wieder sein früheres Noch vor Weihnachten wurde Timpe vor den Unter¬ ſammlung gekommen ſei? Schließlich wurde ihm nichts „Herr Lieutenant, ich habe mich hinreißen laſſen .... Wie er nach Hauſe kam, wußte er eigentlich nicht; als Seit dieſem Tage bot das Haus wieder ſein früheres Noch vor Weihnachten wurde Timpe vor den Unter¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0328" n="316"/> ſammlung gekommen ſei? Schließlich wurde ihm nichts<lb/> mehr verheimlicht: er würde in eine Anklage verwickelt<lb/> werden, denn er habe geradezu Aufruhr gepredigt, voraus¬<lb/> geſetzt, daß ſeine Zurechnungsfähigkeit an jenem Abende be¬<lb/> wieſen werden könne.</p><lb/> <p>„Herr Lieutenant, ich habe mich hinreißen laſſen ....<lb/> der Kummer, die Sorgen“, ſagte er zum Schluß und damit<lb/> waren Verhör und Protokoll beendet. Der Beamte ſprach<lb/> etwas von „Bedauern“, von „ſeiner Pflicht“, war bei der<lb/> Verabſchiedung eben ſo höflich wie zuvor, und Timpe konnte<lb/> gehen.</p><lb/> <p>Wie er nach Hauſe kam, wußte er eigentlich nicht; als<lb/> er aber angelangt war, ließ er ſich wie vernichtet auf einen<lb/> Stuhl nieder und verſank in ein dumpfes Brüten.</p><lb/> <p>Seit dieſem Tage bot das Haus wieder ſein früheres<lb/> unheimliches Ausſehen dar. Die Laden waren geſchloſſen<lb/> und ſelbſt der eine Flügel an Timpe's Schlafzimmer war<lb/> heraufgezogen. Die Leute an den Fenſtern der gegenüber¬<lb/> liegenden Häuſer, die bereits geglaubt hatten, in Timpe's<lb/> Lebensweiſe ſei eine erfreuliche Beſſerung eingetreten, hatten<lb/> ihren alten Geſprächsſtoff bekommen, und die ganze Nachbar¬<lb/> ſchaft nahm auf's Neue die Mär von der Verrücktheit des<lb/> Meiſters auf.</p><lb/> <p>Noch vor Weihnachten wurde Timpe vor den Unter¬<lb/> ſuchungsrichter geladen. Der Polizeilieutenant hatte über<lb/> ſeinen perſönlichen Charakter nur das Beſte berichten können.<lb/> Als man aber auch hier Anſpielungen auf ſeine Un¬<lb/> zurechnungsfähigkeit machte, bäumte ſich ſein Stolz empor.<lb/> Er geſtand unumwunden ein, mit vollem Bewußtſein und aus<lb/> Ueberzeugung geſprochen zu haben. Als er von dieſem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [316/0328]
ſammlung gekommen ſei? Schließlich wurde ihm nichts
mehr verheimlicht: er würde in eine Anklage verwickelt
werden, denn er habe geradezu Aufruhr gepredigt, voraus¬
geſetzt, daß ſeine Zurechnungsfähigkeit an jenem Abende be¬
wieſen werden könne.
„Herr Lieutenant, ich habe mich hinreißen laſſen ....
der Kummer, die Sorgen“, ſagte er zum Schluß und damit
waren Verhör und Protokoll beendet. Der Beamte ſprach
etwas von „Bedauern“, von „ſeiner Pflicht“, war bei der
Verabſchiedung eben ſo höflich wie zuvor, und Timpe konnte
gehen.
Wie er nach Hauſe kam, wußte er eigentlich nicht; als
er aber angelangt war, ließ er ſich wie vernichtet auf einen
Stuhl nieder und verſank in ein dumpfes Brüten.
Seit dieſem Tage bot das Haus wieder ſein früheres
unheimliches Ausſehen dar. Die Laden waren geſchloſſen
und ſelbſt der eine Flügel an Timpe's Schlafzimmer war
heraufgezogen. Die Leute an den Fenſtern der gegenüber¬
liegenden Häuſer, die bereits geglaubt hatten, in Timpe's
Lebensweiſe ſei eine erfreuliche Beſſerung eingetreten, hatten
ihren alten Geſprächsſtoff bekommen, und die ganze Nachbar¬
ſchaft nahm auf's Neue die Mär von der Verrücktheit des
Meiſters auf.
Noch vor Weihnachten wurde Timpe vor den Unter¬
ſuchungsrichter geladen. Der Polizeilieutenant hatte über
ſeinen perſönlichen Charakter nur das Beſte berichten können.
Als man aber auch hier Anſpielungen auf ſeine Un¬
zurechnungsfähigkeit machte, bäumte ſich ſein Stolz empor.
Er geſtand unumwunden ein, mit vollem Bewußtſein und aus
Ueberzeugung geſprochen zu haben. Als er von dieſem
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