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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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war vorher hier und ließ Timpe im Namen seines Lieute¬
nants nach dem Polizeibureau bitten."

"Was Du sagst!"

"Als er erfuhr, daß der Meister krank sei, bedauerte er
Timpe und sagte: der gute Alte, ich habe ihn immer gern
gehabt, aber er wird sich ins Unglück stürzen . . . dann trat
er dicht an mich heran und fragte leise und geheimnißvoll,
ob es denn mit Timpe wirklich nicht ganz richtig sei (er
deutete dabei mit dem Finger nach der Stirn) und ob man
ihn nicht vielleicht untersuchen lassen wolle? Es würde besser
für ihn sein, wenn es sich herausstellte, daß er wirklich ohne Bewußt¬
sein konfuse Dinge rede. . . . . Das ist doch merkwürdig,
höchst merkwürdig, nicht wahr? . . . . Was er nur ver¬
brochen haben kann!"

Thomas blickte lange auf einen Punkt, schüttelte wieder¬
holt mit dem Kopfe und sagte dann nichts weiter als:
"Das hat mit seiner Rede etwas zu thun . . . . gewiß, so
wird's sein."

Nach acht Tagen war der Meister soweit hergestellt
daß er sich im Hause bewegen konnte. Sein Gesicht war von
durchsichtiger Blässe und die Augen lagen tief in den Höhlen.
Den ersten Tag war er ungemein wortkarg; er antwortete
kaum, wenn Marie oder Thomas ihn nach seinem Befinden
fragten oder das Gespräch derartig war, daß er unbedingt
etwas sagen mußte. Je mehr er zu sich kam und fühlte, wie
neue Kräfte seinen Körper belebten, je finstrer schaute er
d'rein, je mehr versuchte er dem Geschwisterpaare aus dem
Wege zu gehen. Er empfand das Bewußtsein großen Dankes
gegen Bruder und Schwester; aber das alte Mißtrauen gegen
Beide begann auf's Neue ihn zu beherrschen. Mit dem Ent¬

Kretzer, Meister Timpe. 20

war vorher hier und ließ Timpe im Namen ſeines Lieute¬
nants nach dem Polizeibureau bitten.“

„Was Du ſagſt!“

„Als er erfuhr, daß der Meiſter krank ſei, bedauerte er
Timpe und ſagte: der gute Alte, ich habe ihn immer gern
gehabt, aber er wird ſich ins Unglück ſtürzen . . . dann trat
er dicht an mich heran und fragte leiſe und geheimnißvoll,
ob es denn mit Timpe wirklich nicht ganz richtig ſei (er
deutete dabei mit dem Finger nach der Stirn) und ob man
ihn nicht vielleicht unterſuchen laſſen wolle? Es würde beſſer
für ihn ſein, wenn es ſich herausſtellte, daß er wirklich ohne Bewußt¬
ſein konfuſe Dinge rede. . . . . Das iſt doch merkwürdig,
höchſt merkwürdig, nicht wahr? . . . . Was er nur ver¬
brochen haben kann!“

Thomas blickte lange auf einen Punkt, ſchüttelte wieder¬
holt mit dem Kopfe und ſagte dann nichts weiter als:
„Das hat mit ſeiner Rede etwas zu thun . . . . gewiß, ſo
wird's ſein.“

Nach acht Tagen war der Meiſter ſoweit hergeſtellt
daß er ſich im Hauſe bewegen konnte. Sein Geſicht war von
durchſichtiger Bläſſe und die Augen lagen tief in den Höhlen.
Den erſten Tag war er ungemein wortkarg; er antwortete
kaum, wenn Marie oder Thomas ihn nach ſeinem Befinden
fragten oder das Geſpräch derartig war, daß er unbedingt
etwas ſagen mußte. Je mehr er zu ſich kam und fühlte, wie
neue Kräfte ſeinen Körper belebten, je finſtrer ſchaute er
d'rein, je mehr verſuchte er dem Geſchwiſterpaare aus dem
Wege zu gehen. Er empfand das Bewußtſein großen Dankes
gegen Bruder und Schweſter; aber das alte Mißtrauen gegen
Beide begann auf's Neue ihn zu beherrſchen. Mit dem Ent¬

Kretzer, Meiſter Timpe. 20
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[305/0317] war vorher hier und ließ Timpe im Namen ſeines Lieute¬ nants nach dem Polizeibureau bitten.“ „Was Du ſagſt!“ „Als er erfuhr, daß der Meiſter krank ſei, bedauerte er Timpe und ſagte: der gute Alte, ich habe ihn immer gern gehabt, aber er wird ſich ins Unglück ſtürzen . . . dann trat er dicht an mich heran und fragte leiſe und geheimnißvoll, ob es denn mit Timpe wirklich nicht ganz richtig ſei (er deutete dabei mit dem Finger nach der Stirn) und ob man ihn nicht vielleicht unterſuchen laſſen wolle? Es würde beſſer für ihn ſein, wenn es ſich herausſtellte, daß er wirklich ohne Bewußt¬ ſein konfuſe Dinge rede. . . . . Das iſt doch merkwürdig, höchſt merkwürdig, nicht wahr? . . . . Was er nur ver¬ brochen haben kann!“ Thomas blickte lange auf einen Punkt, ſchüttelte wieder¬ holt mit dem Kopfe und ſagte dann nichts weiter als: „Das hat mit ſeiner Rede etwas zu thun . . . . gewiß, ſo wird's ſein.“ Nach acht Tagen war der Meiſter ſoweit hergeſtellt daß er ſich im Hauſe bewegen konnte. Sein Geſicht war von durchſichtiger Bläſſe und die Augen lagen tief in den Höhlen. Den erſten Tag war er ungemein wortkarg; er antwortete kaum, wenn Marie oder Thomas ihn nach ſeinem Befinden fragten oder das Geſpräch derartig war, daß er unbedingt etwas ſagen mußte. Je mehr er zu ſich kam und fühlte, wie neue Kräfte ſeinen Körper belebten, je finſtrer ſchaute er d'rein, je mehr verſuchte er dem Geſchwiſterpaare aus dem Wege zu gehen. Er empfand das Bewußtſein großen Dankes gegen Bruder und Schweſter; aber das alte Mißtrauen gegen Beide begann auf's Neue ihn zu beherrſchen. Mit dem Ent¬ Kretzer, Meiſter Timpe. 20

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/317>, abgerufen am 22.11.2024.