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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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die Dauer verteufelt langweilig, hier mutterseelen allein zu
stehen und keinen Menschen zu haben, mit dem man sich
unterhalten kann . . . nicht einmal über den Wahlsieg . . .
Dieser Esel von Krusemeyer! . . . will jetzt erst darauf ge¬
kommen sein, daß ich Sozialdemokrat bin, und verbietet mir
daher sein Haus . . . Seine Tochter würde ich niemals zur
Frau bekommen, denn er sei ein königstreuer Beamter, und
ich würde es nie so weit bringen . . . Bis zum Nachtwächter!
Es ist zum Todtlachen! . . . Die Welt wird immer verrückter,
die Nachtwächter bilden sich schon etwas auf ihre Stellung ein! O,
es klingt auch wunderschön: mein Schwiegervater, der Nachtwächter
Anton Krusemeyer! Der muß später mal ausgestopft werden und
in's zoologische Museum kommen. Redet zu mir von der Ehre
seiner Uniform, die das nicht vertragen könne . . . . schwört
auf seinen Säbel . . . . ich möchte wohl wissen, ob der
überhaupt aus der Scheide geht? . . . . Und seine Tochter
stößt plötzlich in das Horn ihres Vaters und tutet wie
ein Thurmbläser. Ich hätte sie jahrelang hingezogen und
nun hieße es, ich wäre gar kein Drechsler, sondern Sozial¬
demokrat . . . . hat sich was mit solch' einer weiblichen
Dummheit. . . . Ich war dem Mädel wirklich gut, wirklich! . .
Aber was schadet's! Todtschießen werde ich mich deßhalb
nicht . . . einer zukünftigen Schwiegermutter wegen nicht ..
wahrhaftig nicht!"

Er hielt in seiner Arbeit inne, entfernte die Holzspähne
aus seinem Gesicht, setzte die Drehbank wieder in Bewegung
und fuhr dann in seinem vorherigen Raisonnement
über Timpe fort: "Uebrigens traue ich ihm doch
nicht so recht mit seiner neuen Gesinnung . . . er spricht
so sonderbare Dinge im Bette . . . ruft laut nach

die Dauer verteufelt langweilig, hier mutterſeelen allein zu
ſtehen und keinen Menſchen zu haben, mit dem man ſich
unterhalten kann . . . nicht einmal über den Wahlſieg . . .
Dieſer Eſel von Kruſemeyer! . . . will jetzt erſt darauf ge¬
kommen ſein, daß ich Sozialdemokrat bin, und verbietet mir
daher ſein Haus . . . Seine Tochter würde ich niemals zur
Frau bekommen, denn er ſei ein königstreuer Beamter, und
ich würde es nie ſo weit bringen . . . Bis zum Nachtwächter!
Es iſt zum Todtlachen! . . . Die Welt wird immer verrückter,
die Nachtwächter bilden ſich ſchon etwas auf ihre Stellung ein! O,
es klingt auch wunderſchön: mein Schwiegervater, der Nachtwächter
Anton Kruſemeyer! Der muß ſpäter mal ausgeſtopft werden und
in's zoologiſche Muſeum kommen. Redet zu mir von der Ehre
ſeiner Uniform, die das nicht vertragen könne . . . . ſchwört
auf ſeinen Säbel . . . . ich möchte wohl wiſſen, ob der
überhaupt aus der Scheide geht? . . . . Und ſeine Tochter
ſtößt plötzlich in das Horn ihres Vaters und tutet wie
ein Thurmbläſer. Ich hätte ſie jahrelang hingezogen und
nun hieße es, ich wäre gar kein Drechsler, ſondern Sozial¬
demokrat . . . . hat ſich was mit ſolch' einer weiblichen
Dummheit. . . . Ich war dem Mädel wirklich gut, wirklich! . .
Aber was ſchadet's! Todtſchießen werde ich mich deßhalb
nicht . . . einer zukünftigen Schwiegermutter wegen nicht ..
wahrhaftig nicht!“

Er hielt in ſeiner Arbeit inne, entfernte die Holzſpähne
aus ſeinem Geſicht, ſetzte die Drehbank wieder in Bewegung
und fuhr dann in ſeinem vorherigen Raiſonnement
über Timpe fort: „Uebrigens traue ich ihm doch
nicht ſo recht mit ſeiner neuen Geſinnung . . . er ſpricht
ſo ſonderbare Dinge im Bette . . . ruft laut nach

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[303/0315] die Dauer verteufelt langweilig, hier mutterſeelen allein zu ſtehen und keinen Menſchen zu haben, mit dem man ſich unterhalten kann . . . nicht einmal über den Wahlſieg . . . Dieſer Eſel von Kruſemeyer! . . . will jetzt erſt darauf ge¬ kommen ſein, daß ich Sozialdemokrat bin, und verbietet mir daher ſein Haus . . . Seine Tochter würde ich niemals zur Frau bekommen, denn er ſei ein königstreuer Beamter, und ich würde es nie ſo weit bringen . . . Bis zum Nachtwächter! Es iſt zum Todtlachen! . . . Die Welt wird immer verrückter, die Nachtwächter bilden ſich ſchon etwas auf ihre Stellung ein! O, es klingt auch wunderſchön: mein Schwiegervater, der Nachtwächter Anton Kruſemeyer! Der muß ſpäter mal ausgeſtopft werden und in's zoologiſche Muſeum kommen. Redet zu mir von der Ehre ſeiner Uniform, die das nicht vertragen könne . . . . ſchwört auf ſeinen Säbel . . . . ich möchte wohl wiſſen, ob der überhaupt aus der Scheide geht? . . . . Und ſeine Tochter ſtößt plötzlich in das Horn ihres Vaters und tutet wie ein Thurmbläſer. Ich hätte ſie jahrelang hingezogen und nun hieße es, ich wäre gar kein Drechsler, ſondern Sozial¬ demokrat . . . . hat ſich was mit ſolch' einer weiblichen Dummheit. . . . Ich war dem Mädel wirklich gut, wirklich! . . Aber was ſchadet's! Todtſchießen werde ich mich deßhalb nicht . . . einer zukünftigen Schwiegermutter wegen nicht .. wahrhaftig nicht!“ Er hielt in ſeiner Arbeit inne, entfernte die Holzſpähne aus ſeinem Geſicht, ſetzte die Drehbank wieder in Bewegung und fuhr dann in ſeinem vorherigen Raiſonnement über Timpe fort: „Uebrigens traue ich ihm doch nicht ſo recht mit ſeiner neuen Geſinnung . . . er ſpricht ſo ſonderbare Dinge im Bette . . . ruft laut nach

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/315>, abgerufen am 06.05.2024.