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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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ihn gefunden: es war der Lebensüberdruß, der an ihm nagte
und ihn zum Sterben schlaff und willenlos gemacht hatte.
Das Wort schien ihm so entsetzlich und doch verlockend, daß er
mitten auf dem Fahrweg stehen blieb und vor sich hinstarrte.
Eine Peitsche knallte vor seinen Ohren und ein "Heda!"
weckte ihn aus seiner Betäubung. Einige Sekunden später
und die Räder hätten ihn zermalmt. Ein Wagen rollte an
ihm vorüber, in dem sein Sohn saß. Ein flüchtiger Blick
hatte genügt, um ihn Franz erkennen zu lassen. Ein Schauer
durchrieselte ihn, der ihm kälter dünkte, als all' dieser uner¬
meßliche geschmolzene Schnee, der ganz Berlin durchtränkte.
Mit schlotternden Knieen ging er weiter. Plötzlich bannte er
seine Schritte vor dem hellerleuchteten Thorweg eines Hauses,
das ihm bekannt erschien. Große rothe Zettel prangten an
beiden Seiten der Hausthür, ganze Züge von Menschen gingen
aus und ein, und auf der Straße standen dunkle Gestalten,
die jeden neu hinzu Eilenden anredeten und ihm ein Stück
Papier in die Hand zu drücken versuchten.

Johannes befand sich vor dem Wahllokale, in dem auch
er seit vielen Jahren sein Recht als Bürger auszuüben pflegte.
Er blieb stehen und blickte in den Thorweg hinein, wie Jemand,
der noch überlegt, ob er weitergehen oder das Haus betreten
soll. Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter.
Thomas Beyer stand vor ihm.

"Meister, es ist die höchste Zeit ... gehen Sie hinein.
Sie haben noch keinen Zettel? ... Hier ... Sie stehen
gewiß in der Liste."

Er hatte leise gesprochen und reichte ihm nun einen zu¬
sammengefalteten Zettel hin.

"Was steht d'rauf?"

ihn gefunden: es war der Lebensüberdruß, der an ihm nagte
und ihn zum Sterben ſchlaff und willenlos gemacht hatte.
Das Wort ſchien ihm ſo entſetzlich und doch verlockend, daß er
mitten auf dem Fahrweg ſtehen blieb und vor ſich hinſtarrte.
Eine Peitſche knallte vor ſeinen Ohren und ein „Heda!“
weckte ihn aus ſeiner Betäubung. Einige Sekunden ſpäter
und die Räder hätten ihn zermalmt. Ein Wagen rollte an
ihm vorüber, in dem ſein Sohn ſaß. Ein flüchtiger Blick
hatte genügt, um ihn Franz erkennen zu laſſen. Ein Schauer
durchrieſelte ihn, der ihm kälter dünkte, als all' dieſer uner¬
meßliche geſchmolzene Schnee, der ganz Berlin durchtränkte.
Mit ſchlotternden Knieen ging er weiter. Plötzlich bannte er
ſeine Schritte vor dem hellerleuchteten Thorweg eines Hauſes,
das ihm bekannt erſchien. Große rothe Zettel prangten an
beiden Seiten der Hausthür, ganze Züge von Menſchen gingen
aus und ein, und auf der Straße ſtanden dunkle Geſtalten,
die jeden neu hinzu Eilenden anredeten und ihm ein Stück
Papier in die Hand zu drücken verſuchten.

Johannes befand ſich vor dem Wahllokale, in dem auch
er ſeit vielen Jahren ſein Recht als Bürger auszuüben pflegte.
Er blieb ſtehen und blickte in den Thorweg hinein, wie Jemand,
der noch überlegt, ob er weitergehen oder das Haus betreten
ſoll. Eine ſchwere Hand legte ſich auf ſeine Schulter.
Thomas Beyer ſtand vor ihm.

„Meiſter, es iſt die höchſte Zeit ... gehen Sie hinein.
Sie haben noch keinen Zettel? ... Hier ... Sie ſtehen
gewiß in der Liſte.“

Er hatte leiſe geſprochen und reichte ihm nun einen zu¬
ſammengefalteten Zettel hin.

„Was ſteht d'rauf?“

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[281/0293] ihn gefunden: es war der Lebensüberdruß, der an ihm nagte und ihn zum Sterben ſchlaff und willenlos gemacht hatte. Das Wort ſchien ihm ſo entſetzlich und doch verlockend, daß er mitten auf dem Fahrweg ſtehen blieb und vor ſich hinſtarrte. Eine Peitſche knallte vor ſeinen Ohren und ein „Heda!“ weckte ihn aus ſeiner Betäubung. Einige Sekunden ſpäter und die Räder hätten ihn zermalmt. Ein Wagen rollte an ihm vorüber, in dem ſein Sohn ſaß. Ein flüchtiger Blick hatte genügt, um ihn Franz erkennen zu laſſen. Ein Schauer durchrieſelte ihn, der ihm kälter dünkte, als all' dieſer uner¬ meßliche geſchmolzene Schnee, der ganz Berlin durchtränkte. Mit ſchlotternden Knieen ging er weiter. Plötzlich bannte er ſeine Schritte vor dem hellerleuchteten Thorweg eines Hauſes, das ihm bekannt erſchien. Große rothe Zettel prangten an beiden Seiten der Hausthür, ganze Züge von Menſchen gingen aus und ein, und auf der Straße ſtanden dunkle Geſtalten, die jeden neu hinzu Eilenden anredeten und ihm ein Stück Papier in die Hand zu drücken verſuchten. Johannes befand ſich vor dem Wahllokale, in dem auch er ſeit vielen Jahren ſein Recht als Bürger auszuüben pflegte. Er blieb ſtehen und blickte in den Thorweg hinein, wie Jemand, der noch überlegt, ob er weitergehen oder das Haus betreten ſoll. Eine ſchwere Hand legte ſich auf ſeine Schulter. Thomas Beyer ſtand vor ihm. „Meiſter, es iſt die höchſte Zeit ... gehen Sie hinein. Sie haben noch keinen Zettel? ... Hier ... Sie ſtehen gewiß in der Liſte.“ Er hatte leiſe geſprochen und reichte ihm nun einen zu¬ ſammengefalteten Zettel hin. „Was ſteht d'rauf?“

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/293>, abgerufen am 22.11.2024.