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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Hypothek eintragen zu lassen. Er verschloß also sein
Haus von allen Seiten und machte sich wiederum auf
den Weg. Die Arbeit lief ihm nicht weg, denn von dieser
Sorte konnte er genug bekommen. Zuletzt verlor er
aber doch die Hoffnung, denn Niemand wagte, auf seine
Bedingung einzugehen. Im letzten Augenblick meldete sich
ein Retter in der Noth, der, wie er angab, auf Umwegen
von seiner Bedrängniß gehört haben wollte. Es war ein
Zwischenhändler, den Urban, der in letzter Stunde Kenntniß
von der Hypothekengeschichte erhielt, beauftragt hatte, das
Geschäft zu machen, ohne daß Timpe von dem wahren
Sachverhalt erfahre. Man wollte dem Meister die acht¬
tausend Mark geben, sich aber vierteljährliche Kündigungsfrist
vorbehalten. Das Anerbieten war von sehr schönen Redens¬
arten begleitet: Man würde durchaus nicht in den ersten
zehn Jahren von dem Kündigungsrechte Gebrauch machen, müsse
sich aber auf alle Fälle sichern. Es war sozusagen die
Pistole, die man Timpe auf die Brust setzte. Er
überlegte noch achtundvierzig Stunden, lief noch ein¬
mal treppauf, treppab, und willigte dann in den Handel
ein. So konnte er wenigstens in seinen vier Pfählen
sitzen bleiben und sich mit dem Bewußtsein schlafen legen, daß
"den guten Freunden" die Freude verdorben wurde.

Um die ausbedungenen Zinsen vorausbezahlen zu können,
verkaufte er in aller Stille drei seiner Drehbänke, die in den
Abendstunden abgeholt wurden. Wozu sollten sie auch länger
dastehen, da er doch nicht mehr die Aussicht hatte, sie in Be¬
wegung zu sehen! Am meisten freute er sich über die großen
Augen, die der jetzige Inhaber der Hypothek machen würde,
wenn das baare Geld ihm hingezählt wurde. Der Herr zeigte

Hypothek eintragen zu laſſen. Er verſchloß alſo ſein
Haus von allen Seiten und machte ſich wiederum auf
den Weg. Die Arbeit lief ihm nicht weg, denn von dieſer
Sorte konnte er genug bekommen. Zuletzt verlor er
aber doch die Hoffnung, denn Niemand wagte, auf ſeine
Bedingung einzugehen. Im letzten Augenblick meldete ſich
ein Retter in der Noth, der, wie er angab, auf Umwegen
von ſeiner Bedrängniß gehört haben wollte. Es war ein
Zwiſchenhändler, den Urban, der in letzter Stunde Kenntniß
von der Hypothekengeſchichte erhielt, beauftragt hatte, das
Geſchäft zu machen, ohne daß Timpe von dem wahren
Sachverhalt erfahre. Man wollte dem Meiſter die acht¬
tauſend Mark geben, ſich aber vierteljährliche Kündigungsfriſt
vorbehalten. Das Anerbieten war von ſehr ſchönen Redens¬
arten begleitet: Man würde durchaus nicht in den erſten
zehn Jahren von dem Kündigungsrechte Gebrauch machen, müſſe
ſich aber auf alle Fälle ſichern. Es war ſozuſagen die
Piſtole, die man Timpe auf die Bruſt ſetzte. Er
überlegte noch achtundvierzig Stunden, lief noch ein¬
mal treppauf, treppab, und willigte dann in den Handel
ein. So konnte er wenigſtens in ſeinen vier Pfählen
ſitzen bleiben und ſich mit dem Bewußtſein ſchlafen legen, daß
„den guten Freunden“ die Freude verdorben wurde.

Um die ausbedungenen Zinſen vorausbezahlen zu können,
verkaufte er in aller Stille drei ſeiner Drehbänke, die in den
Abendſtunden abgeholt wurden. Wozu ſollten ſie auch länger
daſtehen, da er doch nicht mehr die Ausſicht hatte, ſie in Be¬
wegung zu ſehen! Am meiſten freute er ſich über die großen
Augen, die der jetzige Inhaber der Hypothek machen würde,
wenn das baare Geld ihm hingezählt wurde. Der Herr zeigte

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[267/0279] Hypothek eintragen zu laſſen. Er verſchloß alſo ſein Haus von allen Seiten und machte ſich wiederum auf den Weg. Die Arbeit lief ihm nicht weg, denn von dieſer Sorte konnte er genug bekommen. Zuletzt verlor er aber doch die Hoffnung, denn Niemand wagte, auf ſeine Bedingung einzugehen. Im letzten Augenblick meldete ſich ein Retter in der Noth, der, wie er angab, auf Umwegen von ſeiner Bedrängniß gehört haben wollte. Es war ein Zwiſchenhändler, den Urban, der in letzter Stunde Kenntniß von der Hypothekengeſchichte erhielt, beauftragt hatte, das Geſchäft zu machen, ohne daß Timpe von dem wahren Sachverhalt erfahre. Man wollte dem Meiſter die acht¬ tauſend Mark geben, ſich aber vierteljährliche Kündigungsfriſt vorbehalten. Das Anerbieten war von ſehr ſchönen Redens¬ arten begleitet: Man würde durchaus nicht in den erſten zehn Jahren von dem Kündigungsrechte Gebrauch machen, müſſe ſich aber auf alle Fälle ſichern. Es war ſozuſagen die Piſtole, die man Timpe auf die Bruſt ſetzte. Er überlegte noch achtundvierzig Stunden, lief noch ein¬ mal treppauf, treppab, und willigte dann in den Handel ein. So konnte er wenigſtens in ſeinen vier Pfählen ſitzen bleiben und ſich mit dem Bewußtſein ſchlafen legen, daß „den guten Freunden“ die Freude verdorben wurde. Um die ausbedungenen Zinſen vorausbezahlen zu können, verkaufte er in aller Stille drei ſeiner Drehbänke, die in den Abendſtunden abgeholt wurden. Wozu ſollten ſie auch länger daſtehen, da er doch nicht mehr die Ausſicht hatte, ſie in Be¬ wegung zu ſehen! Am meiſten freute er ſich über die großen Augen, die der jetzige Inhaber der Hypothek machen würde, wenn das baare Geld ihm hingezählt wurde. Der Herr zeigte

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/279>, abgerufen am 17.05.2024.