na --" Er brach plötzlich ab, blieb stehen und spitzte die Ohren.
"Hörst Du nichts, Liebegott?" fragte er leise. "Ich glaube man schrie um Hülfe -- da drinnen bei Timpe's. Sollte das am Ende ein Dieb sein, sollte wirklich mein Tag ge¬ kommen sein? . . ."
"Beruhige Dich, Du wirst es nicht erreichen, verlaß Dich darauf . . . Das sind die Gespenster Deiner Phantasie", sagte Liebegott und setzte wieder den einen Fuß vor den anderen. Aber der Wächter hielt ihn zurück, denn in dem¬ selben Augenblick ertönte ein lauter Schrei im Hause, dem die Rufe folgten: "Hilfe, Diebe!"
Mit wenigen Sätzen war Krusemeyer am Eingange. Aber bevor er die Klinke ergreifen konnte, wurde die Thür von innen geöffnet und eine dunkle Gestalt stürzte bei ihm vorüber und die Straße hinunter. Es war Franz, der die Modelle in der Tasche, keine Ahnung davon hatte, daß der Großvater in der guten Stube schlief, von der aus eine Thür zum Arbeitszimmer des Vaters führte. Ein Blick des Wächters hatte genügt, um in dem Fliehenden den Sohn Meister Timpe's zu erkennen. Er wollte ihn festhalten, ihm nacheilen, aber wie vom Schrecken gelähmt, stand er rath- und bewegungslos da. Das Einzige, was er zu thun vermochte, war, daß er in seiner Herzens¬ angst zu Liebegott sagte:
"Wirklich ein Dieb, lauf' ihm nach, halt ihn fest!"
Und des Schutzmanns ungeschlachter Körper bewegte sich in möglichster Schnelligkeit nach der Richtung zu, die Franz genommen hatte. Jedoch konnte man mit ziemlicher Be¬ stimmtheit bereits vorhersagen, daß Liebegott's Verfolgung trotz
na —“ Er brach plötzlich ab, blieb ſtehen und ſpitzte die Ohren.
„Hörſt Du nichts, Liebegott?“ fragte er leiſe. „Ich glaube man ſchrie um Hülfe — da drinnen bei Timpe's. Sollte das am Ende ein Dieb ſein, ſollte wirklich mein Tag ge¬ kommen ſein? . . .“
„Beruhige Dich, Du wirſt es nicht erreichen, verlaß Dich darauf . . . Das ſind die Geſpenſter Deiner Phantaſie“, ſagte Liebegott und ſetzte wieder den einen Fuß vor den anderen. Aber der Wächter hielt ihn zurück, denn in dem¬ ſelben Augenblick ertönte ein lauter Schrei im Hauſe, dem die Rufe folgten: „Hilfe, Diebe!“
Mit wenigen Sätzen war Kruſemeyer am Eingange. Aber bevor er die Klinke ergreifen konnte, wurde die Thür von innen geöffnet und eine dunkle Geſtalt ſtürzte bei ihm vorüber und die Straße hinunter. Es war Franz, der die Modelle in der Taſche, keine Ahnung davon hatte, daß der Großvater in der guten Stube ſchlief, von der aus eine Thür zum Arbeitszimmer des Vaters führte. Ein Blick des Wächters hatte genügt, um in dem Fliehenden den Sohn Meiſter Timpe's zu erkennen. Er wollte ihn feſthalten, ihm nacheilen, aber wie vom Schrecken gelähmt, ſtand er rath- und bewegungslos da. Das Einzige, was er zu thun vermochte, war, daß er in ſeiner Herzens¬ angſt zu Liebegott ſagte:
„Wirklich ein Dieb, lauf' ihm nach, halt ihn feſt!“
Und des Schutzmanns ungeſchlachter Körper bewegte ſich in möglichſter Schnelligkeit nach der Richtung zu, die Franz genommen hatte. Jedoch konnte man mit ziemlicher Be¬ ſtimmtheit bereits vorherſagen, daß Liebegott's Verfolgung trotz
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0208"n="196"/>
na —“ Er brach plötzlich ab, blieb ſtehen und ſpitzte die<lb/>
Ohren.</p><lb/><p>„Hörſt Du nichts, Liebegott?“ fragte er leiſe. „Ich glaube<lb/>
man ſchrie um Hülfe — da drinnen bei Timpe's. Sollte<lb/>
das am Ende ein Dieb ſein, ſollte wirklich mein Tag ge¬<lb/>
kommen ſein? . . .“</p><lb/><p>„Beruhige Dich, Du wirſt es nicht erreichen, verlaß Dich<lb/>
darauf . . . Das ſind die Geſpenſter Deiner Phantaſie“,<lb/>ſagte Liebegott und ſetzte wieder den einen Fuß vor den<lb/>
anderen. Aber der Wächter hielt ihn zurück, denn in dem¬<lb/>ſelben Augenblick ertönte ein lauter Schrei im Hauſe, dem die<lb/>
Rufe folgten: „Hilfe, Diebe!“</p><lb/><p>Mit wenigen Sätzen war Kruſemeyer am Eingange.<lb/>
Aber bevor er die Klinke ergreifen konnte, wurde die Thür<lb/>
von innen geöffnet und eine dunkle Geſtalt ſtürzte<lb/>
bei ihm vorüber und die Straße hinunter. Es<lb/>
war Franz, der die Modelle in der Taſche, keine<lb/>
Ahnung davon hatte, daß der Großvater in der guten Stube<lb/>ſchlief, von der aus eine Thür zum Arbeitszimmer des Vaters<lb/>
führte. Ein Blick des Wächters hatte genügt, um in dem<lb/>
Fliehenden den Sohn Meiſter Timpe's zu erkennen. Er<lb/>
wollte ihn feſthalten, ihm nacheilen, aber wie vom Schrecken<lb/>
gelähmt, ſtand er rath- und bewegungslos da. Das Einzige,<lb/>
was er zu thun vermochte, war, daß er in ſeiner Herzens¬<lb/>
angſt zu Liebegott ſagte:</p><lb/><p>„Wirklich ein Dieb, lauf' ihm nach, halt ihn feſt!“</p><lb/><p>Und des Schutzmanns ungeſchlachter Körper bewegte ſich<lb/>
in möglichſter Schnelligkeit nach der Richtung zu, die Franz<lb/>
genommen hatte. Jedoch konnte man mit ziemlicher Be¬<lb/>ſtimmtheit bereits vorherſagen, daß Liebegott's Verfolgung trotz<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0208]
na —“ Er brach plötzlich ab, blieb ſtehen und ſpitzte die
Ohren.
„Hörſt Du nichts, Liebegott?“ fragte er leiſe. „Ich glaube
man ſchrie um Hülfe — da drinnen bei Timpe's. Sollte
das am Ende ein Dieb ſein, ſollte wirklich mein Tag ge¬
kommen ſein? . . .“
„Beruhige Dich, Du wirſt es nicht erreichen, verlaß Dich
darauf . . . Das ſind die Geſpenſter Deiner Phantaſie“,
ſagte Liebegott und ſetzte wieder den einen Fuß vor den
anderen. Aber der Wächter hielt ihn zurück, denn in dem¬
ſelben Augenblick ertönte ein lauter Schrei im Hauſe, dem die
Rufe folgten: „Hilfe, Diebe!“
Mit wenigen Sätzen war Kruſemeyer am Eingange.
Aber bevor er die Klinke ergreifen konnte, wurde die Thür
von innen geöffnet und eine dunkle Geſtalt ſtürzte
bei ihm vorüber und die Straße hinunter. Es
war Franz, der die Modelle in der Taſche, keine
Ahnung davon hatte, daß der Großvater in der guten Stube
ſchlief, von der aus eine Thür zum Arbeitszimmer des Vaters
führte. Ein Blick des Wächters hatte genügt, um in dem
Fliehenden den Sohn Meiſter Timpe's zu erkennen. Er
wollte ihn feſthalten, ihm nacheilen, aber wie vom Schrecken
gelähmt, ſtand er rath- und bewegungslos da. Das Einzige,
was er zu thun vermochte, war, daß er in ſeiner Herzens¬
angſt zu Liebegott ſagte:
„Wirklich ein Dieb, lauf' ihm nach, halt ihn feſt!“
Und des Schutzmanns ungeſchlachter Körper bewegte ſich
in möglichſter Schnelligkeit nach der Richtung zu, die Franz
genommen hatte. Jedoch konnte man mit ziemlicher Be¬
ſtimmtheit bereits vorherſagen, daß Liebegott's Verfolgung trotz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/208>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.