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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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da drüben, und da habe ich wieder einmal Recht. Wer kann
überhaupt die Dichter alle kennen! Die richten nur Unheil
an in der Welt. Sprechen von Freiheit und Menschenwürde
und hetzen die Arbeiter auf! Mir soll einer kommen! Ich
kann auch ohne sie leben."

Während er diesen Erguß zum Besten gab, ohne irgend
welche Opposition zu vernehmen, war er unwillkürlich dem
Hause seines Feindes näher gekommen, so daß die letzten
Worte immer deutlicher Timpes Ohr berührten. Plötzlich
erblickte er den Drechsler und machte erschreckt Kehrt. Der
Meister hatte schon längst von Wuth übermannt die Hand
geballt. Plötzlich rief er laut hinunter: "Trotz alledem bleiben
Sie doch ein kleiner Mann mit einem großen Mund! Sie --
mein Haus bekommen?! Sie komischer Knirps! Da müssen
Sie früher aufstehn!"

Urban's Begleiter drehte sich überrascht um. Der Fabrik¬
besitzer aber zog ihn mit sich fort und sagte: "Lassen Sie ihn
nur reden! Er ärgert sich doch!"

Seit diesem Abend war der Haß des Meisters gegen den
Nachbar zum vollen Ausbruch gekommen. Schon die Nen¬
nung des Namens Urban genügte, um ihn herbe Worte sprechen
zu lassen. Frau Karoline stellte im Geheimen ihre Be¬
trachtungen darüber an und schreckte zusammen, wenn Jo¬
hannes mit zusammengezogenen Augenbrauen in die Stube
trat. Das war das Zeichen, daß wieder etwas Aergerliches
passirt war. Gewöhnlich hatte Timpe dann in Erfahrung ge¬
bracht, daß ein Kunde ihm abgesprungen sei, weil Urban ihm
billiger liefere. Der Meister kam dann aus einer Stimmung
in die andere. Er drohte mit der Faust nach der Fabrik hin¬
über und wurde dann wieder sanft wie in früheren Zeiten

da drüben, und da habe ich wieder einmal Recht. Wer kann
überhaupt die Dichter alle kennen! Die richten nur Unheil
an in der Welt. Sprechen von Freiheit und Menſchenwürde
und hetzen die Arbeiter auf! Mir ſoll einer kommen! Ich
kann auch ohne ſie leben.“

Während er dieſen Erguß zum Beſten gab, ohne irgend
welche Oppoſition zu vernehmen, war er unwillkürlich dem
Hauſe ſeines Feindes näher gekommen, ſo daß die letzten
Worte immer deutlicher Timpes Ohr berührten. Plötzlich
erblickte er den Drechsler und machte erſchreckt Kehrt. Der
Meiſter hatte ſchon längſt von Wuth übermannt die Hand
geballt. Plötzlich rief er laut hinunter: „Trotz alledem bleiben
Sie doch ein kleiner Mann mit einem großen Mund! Sie —
mein Haus bekommen?! Sie komiſcher Knirps! Da müſſen
Sie früher aufſtehn!“

Urban's Begleiter drehte ſich überraſcht um. Der Fabrik¬
beſitzer aber zog ihn mit ſich fort und ſagte: „Laſſen Sie ihn
nur reden! Er ärgert ſich doch!“

Seit dieſem Abend war der Haß des Meiſters gegen den
Nachbar zum vollen Ausbruch gekommen. Schon die Nen¬
nung des Namens Urban genügte, um ihn herbe Worte ſprechen
zu laſſen. Frau Karoline ſtellte im Geheimen ihre Be¬
trachtungen darüber an und ſchreckte zuſammen, wenn Jo¬
hannes mit zuſammengezogenen Augenbrauen in die Stube
trat. Das war das Zeichen, daß wieder etwas Aergerliches
paſſirt war. Gewöhnlich hatte Timpe dann in Erfahrung ge¬
bracht, daß ein Kunde ihm abgeſprungen ſei, weil Urban ihm
billiger liefere. Der Meiſter kam dann aus einer Stimmung
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[166/0178] da drüben, und da habe ich wieder einmal Recht. Wer kann überhaupt die Dichter alle kennen! Die richten nur Unheil an in der Welt. Sprechen von Freiheit und Menſchenwürde und hetzen die Arbeiter auf! Mir ſoll einer kommen! Ich kann auch ohne ſie leben.“ Während er dieſen Erguß zum Beſten gab, ohne irgend welche Oppoſition zu vernehmen, war er unwillkürlich dem Hauſe ſeines Feindes näher gekommen, ſo daß die letzten Worte immer deutlicher Timpes Ohr berührten. Plötzlich erblickte er den Drechsler und machte erſchreckt Kehrt. Der Meiſter hatte ſchon längſt von Wuth übermannt die Hand geballt. Plötzlich rief er laut hinunter: „Trotz alledem bleiben Sie doch ein kleiner Mann mit einem großen Mund! Sie — mein Haus bekommen?! Sie komiſcher Knirps! Da müſſen Sie früher aufſtehn!“ Urban's Begleiter drehte ſich überraſcht um. Der Fabrik¬ beſitzer aber zog ihn mit ſich fort und ſagte: „Laſſen Sie ihn nur reden! Er ärgert ſich doch!“ Seit dieſem Abend war der Haß des Meiſters gegen den Nachbar zum vollen Ausbruch gekommen. Schon die Nen¬ nung des Namens Urban genügte, um ihn herbe Worte ſprechen zu laſſen. Frau Karoline ſtellte im Geheimen ihre Be¬ trachtungen darüber an und ſchreckte zuſammen, wenn Jo¬ hannes mit zuſammengezogenen Augenbrauen in die Stube trat. Das war das Zeichen, daß wieder etwas Aergerliches paſſirt war. Gewöhnlich hatte Timpe dann in Erfahrung ge¬ bracht, daß ein Kunde ihm abgeſprungen ſei, weil Urban ihm billiger liefere. Der Meiſter kam dann aus einer Stimmung in die andere. Er drohte mit der Fauſt nach der Fabrik hin¬ über und wurde dann wieder ſanft wie in früheren Zeiten

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/178>, abgerufen am 23.11.2024.