Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

gefallen. Die Frisur und der sprossende Bart nahmen seine
ganze Theilnahme in Anspruch; namentlich lagen ihm die
Spitzen des letzteren sehr am Herzen. Zuletzt glaubte er
ohne Pomade ihnen nicht die gehörige Steifheit geben zu
können, deren sie dringend bedurften, um ihre Wirkung
vollendet zu machen. Als er darüber kaum eine Bemerkung
fallen gelassen, griff sein Vater auch schon wieder zum Hut
und entfernte sich schleunigst, um das Gewünschte vom nächsten
Barbier zu holen.

Endlich war die Toilette fertig, warf Franz den letzten
prüfenden Blick in den Spiegel. Vater und Mutter standen
hinter ihm mit emporgehobenen Lampen und waren nicht
minder entzückt von ihm, als er selbst von sich. Und wenn
die Blicke der beiden Alten sich zufällig begegneten, so konnte
man aus ihnen die Worte lesen: Ein Prachtjunge, nicht
wahr, Vater? . . . Er wird alle jungen Männer in den
Schatten stellen, Alte, he? . . .

Als er dann den Hut aufgesetzt und den Ueberzieher an¬
gezogen hatte, vermochte Frau Karoline nicht mehr zu
schweigen. Sie gab ihm mit der flachen Hand einen Schlag
auf den Rücken und sagte zärtlich: "Du bist ein schöner
Mensch." Und auch ihr Mann fiel ein: "Ein stattlicher
Kerl! Du hast wahrhaftig schon das Gardemaß."

Franz wollte gehen, als ihm einfiel, daß er etwas ver¬
gessen habe. So holte er denn noch ein Fläschchen wohl¬
riechenden Wassers hervor und bespritzte damit sein Taschen¬
tuch. Das ganze Zimmer wurde sofort von dem durchdringen¬
den Duft angefüllt. Die Nasenflügel der Eltern erweiterten
sich merklich, denn seit langer Zeit hatte man einen derartigen
Wohlgeruch in dem schlicht-bürgerlichen Hause nicht verspürt.

gefallen. Die Friſur und der ſproſſende Bart nahmen ſeine
ganze Theilnahme in Anſpruch; namentlich lagen ihm die
Spitzen des letzteren ſehr am Herzen. Zuletzt glaubte er
ohne Pomade ihnen nicht die gehörige Steifheit geben zu
können, deren ſie dringend bedurften, um ihre Wirkung
vollendet zu machen. Als er darüber kaum eine Bemerkung
fallen gelaſſen, griff ſein Vater auch ſchon wieder zum Hut
und entfernte ſich ſchleunigſt, um das Gewünſchte vom nächſten
Barbier zu holen.

Endlich war die Toilette fertig, warf Franz den letzten
prüfenden Blick in den Spiegel. Vater und Mutter ſtanden
hinter ihm mit emporgehobenen Lampen und waren nicht
minder entzückt von ihm, als er ſelbſt von ſich. Und wenn
die Blicke der beiden Alten ſich zufällig begegneten, ſo konnte
man aus ihnen die Worte leſen: Ein Prachtjunge, nicht
wahr, Vater? . . . Er wird alle jungen Männer in den
Schatten ſtellen, Alte, he? . . .

Als er dann den Hut aufgeſetzt und den Ueberzieher an¬
gezogen hatte, vermochte Frau Karoline nicht mehr zu
ſchweigen. Sie gab ihm mit der flachen Hand einen Schlag
auf den Rücken und ſagte zärtlich: „Du biſt ein ſchöner
Menſch.“ Und auch ihr Mann fiel ein: „Ein ſtattlicher
Kerl! Du haſt wahrhaftig ſchon das Gardemaß.“

Franz wollte gehen, als ihm einfiel, daß er etwas ver¬
geſſen habe. So holte er denn noch ein Fläſchchen wohl¬
riechenden Waſſers hervor und beſpritzte damit ſein Taſchen¬
tuch. Das ganze Zimmer wurde ſofort von dem durchdringen¬
den Duft angefüllt. Die Naſenflügel der Eltern erweiterten
ſich merklich, denn ſeit langer Zeit hatte man einen derartigen
Wohlgeruch in dem ſchlicht-bürgerlichen Hauſe nicht verſpürt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="102"/>
gefallen. Die Fri&#x017F;ur und der &#x017F;pro&#x017F;&#x017F;ende Bart nahmen &#x017F;eine<lb/>
ganze Theilnahme in An&#x017F;pruch; namentlich lagen ihm die<lb/>
Spitzen des letzteren &#x017F;ehr am Herzen. Zuletzt glaubte er<lb/>
ohne Pomade ihnen nicht die gehörige Steifheit geben zu<lb/>
können, deren &#x017F;ie dringend bedurften, um ihre Wirkung<lb/>
vollendet zu machen. Als er darüber kaum eine Bemerkung<lb/>
fallen gela&#x017F;&#x017F;en, griff &#x017F;ein Vater auch &#x017F;chon wieder zum Hut<lb/>
und entfernte &#x017F;ich &#x017F;chleunig&#x017F;t, um das Gewün&#x017F;chte vom näch&#x017F;ten<lb/>
Barbier zu holen.</p><lb/>
        <p>Endlich war die Toilette fertig, warf Franz den letzten<lb/>
prüfenden Blick in den Spiegel. Vater und Mutter &#x017F;tanden<lb/>
hinter ihm mit emporgehobenen Lampen und waren nicht<lb/>
minder entzückt von ihm, als er &#x017F;elb&#x017F;t von &#x017F;ich. Und wenn<lb/>
die Blicke der beiden Alten &#x017F;ich zufällig begegneten, &#x017F;o konnte<lb/>
man aus ihnen die Worte le&#x017F;en: Ein Prachtjunge, nicht<lb/>
wahr, Vater? . . . Er wird alle jungen Männer in den<lb/>
Schatten &#x017F;tellen, Alte, he? . . .</p><lb/>
        <p>Als er dann den Hut aufge&#x017F;etzt und den Ueberzieher an¬<lb/>
gezogen hatte, vermochte Frau Karoline nicht mehr zu<lb/>
&#x017F;chweigen. Sie gab ihm mit der flachen Hand einen Schlag<lb/>
auf den Rücken und &#x017F;agte zärtlich: &#x201E;Du bi&#x017F;t ein &#x017F;chöner<lb/>
Men&#x017F;ch.&#x201C; Und auch ihr Mann fiel ein: &#x201E;Ein &#x017F;tattlicher<lb/>
Kerl! Du ha&#x017F;t wahrhaftig &#x017F;chon das Gardemaß.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Franz wollte gehen, als ihm einfiel, daß er etwas ver¬<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en habe. So holte er denn noch ein Flä&#x017F;chchen wohl¬<lb/>
riechenden Wa&#x017F;&#x017F;ers hervor und be&#x017F;pritzte damit &#x017F;ein Ta&#x017F;chen¬<lb/>
tuch. Das ganze Zimmer wurde &#x017F;ofort von dem durchdringen¬<lb/>
den Duft angefüllt. Die Na&#x017F;enflügel der Eltern erweiterten<lb/>
&#x017F;ich merklich, denn &#x017F;eit langer Zeit hatte man einen derartigen<lb/>
Wohlgeruch in dem &#x017F;chlicht-bürgerlichen Hau&#x017F;e nicht ver&#x017F;pürt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0114] gefallen. Die Friſur und der ſproſſende Bart nahmen ſeine ganze Theilnahme in Anſpruch; namentlich lagen ihm die Spitzen des letzteren ſehr am Herzen. Zuletzt glaubte er ohne Pomade ihnen nicht die gehörige Steifheit geben zu können, deren ſie dringend bedurften, um ihre Wirkung vollendet zu machen. Als er darüber kaum eine Bemerkung fallen gelaſſen, griff ſein Vater auch ſchon wieder zum Hut und entfernte ſich ſchleunigſt, um das Gewünſchte vom nächſten Barbier zu holen. Endlich war die Toilette fertig, warf Franz den letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Vater und Mutter ſtanden hinter ihm mit emporgehobenen Lampen und waren nicht minder entzückt von ihm, als er ſelbſt von ſich. Und wenn die Blicke der beiden Alten ſich zufällig begegneten, ſo konnte man aus ihnen die Worte leſen: Ein Prachtjunge, nicht wahr, Vater? . . . Er wird alle jungen Männer in den Schatten ſtellen, Alte, he? . . . Als er dann den Hut aufgeſetzt und den Ueberzieher an¬ gezogen hatte, vermochte Frau Karoline nicht mehr zu ſchweigen. Sie gab ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Rücken und ſagte zärtlich: „Du biſt ein ſchöner Menſch.“ Und auch ihr Mann fiel ein: „Ein ſtattlicher Kerl! Du haſt wahrhaftig ſchon das Gardemaß.“ Franz wollte gehen, als ihm einfiel, daß er etwas ver¬ geſſen habe. So holte er denn noch ein Fläſchchen wohl¬ riechenden Waſſers hervor und beſpritzte damit ſein Taſchen¬ tuch. Das ganze Zimmer wurde ſofort von dem durchdringen¬ den Duft angefüllt. Die Naſenflügel der Eltern erweiterten ſich merklich, denn ſeit langer Zeit hatte man einen derartigen Wohlgeruch in dem ſchlicht-bürgerlichen Hauſe nicht verſpürt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/114
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/114>, abgerufen am 03.05.2024.