Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).Das All zerfiele, hielte es nicht das Gesetz. Das Gesetz Die Götter vergehn: sie dämmern! Aber unvergänglich ist der ewige Gott: das Allgesetz. Ach! Allvater nenn' ich mich nie mehr: nur bescheiden, Träume Niemand von anderem Trost! Jst's denn so ent- Verzagen, verzweifeln in elender Angst vor Tod und Ver- Wer sein Leben nicht kann opfern dem ewigen All, von dem Wie für sein Volk fällt freudig der Held, für Asen der Ase, Wen der Trost nicht tröstet, daß auf ewig das All wechselnde Das All zerfiele, hielte es nicht das Geſetz. Das Geſetz Die Götter vergehn: ſie dämmern! Aber unvergänglich iſt der ewige Gott: das Allgeſetz. Ach! Allvater nenn’ ich mich nie mehr: nur beſcheiden, Träume Niemand von anderem Troſt! Jſt’s denn ſo ent- Verzagen, verzweifeln in elender Angſt vor Tod und Ver- Wer ſein Leben nicht kann opfern dem ewigen All, von dem Wie für ſein Volk fällt freudig der Held, für Aſen der Aſe, Wen der Troſt nicht tröſtet, daß auf ewig das All wechſelnde <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0059" n="59 251"/> <p>Das All zerfiele, <hi rendition="#g">hielte</hi> es nicht das Geſetz. Das Geſetz<lb/> wäre todt, <hi rendition="#g">lebte</hi> es nicht im All. Und ich ſelber, ich ſinke, der<lb/> größte der Götter, wie ſterblicher Staub anbetend in Andacht<lb/> vor dieſer einzig ewigen Gottesgewalt. Andere Götter als Odhin<lb/> ehret vielleicht auf anderen Erden, oder auf dieſer Erde zu<lb/> anderen Zeiten Anderer Andacht.</p><lb/> <p>Die Götter vergehn: ſie dämmern!</p><lb/> <p>Aber unvergänglich iſt der ewige Gott: das Allgeſetz.<lb/> Traurige Thoren, welche da wähnen, Gott zu entgehn! Nichts<lb/> iſt ohne Gott, Niemand und nirgend. Alles athmet und iſt in<lb/> Gott. Und ich, aller Einzelgötter oberſter Gott, ich ehre in<lb/> Ehrfurcht <hi rendition="#g">dieſen</hi> Gott. Und mein Gott iſt mein Troſt.</p><lb/> <p>Ach! <hi rendition="#g">Allvater</hi> nenn’ ich mich nie mehr: nur beſcheiden,<lb/> ſchauernd: den <hi rendition="#g">Sohn</hi> des Alls! —</p><lb/> <p>Träume Niemand von anderem Troſt! Jſt’s denn ſo ent-<lb/> ſetzlich?</p><lb/> <p>Verzagen, verzweifeln in elender Angſt vor Tod und Ver-<lb/> nichtung iſt furchtſam, verächtlich.</p><lb/> <p>Wer ſein Leben nicht kann opfern dem ewigen All, von dem<lb/> er’s empfangen — den dem Feigling vergleich ich, welcher ſich<lb/> weigert, für ſein Volk zu fallen bei hallendem Heerhorn.</p><lb/> <p>Wie für ſein Volk fällt freudig der Held, für Aſen der Aſe,<lb/> ſo ſind alle Weſen geweiht, für werdende Welten zu verweſen:<lb/> wir welken und weichen, auf daß Andere erſtehn: wie der Same<lb/> verſinket, daß die Blume erblühe: für Andere ſterben (nehmlich<lb/> für <hi rendition="#g">zukünftige</hi> Andere, die erſt durch meinen Tod zur Exiſtenz<lb/> gelangen) — iſt das ſo troſtlos untragbar?</p><lb/> <p>Wen der Troſt nicht tröſtet, daß auf ewig das All wechſelnde<lb/> Wandlungen wirkt, daß Leben, Licht und Liebe unerlöſchlich<lb/> lodern in Unendlichkeit, daß Andere ernten, wo er geſäet, daß<lb/> Andere erben, wann er ſelber verſank, die Luſt des Lebens: —<lb/> den tröſtet kein Troſt als trügender Traum. — — Mannhafter,<lb/> mein ich, iſt es und ſchöner: für ſein Volk zu leben, zu leiden, zu<lb/> fallen, nur weil es Heldenpflicht verlangt, als fromme oder<lb/> tapfere Thaten darum zu thun, um ſich einzukaufen in ein ewig-<lb/> ſeliges Jdafeld.</p><lb/> </body> </text> </TEI> [59 251/0059]
Das All zerfiele, hielte es nicht das Geſetz. Das Geſetz
wäre todt, lebte es nicht im All. Und ich ſelber, ich ſinke, der
größte der Götter, wie ſterblicher Staub anbetend in Andacht
vor dieſer einzig ewigen Gottesgewalt. Andere Götter als Odhin
ehret vielleicht auf anderen Erden, oder auf dieſer Erde zu
anderen Zeiten Anderer Andacht.
Die Götter vergehn: ſie dämmern!
Aber unvergänglich iſt der ewige Gott: das Allgeſetz.
Traurige Thoren, welche da wähnen, Gott zu entgehn! Nichts
iſt ohne Gott, Niemand und nirgend. Alles athmet und iſt in
Gott. Und ich, aller Einzelgötter oberſter Gott, ich ehre in
Ehrfurcht dieſen Gott. Und mein Gott iſt mein Troſt.
Ach! Allvater nenn’ ich mich nie mehr: nur beſcheiden,
ſchauernd: den Sohn des Alls! —
Träume Niemand von anderem Troſt! Jſt’s denn ſo ent-
ſetzlich?
Verzagen, verzweifeln in elender Angſt vor Tod und Ver-
nichtung iſt furchtſam, verächtlich.
Wer ſein Leben nicht kann opfern dem ewigen All, von dem
er’s empfangen — den dem Feigling vergleich ich, welcher ſich
weigert, für ſein Volk zu fallen bei hallendem Heerhorn.
Wie für ſein Volk fällt freudig der Held, für Aſen der Aſe,
ſo ſind alle Weſen geweiht, für werdende Welten zu verweſen:
wir welken und weichen, auf daß Andere erſtehn: wie der Same
verſinket, daß die Blume erblühe: für Andere ſterben (nehmlich
für zukünftige Andere, die erſt durch meinen Tod zur Exiſtenz
gelangen) — iſt das ſo troſtlos untragbar?
Wen der Troſt nicht tröſtet, daß auf ewig das All wechſelnde
Wandlungen wirkt, daß Leben, Licht und Liebe unerlöſchlich
lodern in Unendlichkeit, daß Andere ernten, wo er geſäet, daß
Andere erben, wann er ſelber verſank, die Luſt des Lebens: —
den tröſtet kein Troſt als trügender Traum. — — Mannhafter,
mein ich, iſt es und ſchöner: für ſein Volk zu leben, zu leiden, zu
fallen, nur weil es Heldenpflicht verlangt, als fromme oder
tapfere Thaten darum zu thun, um ſich einzukaufen in ein ewig-
ſeliges Jdafeld.
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