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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Romanleserinnen sich bei "Ein Wort" den Schlaf der Urtheils-
losigkeit aus den Augen zu reiben beginnen, dann sollten christ-
liche Leser, welche der Welt in allen Formen ihres Daseins mit
nüchternem Sinne gegenüberzustehen verpflichtet sind, sich längst
ermannt und Bücher wie "Ein Wort" bei Seite geschoben haben.



Die Lorbeeren des Professor Ebers ließen einen
anderen Professor nicht ruhen.
Wie Ebers bei den alten
Egyptern zu Hause ist, so ist Felix Dahn vertraut mit der
Urgeschichte der Germanen und Romanen. Von 1859 bis
1876 hat er in Süddeutschland, Jtalien und Norddeutschland
an seinem vierbändigen Roman "Ein Kampf um Rom" ge-
schrieben, resp. die Studien dazu gemacht. Der Kampf wird von
der beginnenden Hierarchie, von den Ostgothen und den
Griechen mit wechselndem Glücke geführt. Dahn hat sein
Werk einen historischen Roman genannt. Und es ist wahr,
man kann seine erloschenen Geschichtskenntnisse durch diesen Roman
einigermaßen auffrischen, erweitern kaum, denn es bleibt dem
Leser immer ungewiß, ob er im einzelnen Falle eine beglaubigte
geschichtliche Thatsache oder eine mit historischem Sinne gemachte
Erfindung vor sich hat. Das Ganze ist in sieben Bücher ab-
getheilt, welche nach den Regenten der Ostgothen genannt sind:
Theoderich, Athalarich, Amalaswintha, Theoda-
had, Witichis, Totila, Teja.
Sonst sind historische Per-
sonen der alte Hildebrand, Justinian, Theodora,
Belisar, Narses
u. s. w. Der eigentliche Held ist jedoch für
den Geschichtsforscher Dahn eine ganz ungeschichtliche Per-
sönlichkeit;
Rom und mit ihm Jtalien wird repräsentirt durch
den frei erfundenen Präfecten Cethegus Cäsarius. Sonder-
bar! Da diese "völlig frei erfundene Gestalt" vom Schauplatz
verschwindet, ruft ihr Narses nach: "Da geht ein merkwürdiges
Stück Weltgeschichte dahin -- der letzte Römer! Sein Gold ist
dem Kaiser, sein Blut den Gothen, sein Name der Unsterblichkeit
verfallen." -- "Roma! Roma eterna" war des Cethegus letztes
Wort. Sein "edles Haupt war im Tode von hehrer Majestät,

Romanleſerinnen ſich bei „Ein Wort‟ den Schlaf der Urtheils-
loſigkeit aus den Augen zu reiben beginnen, dann ſollten chriſt-
liche Leſer, welche der Welt in allen Formen ihres Daſeins mit
nüchternem Sinne gegenüberzuſtehen verpflichtet ſind, ſich längſt
ermannt und Bücher wie „Ein Wort‟ bei Seite geſchoben haben.



Die Lorbeeren des Profeſſor Ebers ließen einen
anderen Profeſſor nicht ruhen.
Wie Ebers bei den alten
Egyptern zu Hauſe iſt, ſo iſt Felix Dahn vertraut mit der
Urgeſchichte der Germanen und Romanen. Von 1859 bis
1876 hat er in Süddeutſchland, Jtalien und Norddeutſchland
an ſeinem vierbändigen Roman „Ein Kampf um Rom‟ ge-
ſchrieben, reſp. die Studien dazu gemacht. Der Kampf wird von
der beginnenden Hierarchie, von den Oſtgothen und den
Griechen mit wechſelndem Glücke geführt. Dahn hat ſein
Werk einen hiſtoriſchen Roman genannt. Und es iſt wahr,
man kann ſeine erloſchenen Geſchichtskenntniſſe durch dieſen Roman
einigermaßen auffriſchen, erweitern kaum, denn es bleibt dem
Leſer immer ungewiß, ob er im einzelnen Falle eine beglaubigte
geſchichtliche Thatſache oder eine mit hiſtoriſchem Sinne gemachte
Erfindung vor ſich hat. Das Ganze iſt in ſieben Bücher ab-
getheilt, welche nach den Regenten der Oſtgothen genannt ſind:
Theoderich, Athalarich, Amalaſwintha, Theoda-
had, Witichis, Totila, Teja.
Sonſt ſind hiſtoriſche Per-
ſonen der alte Hildebrand, Juſtinian, Theodora,
Beliſar, Narſes
u. ſ. w. Der eigentliche Held iſt jedoch für
den Geſchichtsforſcher Dahn eine ganz ungeſchichtliche Per-
ſönlichkeit;
Rom und mit ihm Jtalien wird repräſentirt durch
den frei erfundenen Präfecten Cethegus Cäſarius. Sonder-
bar! Da dieſe „völlig frei erfundene Geſtalt‟ vom Schauplatz
verſchwindet, ruft ihr Narſes nach: „Da geht ein merkwürdiges
Stück Weltgeſchichte dahin — der letzte Römer! Sein Gold iſt
dem Kaiſer, ſein Blut den Gothen, ſein Name der Unſterblichkeit
verfallen.‟ — „Roma! Roma eterna‟ war des Cethegus letztes
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[43 235/0043] Romanleſerinnen ſich bei „Ein Wort‟ den Schlaf der Urtheils- loſigkeit aus den Augen zu reiben beginnen, dann ſollten chriſt- liche Leſer, welche der Welt in allen Formen ihres Daſeins mit nüchternem Sinne gegenüberzuſtehen verpflichtet ſind, ſich längſt ermannt und Bücher wie „Ein Wort‟ bei Seite geſchoben haben. Die Lorbeeren des Profeſſor Ebers ließen einen anderen Profeſſor nicht ruhen. Wie Ebers bei den alten Egyptern zu Hauſe iſt, ſo iſt Felix Dahn vertraut mit der Urgeſchichte der Germanen und Romanen. Von 1859 bis 1876 hat er in Süddeutſchland, Jtalien und Norddeutſchland an ſeinem vierbändigen Roman „Ein Kampf um Rom‟ ge- ſchrieben, reſp. die Studien dazu gemacht. Der Kampf wird von der beginnenden Hierarchie, von den Oſtgothen und den Griechen mit wechſelndem Glücke geführt. Dahn hat ſein Werk einen hiſtoriſchen Roman genannt. Und es iſt wahr, man kann ſeine erloſchenen Geſchichtskenntniſſe durch dieſen Roman einigermaßen auffriſchen, erweitern kaum, denn es bleibt dem Leſer immer ungewiß, ob er im einzelnen Falle eine beglaubigte geſchichtliche Thatſache oder eine mit hiſtoriſchem Sinne gemachte Erfindung vor ſich hat. Das Ganze iſt in ſieben Bücher ab- getheilt, welche nach den Regenten der Oſtgothen genannt ſind: Theoderich, Athalarich, Amalaſwintha, Theoda- had, Witichis, Totila, Teja. Sonſt ſind hiſtoriſche Per- ſonen der alte Hildebrand, Juſtinian, Theodora, Beliſar, Narſes u. ſ. w. Der eigentliche Held iſt jedoch für den Geſchichtsforſcher Dahn eine ganz ungeſchichtliche Per- ſönlichkeit; Rom und mit ihm Jtalien wird repräſentirt durch den frei erfundenen Präfecten Cethegus Cäſarius. Sonder- bar! Da dieſe „völlig frei erfundene Geſtalt‟ vom Schauplatz verſchwindet, ruft ihr Narſes nach: „Da geht ein merkwürdiges Stück Weltgeſchichte dahin — der letzte Römer! Sein Gold iſt dem Kaiſer, ſein Blut den Gothen, ſein Name der Unſterblichkeit verfallen.‟ — „Roma! Roma eterna‟ war des Cethegus letztes Wort. Sein „edles Haupt war im Tode von hehrer Majeſtät,

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 43 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/43>, abgerufen am 19.04.2024.