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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Pharaonenpalast hätte verweisen und jedem modernen Collegen
und Freunde culinarischer Künste hätte sagen können, daß ein-
gekochte Früchte, geräuchertes Fleisch und verpichte Flaschen mit
Wein nicht blos im Frieden von den Egyptern genossen, sondern
von ihnen auch den kranken Soldaten in's Feld geschickt werden.
Jn der Liebe hat Doctor Nebsecht kein Glück. Er liebt Uarda,
und diese Liebe ist so stark, daß er ihrethalb bereit ist, von der
Höhe des Priesterstandes in den Staub der Paraschiten herab-
zutreten, aber ein Königssohn sieht die Paraschitentochter eben-
falls, und dieser Bewerber trägt den Sieg über Nebsecht davon.
Diese Niederlage muß letzterem um so empfindlicher gewesen sein,
als er im Gebirge seiner Zeit Zeuge des Glückes seines Freunds
Pentaur und der Bent Anat war. Bei dieser Gelegenheit hatte
sich Nebsecht dem Poeten gegenüber die Bemerkung erlaubt:
"Die Disharmonien in deinem Leben hat der große Musikant,
zu dem du betest, wirklich recht artig gelöst." Ganz so frivol
und ganz so läppisch als ob ein Schüler Häckel's seinem
Herzen Luft gemacht hätte. -- Zuletzt stirbt Nebsecht. Eines
seiner letzten Worte war: "Nicht das Schauen, das Finden ist
reizvoll, so reizvoll, daß ich dafür noch ein anderes Leben hier
und dort auf's Spiel setzen möchte." -- Damit hat Ebers ohne
Zweifel das bekannte Wort Lessing's vom Suchen nach Wahrheit
und vom ruhigen Besitz der Wahrheit in ein längst vergangenes
Säculum rücken wollen, nur schade, daß der Versuch aus
Gedankenlosigkeit mißglückt ist. Der Besitz der Wahrheit, das
Schauen derselben, entspricht dem Finden, ehe man aber besitzt,
schaut, findet, muß man suchen. Wir erlauben uns daher, dem
Autor für die nächste Auflage vorzuschlagen, das Wort "Finden"
durch sein Gegentheil, durch das Wort "Suchen", zu ersetzen.
Ueber solche Dinge geht aber ein richtiger Ebersleser ahnungslos
hinaus, auch über Widersprüche, wie sie bei Schilderung eines
Festmahls vorkommen, z. B. wenn der Oberpriester und erste
Prophet dem zweiten Propheten sagt, er solle die Gäste zu
tüchtigem Trunk ermuntern und jede Unterhaltung über den König,
(welchen die Priester stürzen wollen), den Staat und den Krieg
unterbrechen. "Du weißt," so schloß er, "daß wir heute nicht

Pharaonenpalaſt hätte verweiſen und jedem modernen Collegen
und Freunde culinariſcher Künſte hätte ſagen können, daß ein-
gekochte Früchte, geräuchertes Fleiſch und verpichte Flaſchen mit
Wein nicht blos im Frieden von den Egyptern genoſſen, ſondern
von ihnen auch den kranken Soldaten in’s Feld geſchickt werden.
Jn der Liebe hat Doctor Nebſecht kein Glück. Er liebt Uarda,
und dieſe Liebe iſt ſo ſtark, daß er ihrethalb bereit iſt, von der
Höhe des Prieſterſtandes in den Staub der Paraſchiten herab-
zutreten, aber ein Königsſohn ſieht die Paraſchitentochter eben-
falls, und dieſer Bewerber trägt den Sieg über Nebſecht davon.
Dieſe Niederlage muß letzterem um ſo empfindlicher geweſen ſein,
als er im Gebirge ſeiner Zeit Zeuge des Glückes ſeines Freunds
Pentaur und der Bent Anat war. Bei dieſer Gelegenheit hatte
ſich Nebſecht dem Poeten gegenüber die Bemerkung erlaubt:
„Die Disharmonien in deinem Leben hat der große Muſikant,
zu dem du beteſt, wirklich recht artig gelöſt.‟ Ganz ſo frivol
und ganz ſo läppiſch als ob ein Schüler Häckel’s ſeinem
Herzen Luft gemacht hätte. — Zuletzt ſtirbt Nebſecht. Eines
ſeiner letzten Worte war: „Nicht das Schauen, das Finden iſt
reizvoll, ſo reizvoll, daß ich dafür noch ein anderes Leben hier
und dort auf’s Spiel ſetzen möchte.‟ — Damit hat Ebers ohne
Zweifel das bekannte Wort Leſſing’s vom Suchen nach Wahrheit
und vom ruhigen Beſitz der Wahrheit in ein längſt vergangenes
Säculum rücken wollen, nur ſchade, daß der Verſuch aus
Gedankenloſigkeit mißglückt iſt. Der Beſitz der Wahrheit, das
Schauen derſelben, entſpricht dem Finden, ehe man aber beſitzt,
ſchaut, findet, muß man ſuchen. Wir erlauben uns daher, dem
Autor für die nächſte Auflage vorzuſchlagen, das Wort „Finden‟
durch ſein Gegentheil, durch das Wort „Suchen‟, zu erſetzen.
Ueber ſolche Dinge geht aber ein richtiger Ebersleſer ahnungslos
hinaus, auch über Widerſprüche, wie ſie bei Schilderung eines
Feſtmahls vorkommen, z. B. wenn der Oberprieſter und erſte
Prophet dem zweiten Propheten ſagt, er ſolle die Gäſte zu
tüchtigem Trunk ermuntern und jede Unterhaltung über den König,
(welchen die Prieſter ſtürzen wollen), den Staat und den Krieg
unterbrechen. „Du weißt,‟ ſo ſchloß er, „daß wir heute nicht

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[16 208/0016] Pharaonenpalaſt hätte verweiſen und jedem modernen Collegen und Freunde culinariſcher Künſte hätte ſagen können, daß ein- gekochte Früchte, geräuchertes Fleiſch und verpichte Flaſchen mit Wein nicht blos im Frieden von den Egyptern genoſſen, ſondern von ihnen auch den kranken Soldaten in’s Feld geſchickt werden. Jn der Liebe hat Doctor Nebſecht kein Glück. Er liebt Uarda, und dieſe Liebe iſt ſo ſtark, daß er ihrethalb bereit iſt, von der Höhe des Prieſterſtandes in den Staub der Paraſchiten herab- zutreten, aber ein Königsſohn ſieht die Paraſchitentochter eben- falls, und dieſer Bewerber trägt den Sieg über Nebſecht davon. Dieſe Niederlage muß letzterem um ſo empfindlicher geweſen ſein, als er im Gebirge ſeiner Zeit Zeuge des Glückes ſeines Freunds Pentaur und der Bent Anat war. Bei dieſer Gelegenheit hatte ſich Nebſecht dem Poeten gegenüber die Bemerkung erlaubt: „Die Disharmonien in deinem Leben hat der große Muſikant, zu dem du beteſt, wirklich recht artig gelöſt.‟ Ganz ſo frivol und ganz ſo läppiſch als ob ein Schüler Häckel’s ſeinem Herzen Luft gemacht hätte. — Zuletzt ſtirbt Nebſecht. Eines ſeiner letzten Worte war: „Nicht das Schauen, das Finden iſt reizvoll, ſo reizvoll, daß ich dafür noch ein anderes Leben hier und dort auf’s Spiel ſetzen möchte.‟ — Damit hat Ebers ohne Zweifel das bekannte Wort Leſſing’s vom Suchen nach Wahrheit und vom ruhigen Beſitz der Wahrheit in ein längſt vergangenes Säculum rücken wollen, nur ſchade, daß der Verſuch aus Gedankenloſigkeit mißglückt iſt. Der Beſitz der Wahrheit, das Schauen derſelben, entſpricht dem Finden, ehe man aber beſitzt, ſchaut, findet, muß man ſuchen. Wir erlauben uns daher, dem Autor für die nächſte Auflage vorzuſchlagen, das Wort „Finden‟ durch ſein Gegentheil, durch das Wort „Suchen‟, zu erſetzen. Ueber ſolche Dinge geht aber ein richtiger Ebersleſer ahnungslos hinaus, auch über Widerſprüche, wie ſie bei Schilderung eines Feſtmahls vorkommen, z. B. wenn der Oberprieſter und erſte Prophet dem zweiten Propheten ſagt, er ſolle die Gäſte zu tüchtigem Trunk ermuntern und jede Unterhaltung über den König, (welchen die Prieſter ſtürzen wollen), den Staat und den Krieg unterbrechen. „Du weißt,‟ ſo ſchloß er, „daß wir heute nicht

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 16 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/16>, abgerufen am 29.03.2024.